Eiskunstlaufen Seppelt - "Walijewa ist das Opfer in einem Regime des Schreckens"
Im Rahmen der Eiskunstlauf-EM ordnet Sportschau-Dopingexperte Hajo Seppelt die Entscheidung der russischen Anti-Dopingagentur im Fall Walijewa ein.
Daniel Weiss: Russlands Anti-Dopingagentur RUSADA hat der 16-jährigen Europameisterin Kamila Walijewa wegen des positiven Dopingtests zwar den Titel aberkannt, sie aber nicht gesperrt. Wie passt das zusammen?
Hajo Seppelt: Es passt überhaupt nicht zusammen. Getreu nach dem Motto "Es kann nicht sein, was nicht sein darf" hat man in Russland versucht, den Fall Walijewa zu den Akten zu legen. Das wird aber nicht funktionieren, weil die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) schon gesagt hat, dass sie Einspruch einlegt. Deswegen wird der Fall am Ende auf höchster Ebene vor dem Internationalen Sportgerichtshof entschieden werden.
Ich habe meine einschlägigen Erfahrungen damit, wie in Russland mit dem Thema Doping umgegangen worden ist und immer noch wird. Da wird mit allen Tricks gearbeitet, und da wird manipuliert. Leider spielt sich hier auf der kleinen Ebene des Mikrokosmos Sport ein Stück weit das ab, was wir manchmal auch im Größeren in Russland erleben. Insofern ist der Fall Walijewa aus meiner Sicht ein Beleg dafür, dass der russische Sport weiterhin vom Staat mitgesteuert wird.
Walijewa ist eine Volksheldin in Russland und man sagt, sie ist ein Opfer des Westens - das ist natürlich alles Propaganda. Fakt ist, dass das Mädchen positiv getestet worden ist und es noch nicht mal eine transparente Erklärungen dafür gibt, warum es zu diesem Freispruch gekommen ist.
Daniel Weiss: Kamila war positiv, aber die wirklichen Täter auf den Eisflächen Russlands sind noch immer da. Werden die jemals gefunden?
Hajo Seppelt: Es heißt, dass es andere Gründe als ein persönliches Vergehen von Walijewa gegeben hat und das glaube ich sogar. Ich kann mir vorstellen, dass Walijewa hier mehr Opfer als Täter ist. Man kann schon die Frage stellen, ob es sich um Kinderdoping gehandelt hat. Man weiß, wie die Praktiken der Trainer, ich denke an Walijewas Trainerin Eteri Tutberidse, sind, und man sieht, wie sich andere Eiskunstläuferinnen aus Russland über die Frau geäußert haben, wenn sie keine Angst mehr haben mussten. Wenn man das alles zusammenfasst, hat man den Eindruck, dass es sich hier um ein Regime des Schreckens handelt, unter dem viele junge Sportlerinnen leiden.
Nichtsdestotrotz ist Walijewa positiv getestet worden, formal trägt sie die Verantwortung dafür. Ich bin gespannt, ob man in Russland noch jemanden aus dem Hut zaubert, der verantwortlich gemacht wird.
Das riecht alles nach Manipulation und damit tut man dem Sport und dem Ansehen des russischen Sports weltweit keinen Gefallen. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob das den russischen Funktionären mittlerweile nicht auch ein Stück weit egal ist. Walijewa scheint mir hier eine Puppe zu sein, an der ganz andere die Fäden ziehen. Auch weit über Russland hinaus stellt sich die Frage, welche Rolle junge Sportler und Sportlerinnen in einem Gefüge spielen, indem sie häufig den Machtinteressen Dritter ausgesetzt sind.
Daniel Weiss: Wie geht es nun weiter?
Hajo Seppelt: Es gibt jetzt mit Sicherheit von der WADA das Verfahren, es wird am Ende vor dem Internationalen Sportsgerichtshof entschieden. Dann wird man sehen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Walijewa selber mitverantwortlich für dieses Vergehen war. Inzwischen ist zumindest öffentlich nicht mehr die Rede davon, dass sie unbeabsichtigt Tabeletten von ihrem Großvater aufgenommen hat - das klang sowieso sehr unglaubwürdig. Die entscheidende Frage ist, ob sie gesperrt wird und was mit der Wertung der Ergebnisse bei den Olympischen Spielen passiert.