Der Court Court Suzanne-Lenglen im Tennis-Stadion von Roland Garros in Paris

Klage der Spielergewerkschaft Wie "kaputt" ist Tennis wirklich?

Stand: 21.03.2025 16:52 Uhr

Die großen Tennis-Verbände der Welt stehen unter Beschuss. Von den eigenen Spielern. Wird das Tennis wirklich von einem Kartell regiert? Werden die Spieler tatsächlich ausgebeutet? Die Anklagen der Vereinigung PTPA sind hart. Sind sie auch berechtigt? Die Sportschau klärt auf.

Von Andreas Thies

Wer und was ist die PTPA überhaupt?

Die "Professional Tennis Players Association“ wurde 2020 von Novak Djokovic und dem ehemaligen kanadischen Wimbledon-Sieger im Doppel, Vasek Pospisil, als Interessenvertretung gegründet. Für die besten 250 Spielerinnen und Spieler der Frauen (WTA-Tour) und Männer (ATP-Tour) sowie der Profis unter den Top 100 in den Doppelweltranglisten. Die PTPA hat sich zum Ziel gesetzt, "im Namen der Tennisspieler*innen effektiv zwischen den Interessengruppen zu vermitteln".

Wie viel Einfluss hat sie?

Bisher wenig. Novak Djokovic und seine Kollegen haben immer wieder versucht, an den Verhandlungstisch mit den Verbänden und den Grand-Slam-Veranstaltern zu kommen, doch bisher wurden sie nicht zur Zusammenarbeit eingeladen. Innerhalb der ATP und der WTA gibt es daneben eigene Spieler- und Spielerinnenräte, diese sind auch mit Topprofis besetzt. Im ATP-Spielerrat sitzt beispielsweise Alexander Zverev.

Was ist dran am Vorwurf, die Verbände ATP, WTA und der Weltverband ITF würden ein Kartell bilden?

Die Verbände müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht ausreichend auf die Spieler gehört zu haben. Viele von ihnen kritisieren seit langem den aus ihrer Sicht zu aufgeblähten Turnierkalender. So wurden zuletzt sieben der neun Masters-Turniere von 7 auf 12 Tage verlängert. Großer Streitpunkt ist auch die Dauer der Saison: elf Monate. Darüber haben sich Spieler wie Alexander Zverev oder Carlos Alcaraz regelmäßig beschwert.

Topprofis wie Zverev, Alcaraz oder Iga Swiatek sind verpflichtet, bei allen Grand Slams und den Masters-Turnieren aufzuschlagen. Sie haben wenig Möglichkeiten, ihre Saison mit Auszeiten zu planen. Verzichten sie auf diese großen Turniere ohne ausreichende Begründung wie z.B. eine Verletzung, müssen sie Strafen zahlen. In den nächsten Jahren soll noch ein weiteres Masters-Turnier in Saudi-Arabien entstehen. Die Belastung wird eher größer denn geringer.

Hören die Verbände denn partout nicht auf die Spieler?

Doch, einiges hat sich in den vergangenen Jahren für die Profis verbessert. Bei den Männern bekommen die besten 250 Spieler eine finanzielle Sicherheit. Falls sie ein gewisses Jahreseinkommen nicht erreichen, stockt die ATP bis zu einem Höchstsatz auf. Die WTA hat jüngst einen Fonds für werdende Mütter unter den Spielerinnen aufgelegt, der diese bis zu zwölf Monate finanziell unterstützt.

Die PTPA will einen größeren "Wettbewerb" unter den Turnierveranstaltern. Was soll das heißen?

Die Profis sollen freier entscheiden können, bei welchen Turnieren sie spielen wollen. Es soll möglich sein, bei privaten Schaukämpfen oder Einladungsturnieren Geld zu verdienen und dafür auch Punkte für die Weltrangliste zu bekommen. Dieses Zugeständnis wird es aber von Seiten der Verbände wohl nicht geben. Die Tour, wie wir sie heute kennen, würde entwertet werden.

Kriegen die Profis zu wenig vom Kuchen?

Sieht so aus. Die Australian Open haben in diesem Jahr knapp 55 Millionen Euro in Form von Preisgeldern an die Spielerinnen und Spieler ausgeschüttet. Das klingt viel, sind aber tatsächlich nur 15 Prozent der Einnahmen. Auf diesem Level bewegen sich auch die anderen Grand Slams. Zum Vergleich: In der NBA wird mehr als ein Drittel der Einnahmen an die Spieler ausgeschüttet. Die Top 100 auf der WTA- und der ATP-Tour können gut von Preis- und Sponsorengeldern leben. Aber darunter wird es knapp. Die Kosten für Reisen, Trainer etc. sind so hoch, dass kaum etwas übrigbleibt. Vasek Pospisil, Mitgründer der PTPA: "Ich bin einer der glücklicheren Spieler auf der Tour, aber auch ich musste am Anfang meiner Karriere in meinem Auto schlafen, wenn ich zu Turnieren gereist bin."

Stehen alle Profis hinter dieser Anklage?

Nein. Erster prominenter Gegner war Carlos Alcaraz. Und auch Novak Djokovic, Mitgründer der PTPA, hat sich am Rande der Miami Open zurückhaltend geäußert: "Um ehrlich zu sein gibt es Dinge in der Klage, die ich unterstütze und bei manchen Dingen bin ich anderer Meinung. Und ich fand, dass der Ton in der Klageschrift recht hart war, aber ich gehe davon aus, dass die Anwälte wissen, was sie tun." Breite öffentliche Unterstützung für die Klage gab es von prominenten Spielern abseits der zwölf, die in der Klageschrift namentlich aufgeführt wurden, bislang nicht.

Wie geht es weiter?

Die Anklageschrift ist so ausführlich, dass es wohl mehrere Wochen dauern wird, bis eine Antwort der beschuldigten Parteien zu erwarten ist. Diese Auseinandersetzung wird die Diskussion in den nächsten Monaten sicher bestimmen. Ein Ergebnis ist derzeit noch nicht abzusehen.