ATP-Tour - München

Tennisprofi im Interview Jan-Lennard Struff - Viele Fäuste für ein Halleluja

Stand: 08.05.2024 14:08 Uhr

Niemand ballt öfter die Faust auf dem Platz als er. Jan-Lennard Struff, der gerade im Alter von 33 Jahren sein erstes ATP-Turnier gewonnen hat, spricht vor dem Masters in Rom mit der Sportschau über Motivation, Familie, die French Open, den BVB und das Champions-League-Finale.

Sportschau: Jan-Lennard Struff, was sagt Ihnen der Ausdruck "Lupfen jetzt!!"?

Jan-Lennard Struff: Lars Ricken! 3:1-Siegtor im Champions-League-Finale 1997 gegen Juve. Ich glaube, wir haben das damals bei uns unten im Wohnzimmer geguckt, in unserem neuen Haus, ich war da erst sieben. An viel mehr erinnere ich mich leider nicht.

Sportschau: Und jetzt erneut Champions-League-Finale…

Struff: Das ist einfach nur geil. Ich bin richtig happy. Ich war beim Halbfinal-Hinspiel gegen Paris im Stadion, Riesen-Stimmung. Ich hoffe, jetzt geht alles. Aber so oder so, es war jetzt schon 'ne unglaublich gute Europapokal-Reise bisher.

Sportschau: Sie selbst spielen gerade auch die Sterne vom Himmel, vielleicht das beste Tennis Ihres Lebens?

Struff: Ja, ich hab es endlich geschafft, den ersten Titel meiner Karriere zu gewinnen, mit 33. Mir wurde gesagt, ich wäre damit der drittälteste Spieler in der ATP-Historie (lacht). Ich bin einfach nur glücklich, dass sich die jahrelange harte Arbeit endlich ausgezahlt hat. Und, ganz ehrlich, mir ist eine Riesen-Last von den Schultern gefallen. Ich war die letzten Jahre immer ganz nah dran. Es jetzt endlich geschafft zu haben, war sehr wichtig für mich. Das setzt vielleicht noch mal ein paar Kräfte frei. Ich gebe auf jeden Fall weiter Vollgas, das ist der einzige Weg, den es gibt. Und dann hoffe ich, dass ich auf diesem Niveau noch ein paar Jahre spielen kann.

Sportschau: Sie sind als Jugendlicher nicht den Weg über die Tennis-Akademien im Ausland gegangen sondern immer zu Hause geblieben. Warum?

Struff: Tja, ich war einfach nicht gut genug…(grinst). Mir hat’s immer Spaß gemacht, und meine Eltern haben mich immer super unterstützt, wofür ich unglaublich dankbar bin, aber es hätte einfach nicht gereicht. Deswegen, Schule abbrechen kam überhaupt nicht in Frage. Ich hab erst mal Abi gemacht. Und dann hab ich mich da irgendwie reingearbeitet ins Profi-Tennis, und es hat geklappt.

Jan-Lennard Struff

Jan-Lennard Struff

Sportschau: Sie wohnen nicht in Monaco, sondern immer noch zu Hause in Warstein. Was bedeutet Ihnen Heimat?

Struff: Heimat ist schon was Besonderes für mich. Zu Hause kann ich abschalten vom Stress auf der Tour. Ich bin rund 250 Tage im Jahr unterwegs, die meisten davon in Großstädten. Da ist es schön, mal die Ruhe und die Natur zu genießen.

Sportschau: Sie haben Frau und zwei Kinder. Kommen die auch schon mal mit auf Tour?

Struff: Also erstmal: Ich vermisse meine Familie, wenn ich unterwegs bin. Völlig klar. Sie waren auch schon mal mit dabei, bei den näheren Reisen. Aber ich muss auch ganz ehrlich sagen, dass dann auf den Turnieren die Balance doch etwas leidet zwischen Profisport und Familie. Das ist weder für die eine noch für die andere Seite unbedingt zielführend. Deshalb, mal ab und zu mit Familie ist okay, denke ich. Aber grundsätzlich bin ich nicht der größte Fan davon, die Kinder aus ihrer gewohnten Umgebung, aus ihren Strukturen zu reißen.

Sportschau: Ihre zweite Familie, die große BVB-Familie, ist bekannt dafür, eine Grätsche des Flügelstürmers Adeyemi in der eigenen Hälfte mehr zu feiern als ein gewonnenes Dribbling vorne. Diesen Sinn für Arbeitsethos, sehen Sie den auch bei sich?

Struff: Da gibt’s auf jeden Fall Parallelen. Viel Arbeit investieren, versuchen, immer Vollgas zu geben, da identifiziere ich mich schon extrem mit. Das haben mir meine Eltern beigebracht. Disziplin zu haben, Ehrgeiz zu haben, und wenn ich was erreichen möchte, dafür zu arbeiten. Spaß haben gehört natürlich auch dazu, aber ich finde, den meisten Spaß hat man, wenn man weiß, man hat alles investiert, alles aus sich rausgeholt.

Struff - "Viel Arbeit investieren"

Sportschau

Sportschau: Wer war als Kind ihr Idol, Boris Becker oder Matthias Sammer?

