Triumph in Wimbledon Krejcikova: Ein Sieg für ihr großes Vorbild
Die Tschechin Barbora Krejcikova gewinnt in Wimbledon. Dabei erfüllt sie sich und ihrer verstorbenen Mentorin Jana Novotna den größten Wunsch.
Es ist ein Moment, der sich eingebrannt hat in die kollektive Tennisseele: Jana Novotna, die ihren Kopf schluchzend auf die Schulter der Trost spendenden Herzogin von Kent legt. Gescheitert an den Nerven an diesem warmen Sommertag, das war die Zusammenfassung des 3. Juli 1993 in London.
Novotna, die so begnadete Anriffspielerin mit den eleganten Schlägen, hatte im dritten Satz des Wimbledon-Endspiels mit 4:1 gegen Steffi Graf geführt. Doch nach einem Doppelfehler nahm das Unheil seinen Lauf. Novotna setzte Schmetterbälle ins Netz, ihre bis dahin traumwandlerisch sicher gespielten Volleys landeten teils einen halben Meter im Aus.
Graf drehte das Match, gewann noch mit 6:4 und konnte anschließend einen fünften Wimbledon-Titel ihr Eigen nennen. Doch in Erinnerung geblieben sind die Tränen von Novotna. Lange stand sie da, ihren Kopf auf der Schulter der Herzogin vergraben. Es folgte ein für die nüchternen Siegerehrungen in Wimbledon sehr langer Dialog. Erst fünf Jahre später erfüllte sich Novotnas Traum vom Wimbledon-Titel.
An der Haustür von Novotna
Mit einem solchen Traum stand auch Barbora Krejcikova vor der Haustür von Novotna. Das war im Jahr 2014 - und Krejcikova war auf der Suche nach einer Mentorin, jemandem der sie auf dem Weg, Profi zu werden, unterstützt. Einen Brief hatte Krejcikova an ihre berühmte Landsfrau geschrieben. Sie spiele Tennis und frage sich, was sie machen solle, hatte Krejcikova darin gefragt.
Novotna und Krejcikova verabredeten sich für ein gemeinsames Training. Es klickte. Fortan fungierte Novotna bis zu ihrem Tod im Jahr 2017 als Unterstützerin, Trainerin und mütterliche Freundin. Jetzt, zehn Jahre nach der schicksalhaften Begegnung, hat auch Krejcikova es in den exklusiven Klub der Wimbledon-Siegerinnen geschafft. Dabei drohte auch sie zu stolpern, als es an diesem Samstag wirklich drauf ankam.
Krejcikova behält die Nerven im Finale
Erst einen einzigen Punkt bei eigenem Aufschlag hatte sie in diesem dritten Satz abgegeben. Krejcikova führte mit 5:4 im Wimbledon-Endspiel von 2024, nur noch einen erfolgreichen Aufschlaggewinn von ihrem ersten Titel entfernt. Doch dann kamen noch mal die Nerven. Ihre Finalgegnerin Jasmine Paolini hatte urplötzlich zwei Breakbälle.
Krejcikova wackelte zwar, doch sie fiel nicht. Am Ende verwandelte die 28-jährige Tschechin ihren dritten Matchball. Nach der Umarmung am Netz mit Paolini ließ sie sich von der Menge feiern und zeigte dabei mit dem Finger gen Himmel. Dieselbe Geste wie schon bei ihrem ersten Grand-Slam-Sieg bei den French Open 2021, ein liebevoller Gruß in den Himmel an Novotna.
Unprätentiöse Persönlichkeit
Zwar ist Krejcikovas Spiel so unprätentiös wie ihre Persönlichkeit. Doch sie ist eine, die ihre Worte zu wählen weiß. So auch, wenn sie über Novotna spricht: "Alles, was damals nach unserem Treffen passiert ist, hat mein Leben verändert", berichtete Krejcikova einst rückblickend und fügte an: "Als ich zu alt für die Juniorinnen war, wusste ich nicht, was ich tun soll. Soll ich den Weg als Profi einschlagen oder eine Ausbildung beginnen? Jana hat mich überzeugt, Profi zu werden."
