Philipp Horn
interview

Biathlet im Interview Philipp Horn über schwache DSV-Saison - "Wir sind alle durchschnittlich"

Stand: 20.03.2025 05:00 Uhr

Biathlet Philipp Horn im Wintersport-Podcast über Ex-Trainer Uroš Velepec, Generationslücken, Schreie im Wald, schlechte Verlierer und das Auf und Ab in seiner Karriere.

Sportschau: Erinnern Sie sich noch an Ihre Anfänge im Biathlon und welche Rolle Ihre Schwester gespielt hat?

Philipp Horn: Ich stand mit vier Jahren zum ersten Mal auf Skiern und habe immer meiner großen Schwester nachgeeifert. Sie ist vier Jahre älter als ich und war im Kinder- und Jugendalter deutlich erfolgreicher. Sie hat alles gewonnen und ich war eher mittelmäßig, aber das hat mich angespornt, es auch zu schaffen. Irgendwie bin ich dann hängen geblieben.

Sportschau: Ihr Weg in die Weltspitze war nicht geradlinig. 2019 mussten Sie die Zurückstufung in den IBU-Cup verkraften. Wie haben Sie das damals erlebt? 

Horn: Ich wurde nicht nur einmal in den IBU-Cup zurückgestuft. Ich bin auch aus dem IBU-Cup zurück in den Deutschlandpokal degradiert worden. Ich habe unglaublich viele Rückschläge erlebt. Man lernt mit der Zeit schon irgendwo damit umzugehen. Aber es ist auch immer wieder aufs Neue hart, die Motivation wiederzufinden, wieder das Selbstvertrauen zu bekommen, an sich zu glauben und dann wieder neu anzugreifen.

WM-Bronze als unfassbarer Glücksmoment

Sportschau: Bei der WM 2020 haben Sie Staffel-Bronze gewonnen und diesen Erfolg jetzt wiederholt. Wie haben sich diese beiden Medaillen emotional für Sie unterschieden?

Horn: In den letzten fünf Jahren bin ich sehr oft hinter meinen eigenen Erwartungen geblieben. Es war keine leichte Zeit. Deswegen würde ich sagen, dass die letzte Medaille deutlich emotionaler war. Es war ein Tag, den werde ich so nicht vergessen. Wir haben uns da alle in den Armen gelegen. Es hatte eigentlich jeder Tränen in den Augen. 2020 war ganz anders. Da war ich frisch im Weltcup, war der Jüngste im Team. Und ich glaube, da war ich noch naiv genug zu glauben, dass das jetzt immer so weitergeht.

Die deutsche Biathlon Staffel freut sich über Bronze: Philipp Nawrath (v.r.n.l.), Danilo Riethmüller, Johannes Kühn und Philipp Horn

Sportschau: Sie sind ein guter Läufer, das Schießen klappt aber nicht immer. Wie ist das denn, wenn man auf einen Schießstand zufährt? Hat man da schon Respekt oder Angst davor? 

Horn: Ich hatte auch schon Jahre, wo ich ein bisschen ängstlich zum Schießstand gelaufen bin, wo ich eigentlich schon wusste: 'Okay, das kann jetzt fast nur in die Hose gehen.' Wenn man mit dem Gefühl zum Schießstand läuft, dann geht es auch in die Hose. Selbstvertrauen ist ganz, ganz wichtig beim Schießen und das muss man sich erarbeiten, entweder im Training oder über gute Ergebnisse im Wettkampf.

Emotionen müssen raus - gern auch im Wald

Sportschau: Wie gehen Sie mit Rückschlägen um?

Horn: Das Umfeld ist extrem wichtig. Ich bin froh, dass meine Frau mich extrem gut versteht, weil sie viele Jahre selber Leistungssport betrieben hat. Das Wichtigste ist, dass du wirklich mal kurz die Emotionen rauslässt. Ich bin zum Beispiel nach Oberhof, nachdem ich zu Hause vor Heimpublikum versagt habe, beim Auslaufen einfach mal kurz in den Wald. Ich habe mal geschrien und ein Tränchen verdrückt. Danach bin ich wieder zurückgelaufen in das Stadion und dann war es auch schon besser. 

Sportschau: Ihre Frau ist die ehemalige Langläuferin Antonia Fräbel. Gibt es bei Ihnen zu Hause auch biathlonfreie Zeit?

Horn: Ich möchte gar nicht 24/7 nur an Sport denken. Das habe ich viele Jahre gemacht. Mittlerweile bin ich deutlich entspannter geworden. Ich merke einfach, dass Abschalten und auf andere Gedanken kommen, wichtig ist.  

