Mit Russen und Belarusen Start in Wimbledon - Erzwungene Rückkehr zur Normalität
Am Montag (03.07.2023) startet die 136. Auflage des Tennisturniers in Wimbledon. Russische und belarusische Sportler und Sportlerinnen sind dann wieder dabei - zum Missfallen der Organisatoren.
Vor ungefähr einem Jahr erlebten Jule Niemeier und Tatjana Maria ihren Karrierehöhepunkt. Die beiden deutschen Tennisspielerinnen bestritten das Viertelfinale von Wimbledon, Maria gewann knapp und scheiterte schließlich einen Schritt vor dem Endspiel. Ärgerlich für die DTB-Profis: In der Weltrangliste spiegelte sich das danach nicht wider, es gab keine Punkte beim Rasenklassiker in London. Weil russische und belarusische Spieler und Spielerinnen nicht dabei waren, nahmen die Weltverbände ATP und WTA das Turnier aus der Wertung.
"Starke und sehr enttäuschende Reaktion" von ATP und WTA
Ein Jahr später werden die erzielten Ergebnisse wieder einen Einfluss auf die Position in der Rangliste haben. Wimbledon ist zurück in der Wertung, wie bei den übrigen Turnieren dürfen wieder alle Profis antreten - auch die aus Russland und Belarus. Die durch die ATP und WTA angedrohten Sanktionen, die über die Streichung der Punkte hinausging, waren zu eklatant, um am Kurs festzuhalten. Von einer "realen Aussicht auf eine Beendigung unserer Mitgliedschaft" war die Rede, die "BBC" berichtete außerdem von empfindlichen Geldstrafen durch die Weltverbände.
Auf Sportschau-Anfrage verweist der "All England Lawn Tennis and Croquet Club" (AELTC) auf eine Stellungnahme vom 31. März, die noch immer Bestand hat. Darin heißt es unter anderem: "Es gab eine starke und sehr enttäuschende Reaktion einiger Tennisverbände auf die Position des All England Club und der LTA (Lawn Tennis Associaton, d. Red.) im letzten Jahr, mit Konsequenzen, die, wenn sie fortgesetzt würden, den Interessen der Spieler, der Fans, der Meisterschaften und des britischen Tennis schaden würden."
DTB begrüßt Rückkehr unter neutraler Flagge
Russische und belarusische Profis dürfen aber nur unter neutraler Flagge am Turnier teilnehmen, Unterstützungsbekundungen für die Invasion sind ebenfalls nicht erlaubt. Und es darf kein Spieler antreten, der von einem der beiden Staaten finanziell unterstützt wird. "Wir verurteilen die illegale Invasion Russlands weiterhin aufs Schärfste und stehen den Menschen in der Ukraine weiterhin von ganzem Herzen zur Seite. Dies war eine unglaublich schwierige Entscheidung, die nicht leichtfertig oder ohne große Rücksicht auf die Betroffenen getroffen wurde", sagte der AELTC-Vorsitzende Ian Hewitt.
Es ist ein Kompromiss, der im Tenniszirkus gut ankommt. "Der DTB unterstützt weiterhin die gemeinsame Erklärung der internationalen Tennisdachverbände vom 1. März 2022, nach der Russland und Belarus von Wettbewerben der ITF und von Tennis Europe ausgeschlossen sind - deren Athlet:innen jedoch unter neutraler Flagge an internationalen Tennisturnieren teilnehmen dürfen", sagte Dietloff von Arnim, Präsident des Deutschen Tennis-Bundes, auf Sportschau-Anfrage: "Daher begrüßen wir die Entscheidung des englischen Verbandes und der Veranstalter des Turniers in Wimbledon, zu dieser gemeinsamen Linie zurückzukehren."
Dietloff von Arnim will Präsident des Tennis-Weltverbandes (ITF) werden.
Sabalenka auch vor Wimbledon-Start in den Schlagzeilen
Auch die deutsche Nummer eins Alexander Zverev vertritt diese Meinung. Beim Vorbereitungsturnier in Halle hatte sich der 26-Jährige für den russischen Spieler Andrej Rublew starkgemacht. "Ich glaube, gerade Andrej hat sich sehr, sehr oft gegen den Krieg ausgesprochen. Ich finde, man kann ihn nicht dafür bestrafen, dass er in einem Land geboren wurde, das jetzt Krieg führt", sagte Zverev. Neben Rublew sind unter anderem auch Daniil Medwedew ("Ich habe immer gesagt, dass ich für Frieden bin") und bei den Frauen die Belarusin Aryna Sabalenka wieder dabei.
Die sorgte bei den French Open schon für Aufsehen, weil sie zwei Pressekonferenzen boykottierte, weil sie zum Krieg befragt wurde. "Bevor wir weitermachen, möchte ich sagen, dass ich nicht über Politik sprechen werde. Ich bin hier, um nur über Tennis zu reden", machte Sabalenka nun auch vor dem Wimbledon-Turnier klar. Die 25-Jährige habe "für meine eigene mentale Gesundheit und mein Wohlergehen entschieden, mich heute aus dieser Situation herauszuziehen".
Swiatek will helfen, Stachowski schimpft
Währenddessen stecken die ukrainischen Sportler und Sportlerinnen in "dieser Situation" fest. Ihre Landsleute, vielleicht auch Familien, kämpfen schließlich täglich in diesem Krieg um das Überleben. "Ich denke, es ist nicht leicht für die ukrainischen Spieler an Wettkämpfen auf der Tour teilzunehmen", sagte die polnische Weltranglistenerste Iga Swiatek und sie wolle sich "mehr darauf konzentrieren, ihnen zu helfen." Ein Grund dafür ist, dass die Ukrainerin Elina Switolina in Paris ausgebuht wurde, nachdem sie Sabalenka den Handschlag verweigert hatte.
Einer Switolinas Landsmänner ist der Ex-Tennisprofi Sergei Stachowski, der für die Ukraine an der Kriegsfront kämpft. Er wirft den Verbänden vor, sich nicht genug für die Ukraine einzusetzen. "Vergangenes Jahr hat Wimbledon großartigen Mut bewiesen. Sie waren Pioniere in Bezug auf die Art und Weise, was richtig und was falsch sein sollte", sagte Stachowski der britischen Tageszeitung "The Guardian": "Leider haben sie unter ihren Verbündeten keine Unterstützung gefunden. Damit meine ich die anderen Grand-Slam-Turniere. Und dann hatten wir noch die besonders traurige Situation, dass die beiden Touren Wimbledon auch noch dafür bestraft haben."
Zverev will nur Tennis spielen
Und so könnte es in Wimbledon wieder zu Duellen zwischen ukrainischen und russischen oder belarusischen Sportlern und Sportlerinnen kommen. Politik wird in diesem Jahr beim Rasenturnier wieder eine große Rolle spielen. Es gibt die Sportler wie Swiatek, die sich damit aktiv beschäftigen wollen, aber auch die, die sich auf ihren Job - das Tennisspielen - konzentrieren wollen. "Ich weiß, es gibt auch andere Meinungen. Aber ich fahre nach Wimbledon, um da Tennis zu spielen und nicht um Politiker zu sein", sagte Zverev.