Struff: Pete Sampras! Boris auch, klar. Aber die Zeit war noch etwas zu früh für mich als Kind. An was ich mich noch erinnern kann, ich hab mal von ihm ein Autogramm bekommen beim World Team Cup in Düsseldorf, da hab ich mich mit Papas Hilfe einfach vor ihn gestellt und ihn nicht durchgelassen (grinst). Später hab ich ihn dann richtig kennengelernt, als Davis-Cup-Spieler, und heute schreibt er mir ab und zu und wünscht Glück, das ist schon schön. Und Matthias Sammer war natürlich auch ein absolutes Vorbild für mich.

Sportschau: Waren Ihre Eltern eigentlich auch tennisverrückt?

Struff: Meine Mama auf jeden Fall! Ich hab mal eines Morgens mit Mamas Segen die Schule geschwänzt, und wir sind einfach so spontan mit dem Auto nach Paris gefahren zu den French Open. Werd ich nie vergessen. Wir haben da im Auto geschlafen, weil wir kein Hotelzimmer mehr gekriegt haben. Bei 30 Grad. Aber wir wollten unbedingt dabei sein. Und dass ich da jetzt stehe und selbst spiele, das sind so die Momente, wo du denkst, schön!

Sportschau: Tennis spielen Millionen Deutsche, der DTB hat die viertmeisten Mitglieder in Deutschland, und dennoch fliegt Tennis hierzulande oft unter dem öffentlichen Radar. Stört Sie das oder finden Sie das angenehm so?

Struff: Also, ich möchte auf keine Fall mehr Rampenlicht für mich einfordern. Das passt schon so, mir geht’s gut. Das würde auch nicht meiner Persönlichkeit entsprechen. Im Gegenteil, ich bin glücklich, dass ich mich frei bewegen kann und machen kann, was ich will. Wenn ich da an so manchen Fußballer denke, die haben ja keine Privatsphäre mehr. Aber grundsätzlich wäre es schon schön, wenn in unserer fußballlastigen Gesellschaft auch mal andere Sportarten und Sportler ihre verdiente Aufmerksamkeit bekämen, damit meine ich nicht nur Tennis und schon gar nicht mich selbst.

Sportschau: Zurück auf den Platz. Erfasst die ATP-Statistik eigentlich auch, wie oft man während des Matches die Faust macht? 

Struff: (Lacht) Nee. Wahrscheinlich wäre ich da auf Platz 1. Das mit der Faust musste ich aber auch erst lernen. Früher bin ich ganz wenig aus mir rausgegangen. Ich bin immer noch ein introvertierter Mensch. Aber ich hab das langsam entwickelt.

Sportschau: Wie wichtig ist Ihnen dabei das gemeinsame Hochpuschen mit ihrer Box?

Struff: Mein Team macht eine super Arbeit seit Jahren. Dass die ATP vor zwei Jahren das Coachen während des Spiels erlaubt hat, find ich sehr gut. Mein Team hilft mir da unglaublich, jeder auf seine Weise. Die sind wie so Fixpunkte auf dem riesigen Center Court, die sind dann wie Gefährten für mich, die mich durch das Match begleiten. Die merken, wenn ich unsicher bin, wenn ich Zuspruch brauche. Oder eben auch Motivation. Wir sind eine Einheit. Ich weiß, ich kann gut Tennis spielen, aber ohne mein Team wäre das alles nicht möglich.

Sportschau: Nächstes Grand-Slam-Turnier sind von Ende Mai an die French Open. Zweimal Achtelfinale war da bisher Ihr bestes Ergebnis. Was erwarten Sie dieses Jahr?

Struff: Schwierig einzuschätzen. Stand jetzt werde ich da nicht gesetzt sein. Da muss ich erst mal die Auslosung abwarten. Wäre natürlich schön, noch weiter zu kommen, aber pauschal kann man das vorher nicht sagen. Klar darf man träumen, das muss man auch, man muss Visionen erschaffen, nach denen man streben kann, um im Sport ganz nach vorne zu kommen. Aber ich weiß, dass man mit der Arbeit auf dem Platz anfangen muss. Um jeden einzelnen Punkt kämpfen. Was dabei dann am Ende rauskommt, werden wir sehen.

Struff - "Wir sind einfach nach Paris gefahren"

Sportschau, 08.05.2024 14:01 Uhr

Sportschau: Was machen Sie am 1. Juni?

Struff: Ist da Champions-League-Finale? Hm, okay. Ich hoffe, dass ich da nicht spielen muss. Die haben ja jetzt diese Abend-Spiele unter Flutlicht eingeführt, Shit… Früher hätte man sagen können, Feierabend, ist dunkel. Das wäre besser (lacht). Spielverlegung wegen mir werden sie nicht machen… Nee, dann ist das so. Dafür bin ich Profi genug. Hoffen wir mal, dass ich überhaupt noch im Turnier bin an dem Wochenende. Wenn nicht, fahre ich vielleicht nach London. Und wenn ich spielfreien Abend habe, gehe ich schön mit Freunden essen und dann gemeinsam das Finale vorm Fernseher gucken.

Das Interview führte Frank Meyer