Auch kurz vor ihrem Tod im Jahr 2017 hatte Novotna für die sich immer noch meist erfolglos abmühende Krejcikova einen Ratschlag, wie diese verriet: "Sie hat gesagt, ich soll Tennis genießen und probieren, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen. Ich habe das schon in Paris geschafft, das war ein unglaublicher Moment. Ich hätte mir aber niemals vorstellen können, einmal die gleiche Trophäe wie Jana 1998 in den Händen zu halten."
Unauffällig auf dem Court und vor der Presse
Was Krejcikova zu ihren Erfolgen führt, ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, wie es bei anderen Spielerinnen der Fall ist. Es ist kein Schlag dabei, den man aus Hunderten wiedererkennen würde, wie zum Beispiel die Vorhand von Dauersiegerin Iga Swiatek oder den Aufschlag der zweifachen Australian-Open-Siegerin Aryna Sabalenka. Dabei hat die 28-Jährige einen äußerst eleganten Schwung.
Wenn man während längerer Ballwechsel verfolgt, wie Krejcikova sich bewegt, werden zudem unweigerlich Erinnerungen an Miloslav Mecir wach, den Weltklassespieler aus den 1980er Jahren, der lautlos über den Platz schlich und sich so den Spitznamen "The Big Cat" verdiente. Auch er fiel damals in die Kategorie unauffällig und wurde doch vor allem von jenen geachtet und verehrt, die ihr Geld mit dem Tennisspiel verdienten.
Auch im heutigen Profitennis der Frauen gibt es schillerndere Stars als Barbora Krecikova. Selbst in Interviews und den Pressekonferenzen glitzert es selten. Ihre Antworten sind nüchtern, abwägend. Nur ein einziges Mal bricht es in der Pressekonferenz nach ihrem Sieg am Samstag aus ihr heraus. Als sie gefragt wird, ob die Realität mit dem Traum, Wimbledon zu gewinnen, mithalten kann, riss sie ihre Arme in die Höhe und rief: "Es ist so viel besser!"
Dabei hat Krejcikova durchaus Erfahrung beim Gewinnen großer Titel. Schon jetzt hat sie so viele Einzel-Grand-Slams gewonnen wie Landsfrau Petra Kvitova. Insgesamt zwölf Titel bei den vier großen Turnieren kann sie für sich verbuchen, denn zu den Siegen im Einzel kommen noch Titel in sieben Doppel- und drei Mixed-Konkurrenzen hinzu. Eine extrem beachtliche Anzahl, selbst wenn Titel im Doppel und Mixed in der öffentlichen Wahrnehmung vergehen wie der Rasen an der Grundlinie des Centre Courts in Wimbledon.
Ein Sieg in Gedenken an Mentorin Novotna
In Erinnerung bleiben wird jedoch vor allem dieser Einzeltitel aus dem Jahr 2024. Auch wegen der Minuten nach der Siegerinnenfeier auf dem Platz. Denn das Protokoll in Wimbledon sieht es vor, dass die Siegerin mit der Vorsitzenden des All England Lawn & Tennis Club, Deborah Jevans, für einen Fototermin vor der Siegerinnen-Tafel posiert.
Dabei sprachen Jevans und Krejcikova ein paar Worte miteinander. Dann zeigte Jevans mit dem Finger auf den Namen hinter der Jahreszahl 1998: J. Novotna. Da war es endgültig vorbei mit der Fassung von Barbora Krejcikova. Minutenlang vergoss sie Tränen, vergrub ihr Gesicht in einer Hand, die andere hielt die Siegerinnentrophäe, die Venus Rosewater Dish, fest umklammert.
Darauf angesprochen, was ihr in dem Moment durch den Kopf gegangen sei, meinte Krejcikova: "Der einzige Gedanke war, dass ich Jana vermisse. Ich glaube, sie wäre wirklich stolz, dass wir beide auf einer Tafel stehen." Auch damit dürfte Krejcikova an diesem so goldenen Tag richtig gelegen haben.