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17-jähriger Finn Sonnekalb Eisschnelllauf - Deutschland hat wieder ein Top-Talent
Junioren-Weltmeistertitel gibt es für deutsche Eisschnellläufer fast nie zu feiern. Finn Sonnekalb hat jetzt gleich drei an einem Wochenende bejubeln können. Ab Freitag darf der 17-Jährige zum ersten Mal bei den Erwachsenen im Weltcup an den Start gehen.
Er ist der beste der Welt - zumindest in seiner Altersklasse. Das hat Eisschnellläufer Finn Sonnekalb vor anderthalb Wochen unter Beweis gestellt. Bei der Junioren-WM im italienischen Klobenstein gewann der Erfurter gleich drei Weltmeistertitel. Über 1.000 und 1.500 Meter sowie im Allround-Mehrkampf. Dazu Bronze über 500 Meter und im Teamsprint.
Die Dimensionen dieses Erfolges werden noch bemerkenswerter, wenn man sie in historische Relation setzt. In den vergangenen 35 Jahren gewannen deutsche Nachwuchsläufer bei den Männern überhaupt nur einen einzigen WM-Titel. Der bisher letzte, der den Mehrkampf für sich entscheiden konnte, war Michael Spielmann, 1988.
Zu k.o. für die Siegerehrung
"Ich kann extrem gut mit Schmerzen umgehen. Viele andere Läufer kommen einfach nicht über ihre Kotzgrenze. Bei mir geht es da immer noch weiter", beschreibt Finn Sonnekalb seine Qualitäten. Und das mit der Kotzgrenze ist in seinem Fall nicht nur ein Bild im übertragenen Sinne.
"Nach Wettkämpfen bin ich in den nächsten 15 Minuten komplett nicht ansprechbar, liege völlig erschöpft irgendwo über der Bande oder auf einer Matte", sagt er. Da die stärksten Läufer beim Eisschnelllauf meist im letzten Paar starten, verdirbt das dem 17-Jährigen regelmäßig auch die anschließende Siegerehrung: "Da fürchte ich, manchmal einfach umzufallen."
Überlegenheit in seiner Altersklasse
Auch Teamleiter Helge Jasch war von Sonnekalbs Leistungen bei der WM in Italien beeindruckt: "Finn ist ein echter Fighter. Wenn er aus der letzten Kurve läuft und das Rennen eng ist, schafft er es eigentlich immer, sich im direkten Duell durchzusetzen." Allerdings sind enge Duelle für den Erfurter gegen gleichaltrige Gegner eher die Ausnahme. Deswegen motiviert sich Finn Sonnekalb vor allem durch das Ziel, seine Bestzeiten zu steigern. Schon jetzt liegt er in Deutschland auch im Erwachsenenbereich unter den Allerbesten.
Eigentlich stammt der Thüringer aus einer Fahrrad-Familie. Mutter Madeleine und Vater Gerrit nahmen ihn schon mit einem Jahr mit auf eine lange Rad-Tour quer durch Skandinavien. Damals noch im Kindersitz. Als Finn sechs war, radelte die Familie acht Monate lang quer durch Europa. Da musste er auf dem Tandem schon selbst in die Pedale treten.
Finn, ein Junge voller Energie. Deswegen wollten ihn die Eltern auch früh auf die Sportschule in Erfurt bringen. Im Radfahren war das allerdings erst ab der siebten Klasse möglich. Entsprechend suchte die Familie nach Alternativen.
Der Weihnachtsmann entscheidet
Normalerweise hätte das die Leichtathletik sein sollen. Damals war der Andrang in dieser Sportart in seiner Heimatstadt allerdings so groß, dass das Los über die Trainingsteilnahme entscheiden musste. Finn zog eine Niete.
Zufällig fand am gleichen Nachmittag im benachbarten Eisstadion gerade eine Weihnachtsfeier des Eisschnelllauf-Nachwuchses statt. Aus den Händen der Stützpunktleiterin bekam der Sechsjährige einen Weihnachtsmann in die Hand gedrückt. "Seit diesem Tag wollte ich Eischnellläufer werden," sagt Sonnekalb.
