Tödlicher Unfall in Hamburg Toter beim Ironman - Gewinne zulasten der Sicherheit
Der Tod eines Motorradfahrers beim Ironman in Hamburg wirft die Frage auf, ob kommerzielle Interessen die Sicherheit bei solchen Events gefährden.
Die Ermittlungen laufen: Warum und wie es genau zu dem Unfall kam, der am Sonntag (04.06.2023) beim Triathlon in Hamburg zum Tod eines 70 Jahre alten Motorradfahrers führte, ist offen.
"Wir sind nach wie vor fassungslos. Aber der Stand der Ermittlungen ist im Grunde so wie am Sonntagabend", sagte ein Sprecher des Hamburger Senats am Montag zur Sportschau. Die Stadt stehe in engem Austausch mit den relevanten Stellen, also der Polizei und dem Veranstalter.
Der Veranstalter des Triathlons in Hamburg ist die "Ironman Germany GmbH". An sie vor allem richtete sich die Frage, warum die Veranstaltung nach dem verheerenden Unfall nicht abgebrochen wurde.
Oliver Schiek, Geschäftsführer der "Ironman Germany GmbH", war auf Anfrage der Sportschau nicht zu erreichen. Bei einer schriftlichen Anfrage in Kooperation mit dem Deutschlandfunk wurde an eine Gesellschaft in den USA mit Firmensitz in Tampa, Florida, verwiesen, quasi den Mutterkonzern, der die "Cash Cow" des Triathlons vermarktet: Ironman.
WTC: Abbruch hätte zu weiteren Risiken geführt
"World Triathlon Corporation" (WTC) heißt der Konzern in den USA. Er gehörte mal zur chinesischen Wanda Group, inzwischen wurde er an das Investmentunternehmen Advance verkauft. Sein Geld verdient WTC wie sein deutscher Ableger mit der Durchführung von großen Sportverstaltungen. Dazu gehören nicht nur Triathlon-Events, sondern auch Radrennen, etwa die "Cyclassics", die später im Jahr ebenfalls in und um Hamburg gefahren werden.
"Jeder Athlet auf der Strecke absolvierte eine persönliche Reise, die möglicherweise schon vor vielen Monaten begonnen hatte, und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Vorfall an einer Stelle auf der Strecke ereignete, an der ein Abbruch des Rennens zu weiteren Sicherheitsrisiken und Herausforderungen hätte führen können, war man sich voll und ganz darin einig, dies zuzulassen", heißt es in einer Stellungnahme des WTC an den Deutschlandfunk: "In diesem Szenario war es die beste Vorgehensweise, den Athleten zu ermöglichen, den Kurs weiter zu durchlaufen."
Die Branche litt sehr unter Corona. Der Jahresabschluss von "Ironman Germany GmbH" weist für das Geschäftsjahr 2019 einen Umsatz von etwa 21,6 Millionen Euro aus. Im Jahr 2020 sank er auf unter fünf Millionen Euro. Aktuellere Zahlen stehen nicht zur Verfügung.
Mehr als 500 Euro Startgeld
Ein Ironman der Langdistanz geht über gut 3,8 Kilometer Schwimmen, etwas mehr als 180 Kilometer auf dem Rad, bevor ein Marathon über 42,195 Kilometer gelaufen wird. Wer einen solchen Ironman absolvieren will, muss sehr viel Zeit in Training investieren, und lässt es sich auch finanziell etwas kosten. Die Startgebühren in Hamburg lagen bei gut 500 Euro, in Frankfurt sind es für die Ausgabe 2023 gar 675 Euro.
Große Triathlon-Events sind Mischveranstaltungen, ähnlich wie bei den Marathons. Es starten Profis - in Hamburg waren es etwa 50, die sich um den Titel des Europameisters stritten - und sehr viele Amateure. Etwa 3.000 Teilnehmer waren es in Hamburg.
