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Turn-Skandal in Stuttgart Verpasst Helen Kevric die Heim-EM?
In drei Monaten findet in Leipzig die Turn-EM statt. Der Missbrauchsskandal von Stuttgart wirbelt die Vorbereitung durcheinander - auch die von Helen Kevric.
Beim Stichwort Stuttgart verfinstern sich die Mienen. Der Eklat um Vorwürfe am dortigen Kunst-Turn-Forum ist über die sportpolitischen Aspekte hinaus inzwischen in den Wettkampfhallen angekommen. Drei Monate vor den Heim-Europameisterschaften im Rahmen des Deutschen Turnfestes in Leipzig sind die Aussichten auf eine unbeschwerte und erfolgreiche Veranstaltung getrübt. Denn für die Stuttgarter Turnerinnen um Jung-Star Helen Kevric wird die Zeit knapp.
Alfons Hölzl: "Erscheinungsformen der psychischen Gewalt"
"Es ist wichtig, hervorzuheben, dass wir ein wichtiges Turnier-Jahr in Deutschland vor uns haben mit dem Deutschen Turnfest und den Europameisterschaften in Leipzig – mit Sicherheit zwei ganz bedeutsame Ereignisse in Deutschland - auch gesellschaftlich", erklärte Alfons Hölzl, Präsident des Deutschen Turner-Bundes (DTB) am Rande des Heim-Weltcups in Cottbus. Beides würde "zugegebenermaßen überschattet durch die Missbrauchsvorwürfe". Man habe es mit "Erscheinungsformen der psychischen Gewalt zu tun".
Der DTB steht seit dem Bekanntwerden der Missstände am Stützpunkt in Stuttgart Ende Dezember vor vielfältigen Problemen. Zwei Trainer wurden freigestellt, vorläufig ohne Aussicht auf Rückkehr, und fehlen bei der Betreuung der Top-Turnerinnen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat Ermittlungen wegen des Verdachts der Nötigung in mehreren Fällen aufgenommen.
Die Kanzlei Rettenmaier aus Frankfurt am Main untersucht die Vorwürfe im Auftrag des Verbandes. Eine angekündigte externe Expertenkommission zur Aufklärung lässt weiter auf sich warten und soll erst ihre Arbeit aufnehmen, wenn die Anwälte ihren Auftrag erledigt haben.
Kein Zeitplan für Expertenrat
"Da gibt es noch keinen Zeitplan", sagte DTB-Sportdirektor Thomas Gutekunst. Das Sportministerium Baden-Württemberg hat Gelder für das Kunst-Turn-Forum (KTF) eingefroren und will sie nicht vor Abschluss der Aufklärung durch den Expertenrat wieder freigeben.
Dies sei "das Druckmittel, dass wir eine unabhängige Aufklärung wollen", sagte die zuständige Ministerin Theresa Schopper (Grüne). Zur Höhe der zurückgehaltenen Mittel habe er "keine Informationen", sagte Gutekunst.
Sorgen um Helen Kevric
In dieser verzwickten Gemengelage bereitet Frauen-Bundestrainer Gerben Wiersma eine geordnete Vorbereitung auf die Heim-EM vom 26. bis 31. Mai Kopfzerbrechen. Der Niederländer, der demnächst auch erneut aushilfsweise Trainings in Stuttgart übernehmen wird, sorgt sich insbesondere um Helen Kevric.
Die16-Jährige hatte im vorigen Jahr die Turn-Welt mit Rang acht im Mehrkampf und dem sechsten Platz am Stufenbarren bei den Olympischen Spielen in Paris beeindruckt. Als zweitbeste Europäerin des Pariser Vierkampfes war sie eigentlich prädestiniert, in Leipzig für deutschen Medaillenglanz zu sorgen.
Hoffen auf langfristige Lösung der Trainerfrage
Aktuell jedoch steht Kevric - ebenso wie ihre Stuttgarter Auswahlkollegin Marlene Gotthardt - ohne Trainer da. "Das ist natürlich eine schwierige Situation. Das KTF-Team kümmert sich um das Trainingsprogramm", berichtete Wiersma. Derzeit gebe es keine langfristige Lösung. "Ich hoffe wirklich, dass wir eine langfristige Lösung anbieten können oder wenigstens eine gute Lösung bis zu den Europameisterschaften, was uns Zeit geben würde, eine bessere Lösung zu finden", sagte der 47-Jährige. Schnelle Abhilfe aber scheint nicht in Sicht.
"Wir arbeiten wirklich hart daran, die Situation für die Turnerinnen zu verbessern", sagte der Sportdirektor. Erst dann könne man über alles Weitere wie Wettkampfteilnahmen sprechen. Zwischenzeitlich half in Stuttgart auch der ehemalige rumänische Auswahltrainer Daymon Jones aus. "Er war und ist eine Option, der da unterstützen kann", sagte Gutekunst.
Enger Zeitplan bis zur Heim-EM
Wann Kevric sich wieder den Wertungsrichtern stellt, ist unklar. "Sie trainiert. Aber es ist klar, dass sie keine Wettkämpfe bestreitet", sagte Wiersma. Er ist sich nicht einmal sicher, ob die dann 17-Jährige bei der Heim-EM antritt. "Als Nationaltrainer hoffe ich natürlich, dass sie im Team ist. Aber für diesen Wettkampf braucht man ein Aufbauprogramm. Die Realität ist, dass es seit Ende Dezember nicht so ist."
Beim kommenden Auswahllehrgang will der Niederländer seine Riege für die kommenden Wettkämpfe beim DTB-Pokal (27. bis 30. März) und Trofeo Citta di Jesolo in Italien (12./13. April) zusammenstellen. "Wir werden dazu alle einladen, aber nicht jede wird dabei sein", umriss er die schwierige Lage. Zwei Wochen nach Jesolo ist dann bereits die erste EM-Qualifikation angesetzt, in der zweiten Mai-Woche die zweite.
Sendung am Mo., 24.2.2025 15:00 Uhr, SWR Aktuell am Nachmittag, SWR Aktuell