Nina Mittelham und Dang Qiu im Mixed beim Tischtennis

Keine Herren-Ligen mehr Offen für alle Geschlechter - was der DTTB-Beschluss im Tischtennis bedeutet

Stand: 22.11.2023 14:50 Uhr

Der Deutsche Tischtennis-Bund strebt eine Änderung seiner Statuten an, um alle Geschlechter einzubinden. Doch was bedeutet das eigentlich für den Sport?

Der Deutsche Tischtennis-Bund hat auf seinem alljährlichen Bundestag eine Änderung der Spielklassen beschlossen. Das gab der Verband am Sonntag (19.11.2023) bekannt. Demnächst soll es einen "offenen Spielbetrieb" geben, in dem alle Geschlechter starten dürfen. Ein gesonderter Damenbereich soll weiterhin existieren. Der Ansatz ist modern - einige offene Fragen lassen sich damit jedoch nicht lösen.

Wie ist die aktuelle Situation?

Die Grundlage des Spielbetriebes im deutschen Tischtennis bietet die Wettspielordnung des DTTB. Dort wird aktuell noch zwischen Damen und Herren unterschieden. Weitere Geschlechter sind nicht erwähnt. Die Unterteilung gilt grundsätzlich bis hinunter in die letzte Spielklasse. Allerdings sind bis zur Verbandsliga bereits Ausnahmen möglich - bis dort dürfen Damen bei den Herren gemeldet werden. Praktisch gibt es in den unteren Spielklassen so bereits einen offenen Betrieb.

Claudia Herweg, bis November 2023 DTTB-Präsidentin

Was soll sich ändern?

Die Unterscheidung Mann/Frau soll sich grundsätzlich ändern. "Es wird einen offenen Spielbetrieb für alle geben und einen Damen-Spielbetrieb", erklärte DTTB-Pressesprecherin Simone Hinz gegenüber der Sportschau. Der bisher vorhandene Herrenbereich wird quasi "umgewandelt". Das werde laut Beschluss des Bundestages alle Spielklassen und offiziellen DTTB-Turniere wie Ranglisten oder Individualmeisterschaften inklusive des Spitzensport-Bereiches betreffen.

Frauen müssen sich dann vor einer Saison oder einer Individualveranstaltung entscheiden, in welchem Bereich sie antreten. Dafür ist allerdings noch die komplette Umformulierung der Wettspielordnung des DTTB nötig und diese muss final nochmal verabschiedet werden. Der DTTB geht derzeit davon aus, dass eine solche grundlegende Änderung aufgrund der Komplexität nicht vor der Saison 2025/26 in Kraft treten kann.

Kann eine Spielerin dann Bundesliga mit den Herren spielen?

Von den neu geltenden DTTB-Voraussetzungen her: ja. "Es wäre von unserer Seite möglich, dass dann beispielsweise Ying Han oder Nina Mittelham in der TTBL spielen", so die Erklärung seitens des Verbandes. Allerdings vermarktet sich die TTBL selbst - ähnlich wie die DFL im Fußball - und hat weitergehende Statuten und Richtlinien, die überprüft und eventuell angepasst werden müssten.

Ein weiterer Aspekt ist der körperliche Unterschied. Tischtennis beinhaltet viele Faktoren wie Reaktion, Rotation, Tempo, mentale Fitness, Technik und Taktik. Das Spiel der Weltklasse-Männer ist dennoch athletischer und temporeicher als bei den Frauen. In der Rotation sind Differenzen belegbar: So liegt beispielsweise die Rotation pro Sekunde (RpS) in der TTBL Herren aktuell im Schnitt bei circa 140-150. Bei den Damen beträgt sie circa 125 RpS.

Dennoch sind die Unterschiede eventuell geringer als in anderen Sportarten. Auch der DTTB ist sich nicht sicher, wie es um das Leistungsvermögen der Geschlechter bestellt ist: "Ob jemand wie Ying Han oder Nina Mittelham das Niveau hätte, um in einer offenen Bundesliga zu bestehen, müsste man sehen."

Tischtennis-Schläger

Kann ein Spieler bei den Damen in der Bundesliga spielen?

In die andere Richtung ist eine Teilnahme definitiv nicht möglich. Männer sind vom Damen-Spielbetrieb weiter ausgeschlossen, um diesen gesondert zu schützen. Wie die Regelung bei Transfrauen - Frauen, deren Geschlechtseintrag bei der Geburt männlich war - überprüft werden soll, ist laut DTTB noch unklar. "Das ist eine Frage, die wir beantworten müssen. Das neue Präsidium trifft sich demnächst allerdings das erste Mal, wir stehen ganz am Anfang", erläuterte der DTTB.

Es gibt dazu diverse Beispiele aus anderen Sportarten zu solchen Regelungen. "Der Cricket-Verband hat jetzt die abgeschlossene Pubertät als Kriterium genommen", verwies Hinz auf einen anderen Verband. In der Leichtathletik gilt dagegen ein maximaler Testosteron-Wert als maßgebend - allerdings ist er umstritten und hat durch den Fall Caster Semenya besondere Aufmerksamkeit bekommen.

Urteil zu Testosteron-Richtlinien "Etappensieg" für Semenya

Mittagsmagazin, 11.07.2023 13:00 Uhr

Wie sieht es in den Amateurspielklassen aus?

Egal, wie die Regelung am Ende im Leistungssport aussehen mag, in den Amateurklassen kann sie wohl nicht so umgesetzt werden. Denn weder kann beziehungsweise darf ein Verein, Veranstalter oder Gegner so persönliche Nachforschungen zur Pubertät der Spielerin oder des Spielers anstellen, noch ist es möglich, dass dort Testosteron-Tests durchgeführt werden.

Maßgebend wird im Breitensport also weiterhin das Geschlecht sein, welches man selbst angibt. "Es gibt dazu sogar ein Beispiel. In der Verbandsliga Bremen spielt im Damenbereich eine Transfrau, die als Mann zur Welt gekommen ist, aber äußerst offen zur ihrer Identifikation als Frau steht", sagte Hinz.