Da kommt es schon aufgrund der Masse zu kritischen Situationen. Stürze sind vorprogrammiert. In Hamburg aber hatte Sebastian Kienle noch aus einem anderen Grund ein schlechtes Gefühl. Der Sportschau-Experte, der den später abgebrochenen Livestream mitkommentierte, beobachtete schon an breiten Stellen der Strecke und noch ohne entgegenkommende Athleten "kritische Situationen". Es sei "ersichtlich gewesen, dass es dazu kommen wird", sagte er der Sportschau am Montag.
An der Unglücksstelle war es dann recht eng, und es gab den Begegnungsverkehr, der dem Motorradfahrer zum Verhängnis wurde, weil er frontal mit einem Fahrradfahrer zusammenstieß.
Die große Zahl an Motorrädern hatte Weltklasseathlet Kienle, der 2014 den Ironman auf Hawaii gewann, ebenfalls schon vor dem Unfall moniert. "Ich hatte bei einigen auch das Gefühl, dass sie nicht sehr viel Erfahrung haben", sagte Kienle am Montag.
Bessere Kommunikation
Als eine Konsequenz aus der Tragödie fordert Kienle, dass künftig erfahrene Motorradfahrer eingesetzt werden, wie es etwa bei der Tour de France üblich sei. Die Strecken so zu wählen, dass alle stets nur in eine Richtung fahren, würde die Sicherheit ebenfalls erhöhen. Außerdem wünscht sich Kienle, dass die Kommunikation verbessert werde. So gebe es keinen Funkverkehr zwischen den einzelnen Motorradfahrern und auch nicht zwischen der Rennleitung und den Motorrädern.
In Hamburg habe es zudem an Entscheidern gefehlt, die etwa eine gewisse Zahl an Motorrädern hätten rausnehmen oder die zweite Runde, die mit dem Rad zu absolvieren war, hätten streichen können.
Kienle hält Fortsetzung weiter für akzeptabel
Auch mit einem Tag Abstand ist Kienle der Ansicht, dass die Fortsetzung des Events zu vertreten gewesen sei. Zum einen komme es bei solchen Veranstaltungen mit hohen körperlichen Belastungen und vielen Teilnehmern immer wieder zu Todesfällen, ohne dass abgebrochen würde: "Klar kann man das auch anders sehen. Letztlich ist es eine ethische Diskussion."
Zum anderen sei es logistisch schwierig, eine Veranstaltung zu stoppen, auf der gerade über eine Strecke von 90 Kilometern (es wurden zwei Runden gefahren) Radfahrer unterwegs seien.
Eine Straßensperre berge ebenfalls erhöhtes Risiko, für andere Wege fehle es an Kommunikationsmöglichkeiten.
Hamburg überprüft Sicherheit vor Triathlon-WM
Die Stadt Hamburg will als erste Reaktion ihr Sicherheitskonzept vor dem nächsten Triathlon-Großereignis im Juli noch einmal überprüfen. Vom 13. bis 16. Juli finden die Weltmeisterschaften über die Sprintdistanz und die olympische Distanz statt. Es gab "Kritik vonseiten sehr profilierter Triathleten. Die können das einordnen. Und das muss man ernst nehmen", sagte der Hamburger Sportstaatsrat Christoph Holstein (SPD) am Montag. Deshalb werde diese Kritik auch in die Beratungen vor der Triathlon-WM und ganz generell vor den nächsten Sport-Großereignissen in der Stadt einfließen.
"Sicherheitskonzepte überdenken"
Die Veranstalter und Behörden sind nach dem tragischen Zwischenfall sensibilisiert. "Wir müssen grundsätzlich die Sicherheitskonzepte bei sportlichen Großveranstaltungen überdenken", sagte der Sprecher des Hamburger Senats der Sportschau.
Die Veranstalter des berühmten Triathlons im fränkischen Roth hatten bereits im März angekündigt beim Event am 25. Juni 40 Motorräder weniger als im Vorjahr zuzulassen.