Profisportler-Leben
Inzwischen führt er seit fast zwei Jahren ein Profisportler-Leben. Die Schule hat Finn Sonnekalb 2023 mit der mittleren Reife abgeschlossen, danach ein freiwilliges soziales Jahr bei seinem Verein, dem ESC Erfurt, absolviert. Einziges Ziel, seine sportlichen Leistungsfähigkeiten zu steigern. Bereits jetzt mit 17 hat der Eischnellläufer seinen Platz in der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Oberhof, wird im April seine Grundausbildung beginnen.
Vor einem Jahr triumphierte Sonnekalb schon bei den Youth Olympic Games in Korea über 500 und 1.500 Meter. Seine aktuellen Siege sind also fast eine logische Fortsetzung seiner Erfolge. Sein Trainer Harald Harnisch versucht das tägliche Training dabei so zu gestalten, dass eine Überforderung vermieden wird. Warnende Beispiele von Nachwuchssportlerinnen und -sportlern, die schon früh mit allzu großen Umfängen konfrontiert wurden und diese langfristig nicht verkrafteten, gibt es schließlich genug.
Ziel Olympia-Teilnahme
Auf einen wie ihn haben sie im deutschen Eisschnelllauf lange gewartet. Sehr lange. Die bisher letzte Olympia-Medaille gewann der Verband 2010, den bisher letzten Weltmeistertitel nur ein Jahr später. Seitdem herrscht weitgehend Tristesse, auch wenn aktuell ein Aufwärtstrend erkennbar ist. "Ich habe gemerkt, wie doll dort die Not ist, dass jemand kommt und sie rettet," sagt Sonnekalb, der sich in Polen beim Weltcup in Tomaszów Mazowiecki nun zum ersten Mal mit erwachsenen Läufern auf internationaler Ebene messen darf.
"Ich will dort erstmal reinschnuppern, hab mir keine großen Ziele gesetzt. Einfach gucken, was geht", sagt er. Klingt fast ein wenig bescheiden, aber nur fast. Denn praktisch im gleichen Atemzug überlegt Sonnekalb, ob es für ihn sogar noch zur Teilnahme bei der Einzelstrecken-WM Mitte März in Hamar reichen könnte.
Starke nationale Konkurrenz
Allerdings ist gerade auf seinen stärksten Strecken, 1.000 und 1.500 Meter, die nationale Konkurrenz so groß wie sonst auf keinen anderen Laufdistanzen. Mit Hendrik Dombek, Moritz Klein und Stefan Emele gibt es gleich drei Läufer, die an einem guten Tag unter die besten Zehn im Weltcup laufen können.
Doch Finn Sonnekalb hat bereits jetzt auch den nächsten Winter im Hinterkopf. Da wartet schließlich mit den Olympischen Spielen ein absolutes Highlight. "Ich denke, dass ich es schaffen könnte, mich dafür zu qualifizieren", sagt der Nachwuchsläufer, der noch ein weiteres Jahr in der Juniorenklasse laufen könnte. Das reizt ihn allerdings überhaupt nicht: "Da gibt es auch international kaum noch Konkurrenz in meiner Altersklasse."
Jordan Stolz ist das Vorbild
Passend dazu hat Finn Sonnekalb ein Vorbild, dem selbst schon ganz früh der internationale Durchbruch gelungen ist, Jordan Stolz. Der Amerikaner ist erst 20 und hat schon sechs WM-Titel gewonnen. Von solch einem Übergang aus der Nachwuchs- in die Erwachsenenklasse träumt auch Sonnekalb. "Er hat da beste Chancen, beste Perspektiven", blickt Teamleiter Helge Jasch sehr optimistisch in die Zukunft.
Sportler, die in der Nachwuchsklasse überragten, im Erwachsenenalter aber nie den Durchbruch schafften, gab es im Eisschnelllauf eine Menge. Finn Sonnekalb aber sagt schon jetzt: "Ich will keiner von denen sein, die immer nur als Talent gelten."