Inflation und Energiekosten Wenn der Sportverein zu teuer wird
Fast alles wird teurer, oft auch die Mitgliedschaft im Sportverein. Doch es gibt Lösungsansätze für Vereine und von Armut betroffene Menschen.
Zweistellige Inflationsraten und explodierende Energiepreise bringen immer mehr Menschen in finanzielle Schwierigkeiten. Viele müssen Ausgaben einsparen, der Sportverein wäre da eine Möglichkeit.
Schon vor sechs Wochen stellte jeder vierte Sportverein (26,9 Prozent) einen Rückgang der Mitgliederzahlen aufgrund der Energiekrise fest. Das hat eine Umfrage des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) am 23. Oktober ergeben.
Immer mehr Menschen leben in Armut
Die aktuellen Preissteigerungen verstärken einen ohnehin schon fatalen Trend. Laut dem Paritätischen Armutsbericht 2022 ist der Anteil der Menschen, die in Deutschland in Armut leben, innerhalb von zwei Jahren von 15,9 Prozent auf 16,6 Prozent gestiegen. Bei Kindern und Jugendlichen beträgt der Anteil sogar 20,8 Prozent. Der Bericht bezieht sich auf das Jahr 2021, hat die aktuellen Teuerungen also noch gar nicht berücksichtigt.
Folgen für den Vereinssport sind naheliegend. Im Sport fielen die soziale Schicht und die sozioökonomische Herkunft zwar weniger ins Gewicht als in anderen Bereichen, sagte der Kölner Sportsoziologe Christoph Breuer dem Deutschlandfunk. Aber Kinder und Jugendliche aus sozial schwierigen Lagen seien weniger bewegungsaktiv, "sie sind auch weniger häufig Mitglied im Sportverein".
Dabei spielt auch die Art des Sports eine Rolle: "Je teurer eine Sportart ist, was Beiträge, Ausrüstung und so weiter betrifft, desto weniger Kinder aus ärmeren Verhältnissen sind dabei."
Krise des Breitensports
So verschärft sich die Krise des Breitensports in Deutschland immer mehr. Schwimmbäder schließen, Turnhallen verkommen und Schulsportstunden fallen aus.
Nur vier von fünf deutschen Kindern erreichen die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für 45 Minuten Bewegung am Tag. Das war eine der Erkenntnisse der Kinder- und Jugendsportstudie 2020.
Mehrere Möglichkeiten, Betroffene zu unterstützen
Wer Sozialleistungen bezieht, kann 15 Euro Zuschuss vom Bund für soziale Teilhabe beantragen, auch für einen Sportvereinsbeitrag. Wer knapp über der Grenze für Sozialleistungen liegt, ist auf andere Ideen angewiesen, zum Beispiel einen Förderverein.
Die Klubs könnten Beiträge zudem so staffeln, dass Familien entlastet werden. Der TSV Bayer 04 Leverkusen bietet bei nachgewiesener Bedürftigkeit auch an, die Mitgliedsbeiträge auszusetzen. Ganz auf Beiträge verzichten kann ein Verein allerdings nicht, sonst gerät der Status der Gemeinnützigkeit in Gefahr.
Armut bleibt oft unentdeckt
In Hessen bietet die Sportjugend des dortigen Landessportbundes das Soforthilfeprogramm "Sport für alle Kinder" an. Vereine, die Bedarf bei ihren Mitgliedern sehen, könnten dort unbürokratisch und schnell Hilfe bekommen, bis zu 150 Euro pro Halbjahr, sagt Julian Blessing von der Sportjugend. Die Nachfrage sei allerdings noch relativ gering, vielleicht auch, weil das Programm nicht überall bekannt ist.
Zudem ist Armut mit Scham verbunden und bleibt oft unentdeckt. So lohnt es sich für Trainerinnen und Trainer nachzuhaken, wenn ein Kind den Ausflug oder das Trainingslager auslässt oder sehr alte Ausrüstung nutzt. Genau für solche Ausgaben bietet die Sportjugend Hessen Hilfe an.
Vereine durch Energiekosten unter Druck
Doch auch die Vereine selbst sind mitunter auf Unterstützung von außen angewiesen, denn die Energiepreissteigerung schlägt vielerorts voll durch. Der Landessportbund Nordrhein-Westfalen rechnet beispielsweise damit, dass sie bei Vereinen mit eigenen Anlagen zu einer Deckungslücke von 32 bis 41 Millionen Euro führen wird.
Man habe die Zahlen auf Wunsch der Landesregierung zusammengetragen, sagt Christoph Niessen, Vorstandsmitglied im LSB NRW: "Angesichts dieser Anfrage erscheint wahrscheinlich, dass von dort Unterstützung kommen wird." Die schwarz-grüne Landesregierung hatte angekündigt, noch im Dezember ein fünf Milliarden Euro schweres Sondervermögen zur Krisenbewältigung zusammenzustellen.
Trend zu steigenden Mitgliedsbeiträgen
Noch aber müssen die Vereine die gestiegenen Kosten selbst stemmen - und möglicherweise umlegen. 16,1 Prozent der Vereine gaben an, dass sie die Mitgliedsbeiträge als Reaktion auf die Strom- und Gaspreise erhöht haben.
So hat es zum Beispiel der TuS 87/97 Alstaden aus Oberhausen (Tennis, Handball, Reha-Sport, Fitness) getan, er verzeichnet nach eigenen Angaben aber weiterhin steigende Mitgliederzahlen. Der Hammer Sportclub verzichtet dagegen bewusst auf eine Beitragserhöhung im Jahr 2023, erwägt aber eine spätere Anhebung für 2024. Und ETUF Essen erhebt für 2023 und 2024 eine Energieumlage von jeweils 100 Euro pro Mitglied - mit Ermäßigungen für Kinder, Jugendliche und Studierende.