Uroš Velepec - eine starke Persönlichkeit

Sportschau: Nach der WM gab es die Trennung von Männer-Trainer Uroš Velepec. Wie war das für Sie?

Horn: Wir haben die Spannungen schon bemerkt, aber dass es direkt nach der WM zur Trennung kommt, war schon ein bisschen überraschend für uns alle. Im Endeffekt war es einfach nicht das, was sich Deutschland von seinen Biathleten erhofft hat. Man muss aber nicht alles neu erfinden. Ich glaube, mit seiner Trainingsphilosophie wären wir jetzt - in dem Fall - vielleicht nicht unbedingt weitergekommen. Aber es lief auch sehr viel, sehr gut. Ich habe sehr gut mit Uroš zusammengearbeitet und fand es im Schießen interessant, auch mal andere Ansätze zu sehen. Ich habe das Gefühl, die deutsche Schießtechnik ist begrenzt oder in eine Richtung gedrungen. Uros hatte einfach mal neue Ansätze.

Uros Velepec

Uros Velepec - Ex-Trainer von Philipp Horn und den deutschen Biathleten.

Sportschau: Können Sie die Trainingsphilosophie näher beschreiben?

Horn: Über den Jahresplan entscheiden mehrere Trainer und Sportwissenschaftler. Ich glaube, da gab es in der Vergangenheit schon öfter mal Differenzen. Uroš war auch immer eine starke Persönlichkeit und wollte gerne seine Ansichten durchsetzen, was er auch oft gemacht hat. Wenn dann die Leistungen nicht passen, dann ist irgendwann der Trainer der Erste, der seinen Job deshalb verlieren kann.

Sportschau: Waren die Fußstapfen von Mark Kirchner vielleicht zu groß?

Horn: Dieses Gefühl hatte ich nicht. Unter Mark war es einfach eine goldene Generation. Und ich glaube, da sieht ein Trainer auch immer ganz gut aus. Wir haben uns vielleicht ein bisschen zu sehr auf den alten Erfolgen ausgeruht, sind vielleicht nicht mehr mit der Zeit gegangen und haben neue Trainingsansätze vielleicht etwas verpasst. 

Sportschau: Was hat sich unter Tobias Reiter verändert?

Horn: Tobi ist eine komplett andere Persönlichkeit. Er ist deutlich strukturierter, was uns momentan ganz gut tut. Und seine Ansprachen sind sehr gut. Er haut nicht nur so die typischen Biathlon-Sprichwörter raus, sondern überlegt wirklich, worauf es ankommt.

Der Ausreißer im deutschen Team fehlt

Sportschau: Die deutschen Männer sind deutlich hinter Norwegen und Frankreich zurück. Was fehlt, um da den Anschluss zu schaffen? 

Horn: In den letzten Jahren war es auch oft so, dass wir mittelmäßige Schießleistungen gebracht haben, aber da hat es immer einer im Team geschafft, irgendwie durchzukommen. Und das fehlt uns momentan. Wir sind gerade alle durchschnittlich und es fehlt dieser Ausreißer nach oben.

Sportschau: Sie haben sich etwas kritisch über die Nachwuchsarbeit geäußert. Wo sehen Sie die größten Defizite?

Horn: Wir sind ein relativ altes Weltcup-Team. Die meisten von uns sind über 30. Die jüngeren Athleten, die nachkommen, sind teilweise noch im Juniorenalter. Und ich glaube, die brauchen noch ein, zwei, drei Jahre, um da wirklich die Lücke zu den Seniorenleistungen zu füllen. Ich bin wirklich gespannt, wie es nach Olympia aussieht. Ich weiß noch nicht, ob ich dann noch weitermachen möchte oder nicht. Und ich weiß von anderen auch, dass das so eine Frage ist, die im Raum steht. 

Sportschau: Was muss passieren, damit das deutsche Männer-Biathlon wieder einer rosigen Zukunft entgegeblickt?

Horn: Wir müssen jetzt nicht das Training über einen Haufen werfen. Also selbst wenn wir jetzt genauso weitermachen würden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir nächstes Jahr konkurrenzfähig sind. Da gilt es dann wirklich nur, an den ganz kleinen Stellschrauben zu stellen.

Das gesamte Interview mit Philipp Horn mit Themen wie Nachwuchssorgen, norwegische Wunderläufer, Trainerkontakt, Karriere dank kleiner Schwester und den fehlenden Ausreißern gibt es in der kompletten Podcast-Folge.