Kansas-City-Trainer Andy Reid Chiefs, Cheeseburger - Champion?
Andy Reid hat als Trainer für eine Erfolgs-Ära der Philadelphia Eagles gesorgt. Dann führte er die Kansas City Chiefs zum Titel. Beide Teams stehen sich nun in der Nacht zu Montag (hier live im Audio-Stream) im Super Bowl gegenüber.
Wer weiß, wie alles gekommen wäre, wenn… So manche Erfolgsgeschichte hat bereits so oder so ähnlich begonnen. Im Fall von Andy Reid klingt sie so: Er war Ende Dezember 2012 bei den Philadelphia Eagles entlassen worden. Nach 14 Jahren. Es passte einfach nicht mehr.
Zwar hatte Reid die Eagles viermal nacheinander ins Playoff-Halbfinale geführt und 2005 sogar in den Super Bowl, den Philadelphia 21:24 gegen New England verlor. Doch der Trend ging in die falsche Richtung. In der Saison 2012 hatten die Eagles nur noch vier Spiele gewonnen, aber zwölf verloren.
Flieger nach Arizona stand bereit
Reid suchte also einen neuen Job - und die Arizona Cardinals suchten einen neuen Trainer. Sie hatten deshalb extra einen Flieger nach Philadelphia geschickt, der Reid für ein Interview nach Phoenix bringen sollte.
Doch bevor Reid einstieg, sprach er am Flughafen in Philadelphia mit einer Delegation der Kansas City Chiefs. Die hatten sich nach einer 2:14-Saison gerade von ihrem Trainer getrennt und ebenfalls Interesse an Reid. "Wir hatten drei oder vier Stunden, um mit ihm zu sprechen und haben unsere Pläne dargelegt", erinnerte sich Chiefs-Geschäftsführer Clark Hunt in dieser Woche in Phoenix.
Der Anfang war ein Neun-Stunden-Interview
Letztlich redeten beide Seiten neun Stunden miteinander. Reid sprach von "einem langen Tag" und, dass "die Zeit wie im Flug vergangen" sei. Hunt betonte, dass ihm während der Unterhaltung ein Flugzeug aufgefallen war, das mit offener Einstiegsklappe nicht weit entfernt stand. Irgendwann habe Reid schließlich gesagt, dass er eigentlich da einsteigen müsse, beziehungsweise einsteigen hätte sollen.
Doch er betrat den Flieger nie. Das Interview mit den Chiefs verlief so gut, dass beide Seiten schnell ein gutes Gefühl hatten. Am 7. Januar unterschrieb Reid bei den Chiefs. Die Sache mit dem Flieger, ja, die täte ihm schon leid, meinte er im Vorfeld des Super Bowls. Andererseits wisse aber halt jeder, dass dies Teil des Business sei.
Beim Amtsantritt waren Chiefs am Boden
Reid steht am Sonntag zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren mit Kansas City im Super Bowl - ausgerechnet in Arizona. Die Frage, was wohl gewesen wäre, wenn er damals in den Cardinals-Flieger gestiegen wäre, hat er sich nie gestellt. Warum auch?
Nachdem Reid bereits bei den Eagles als Trainer mit den meisten Siegen (130) in die Vereinsgeschichte eingegangen war, hat er nun für die erfolgreichste Ära der Chiefs-Historie gesorgt. Dabei hatte Kansas City, wie auch schon Philadelphia, bei seinem Amtsantritt die schlechteste Bilanz aller NFL-Teams gehabt.
Ex-Spieler fasziniert vom Wandel
"Es ist verblüffend, was aus den Chiefs geworden ist", sagt Derrick Johnson gegenüber "ESPN". Der Linebacker hat acht Jahre ohne Reid in Kansas City gespielt und fünf weitere Jahre unter ihm. "Du würdest es nicht glauben, wo wir waren, als Andy kam, und wo wir jetzt sind, wenn du es nicht selbst sehen würdest", so Johnson.
Reid machte schnell klar, dass Disziplin ihm äußerst wichtig ist. Dass Spieler pünktlich zu Meetings erscheinen - und dabei "vernünftige" Kleidung zu tragen haben. Er legte Wert auf viele kleine Dinge - und erzielte damit große Wirkung. Das Team erreichte in Reids erster Saison, 2013, sofort die Playoffs. Doch obwohl es weiterhin gut lief, wurde deutlich, dass Quarterback Alex Smith zwar ein guter Spielmacher ist, aber eben wohl keiner, der den Verein in den Super Bowl führen kann - oder gar zum Meistertitel.
Glücksgriff Patrick Mahomes
Dieses Puzzleteil fand Reid bei der Draft 2017 mit Patrick Mahomes. Seit 2018 ist er der Starting Quarterback, seit 2018 standen die Chiefs jedes Jahr mindestens im Halbfinale, nun zum dritten mal im Super Bowl und sind 2020 Meister geworden. Sie spielen aufregenden, offensiven Football - ganz nach dem Geschmack ihrer Fans und ihres Trainers.
Kasas City-Trainer Andy Reid (r.) mit Quaterback Patrick Mahomes
Dieser Andrew Walter Reid hat Kansas City in nur zehn Jahren aus einer bemitleidenswerten NFL-Adresse zu einem Vorzeigeverein geformt. Ein Verein mit einer Gewinner-Kultur. "Er hat diese Kultur hier bereits aufgebaut, bevor ich hierher kam", sagt der frisch gebackene MVP Mahomes. Eine Kultur, so der Quarterback weiter, deren Aussagekraft so einfach wie erfolgreich ist: "So arbeiten wir. So bereiten wir uns vor. Und so werden wir gewinnen."
Typ "Lieblings-Opa"
Auf seine Zeit in Philadelphia blickt Reid gerne zurück, spricht von "14 großartigen Jahren" und hebt hervor, "jede Minute geliebt" zu haben. Es war allerdings auch jene Phase in seiner Karriere, in der Reid in den entscheidenden Phasen der Partien immer mal wieder falsche Entscheidungen traf. Mal nahm er zur Unzeit eine Auszeit, mal hatte er die verbleibende Spielzeit nicht im Blick.
Mittlerweile gilt der 64-Jährige jedoch als einer der besten Trainer - nicht nur der Liga, sondern der Ligageschichte. Reid, der mit seinem Haarkranz, dem Walross-Schnurrbart und dem Wohlstandsbauch den Typ "Lieblings-Opa" verkörpert, ist nicht nur erfolgreich, sondern auch sehr sympathisch und witzig. Es gab in den vergangenen Tagen in Phoenix keine Pressekonferenz mit ihm, auf der er nicht mehrfach für lautes Gelächter sorgte.
Experte für Cheeseburger
Einen Morgen-Kaffee? Brauche er nicht, so Reid. "Für einen pummeligen Typen habe ich unendliche Energie." Was sich für ihn seit seinem ersten Super Bowl 2005 verändert habe? "Nicht sonderlich viel. Die Haare sind weniger geworden, das Gewicht nicht." Und natürlich gab es auch Fragen nach seinem Lieblingsgericht, Cheeseburger.
Zum Beispiel, was für ihn einen perfekten Cheeseburger ausmache? "Die habe ich doch schon 50 mal beantwortet", meinte Reid am Mittwoch - um dann trotzdem zum 51. Mal ins Detail zu gehen. "Es fängt mit einem guten Brötchen an. Frisches Fleisch. Und dann kommt alles andere oben drauf", betonte er, hob seinen rechten Zeigefinger und ergänzte: "außer Senf".