Team-WM im Tischtennis Endlich einmal China schlagen in einem großen Finale
Es ist zwar nur das zweitwichtigste Tischtennis-Turnier des Jahres, aber ein extrem wegweisendes für die deutsche Männermannschaft. Es geht um den Weltmeister-Titel, es geht um die Qualifikation für die Spiele in Paris und es geht für jeden im Team darum, sich für sein persönliches Olympia-Ticket zu empfehlen.
Sie haben wahrlich lange auf dieses Ereignis warten müssen, die Organisatoren der Tischtennis Mannschafts-Weltmeisterschaft in Busan. Fast vier Jahre, um genau zu sein. Denn eigentlich hätten die Titelkämpfe in Südkoreas zweitgrößter Metropole bereits im März 2020 ausgetragen werden sollen. Doch dann kam Corona dazwischen.
Busan freut sich auf die WM
Immer wieder Verschiebungen und irgendwann die endgültige Absage. In dieser Woche aber wird aus Wünschen der Südkoreaner endlich Realität. Obwohl das Land schon lange zur Weltspitze im Tischtennis gehört, hat es ein solches Turnier dort noch nie gegeben. Eines der großen Saisonhighlights ist diese Mannschafts-Weltmeisterschaft auch für das erfolgreiche deutsche Männerteam.
"Wir sind die zweitbeste Nation der Welt und es ist unser Ziel, die beste Nation zu schlagen", gibt Bundestrainer Jörg Roßkopf eine klare Richtung vor. Tischtennis-Weltmacht China präsentiert sich seit langem als übermächtiger Gegner. Neun Mannschafts-Weltmeistertitel in Serie seit 2001 sprechen eine mehr als deutliche Sprache. Die Silbermedaille allerdings sicherte sich bei fünf der vergangenen sechs Weltmeisterschaften jeweils die Mannschaft von Jörg Roßkopf.
Viertelfinale als Pflichtziel für Olympia-Qualifikation
Für die gilt es, in Südkorea als erstes Pflichtziel zunächst einmal das Viertelfinale zu erreichen. Denn weil die deutschen Männer in Busan, anders als das deutsche Frauenteam, nicht als aktueller Europameister antreten, haben sie die Olympia-Qualifikation offiziell noch nicht sicher.
Gruppengegner in der Vorrunde auf dem Weg dorthin sind die USA, Saudi-Arabien, Kasachstan und England. Dabei wird Roßkopf wahrscheinlich jedem seiner fünf Spieler zu Einsätzen verhelfen. Mit dabei sind Einzel-Europameister Dang Qiu, der frühere Weltranglisten-Erste Dimtrij Ovtcharov, Patrick Franziska, Benedikt Duda und Timo Boll, der allerdings wegen einer Augenentzündung mindestens das erste WM-Spiel verpassen wird.
Boll hofft aber, mit etwas Verspätung noch zum Turnier anreisen zu können, was die Kollegen sehr erfreuen würde: "Für uns ist es sehr wichtig, dass Timo Boll wieder da ist. Das erhöht den Respekt unserer Gegner gleich noch einmal deutlich", hatte sein langjähriger Teamkollege Ovtcharov schon vor Bolls Erkrankung gesagt.
Rückkehr Timo Bolls als Erfolgsfaktor
Mit Rückschlägen kennt sich die deutsche Tischtennis-Legende inzwischen aus - der 42-jährige Boll hat die vielleicht schwerste Phase überhaupt in seiner langen Karriere hinter sich. 2023 konnte er wegen einer hartnäckigen Schulterverletzung mehr als sechs Monate gar keinen Schläger in die Hand nehmen. "Von außen sah die Schulter tip-top aus, aber lange konnte ich vor Schmerzen nicht schlafen. Selbst ganz normale Bewegungen im Alltag gingen nicht. Es war einfach nur frustrierend", beschreibt der Rekord-Europameister seine Leidenszeit.
Ursachenfindung und Genesungsprozess hatten lange einen ungewissen Ausgang. "Es hätte sich wahrscheinlich keiner beschwert, wenn ich gesagt hätte, das war's mit 41 oder 42." Ein Karriereende stand durchaus im Raum bei ihm im vergangenen Jahr, selbst nach Bolls vorsichtiger Rückkehr ins Wettkampfgeschehen.
"Als Timo wieder fit war, hat es dieses Mal, zum ersten Mal bei ihm, nicht geflutscht. Seine Ergebnisse haben ihn sehr frustriert", hat sein Freund Ovtcharov das Ganze hautnah miterlebt. Der frühere Weltranglisten-Erste, zwischenzeitlich abgerutscht in der Weltrangliste bis auf Platz 182. Erst zum Jahreswechsel kam für Timo Boll der große Wendepunkt: entscheidender Sieg beim deutschen Pokaltriumph seines Klubs Borussia Düsseldorf, wenig später der Gewinn des WTT-Contender-Turniers in Doha.
Dort schlug der Deutsche mehrfach absolute Weltklasse-Kontrahenten. "Viel besser kann man als 42-Jähriger mit meinem Körper nicht mehr spielen. Doch auch wenn ich jetzt zwei bis drei gute Spiele gemacht habe, muss ich bei der WM zeigen, dass es so weitergehen kann."
Olympia-Nominierung
Spätestens mit Bolls Rückkehr auf den Erfolgsweg ist auch die interne Konkurrenz in der deutschen Männermannschaft neu entfacht. Nur drei Spieler werden zum offiziellen Olympia-Team für die Spiele in Paris im Sommer gehören. Ein weiterer darf als Ersatzmann mitreisen.
"Bis Ende März werden wir über die ersten beiden Plätze im Team entscheiden. Die beiden übrigen Tickets werden wir später vergeben", skizziert Bundestrainer Roßkopf den Nominierungsfahrplan. Die besten Karten auf die ersten beiden Plätze dürften aktuell Dang Qiu und Dimitrij Ovtcharov haben, in der Weltrangliste auf den Rängen elf und zwölf klassiert. Um den dritten Platz im deutschen Olympia-Team könnte es zu einem engen Kampf kommen zwischen den beiden sehr guten Freunden Timo Boll und Patrick Franziska.
"Ich muss mir selbst auch noch beweisen, dass das wirklich Sinn macht. Denn mit einem maroden Körper will ich niemand einen Platz für Paris wegnehmen", stellt sich Timo Boll auf dem Weg Richtung Olympia selbst hohe Anforderungen. Die Olympischen Spiele in Paris wären seine siebten, eine herausragende Stellung in der deutschen Olympia-Geschichte wäre ihm damit sicher.
Wer kann sich am Ende einen Platz im deutschen Olympiateam sichern? Die WM in Busan ist wohl mehr als nur ein Entscheidungsgradmesser bei dieser Fragestellung. Und so wird das zweitwichtigste Turnier des Jahres für so manchen im deutschen Team vielleicht schon das allerwichtigste.