Samuel Fitwi läuft im August in Paris den Olympia-Marathon

Olympische Spiele | Leichtathletik Marathonläufer Samuel Fitwi: Die lange Reise des Geflüchteten zu Olympia 2024

Stand: 09.07.2024 16:51 Uhr

Samuel Fitwi (28) startet bei den Olympischen Spielen in Paris im Marathon für Deutschland. Dabei begann der Athlet von Silvesterlauf Trier erst mit 21 mit dem Laufen.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass Samuel Fitwi mit dem Laufsport überhaupt nichts am Hut hatte. An eine Teilnahme an Olympischen Spielen dachte er schon gar nicht. Und jetzt steht der 28-Jährige tatsächlich vor seiner Marathon-Teilnahme für Deutschland.

Seine Reise nach Paris ist länger als die der meisten anderen Athleten. Diese Reise begann im Nordosten Afrikas. Als 17-Jähriger flüchtete er vor dem Militärregime in Eritrea über Äthiopien und die Mittelmeerroute nach Europa. Und hatte Glück.

YouTube-Video von SWR Sport: "Samuel Fitwi: Vom Geflüchteten zum Marathon-Läufer bei Olympia 2024 | SWR Sport"

Von Eritrea über die Vulkaneifel nach Paris

"Es war eine 50/50- Chance: Entweder lande ich in Europa oder ich sterbe", erzählt Fitwi im Interview mit SWR Sport. Barfuß lief er über den glühend heißen Sahara-Sand und überquerte in einem "ganz kleinen Boot mit hundert Leuten" das Mittelmeer. Überall sei es dreckig gewesen, den Menschen sei es schlecht gegangen.

Drei Monate lang dauerte diese Odyssee, die ihn schließlich in die Eifel führte. Neues Land, neue Sprache, neue Kultur – der Anfang damals war schwer für ihn. "Ich hatte keine Freunde, ein halbes Jahr lang war es sehr schwierig", erinnert der Ausdauersportler.

Heute ist Fitwi, der mittlerweile deutscher Staatsbürger ist, sehr froh, in Deutschland zu leben. Das Land habe ihn gut aufgenommen. "Ich bin stolz darauf, dass ich mich integriert und die Sprache gelernt habe und dass ich klarkomme".

Samuel Fitwis erstes Lauftraining ohne Schuhe

Geholfen hat ihm dabei auch der Laufsport, zu dem er durch einen Zufall fand. Sein Fußball-Trainer bemerkte, dass er immer noch topfit war, wenn die anderen Läufer schon platt waren. Also schickte er Fitwi zum Lauftraining. Dort traf er auf Yannick Duppich, der als sein Talent förderte und ihn bis heute trainiert. Weil Fitwi damals keine Laufschuhe dabei hatte, habe Duppich mit einem Paar ausgeholfen.

Die 1.000 Meter lief er ohne jegliches Training direkt unter drei Minuten. "Da hat sich schnell gezeigt, dass er viel Ausdauertalent mitbringt", erzählt Duppich.

Fitwi ist ein Ausnahmetalent im Marathon

Fitwi hatte seine Leidenschaft für den Laufsport entdeckt und seinen Trainer kennengelernt. Das half ihm beim Ankommen in Deutschland. Zwischen Duppich und Fitwi entwickelte sich eine enge Freundschaft. Diese Vertrauensbasis, sagt Duppich, sei wichtig. Man müsse über alles reden können.

Zum Beispiel über die sportlichen Ziele. Fitwi, mehrfacher Deutscher Meister im Crosslauf und EM-Neunter 2022 über 10.000 Meter, wusste, dass er Marathon laufen möchte.

Amanal Petros (l.)und Samuel Fitwi jubeln über Bronze mit dem Halbmarathon-Team bei der EM in Rom.

Amanal Petros (l.)und Samuel Fitwi jubeln über Bronze mit dem Halbmarathon-Team bei der EM in Rom.

Hauptgrund dafür ist sein enormes Tempo. Zwar ist Fitwi auch auf kurzen Distanzen richtig schnell unterwegs, aber sein besonderes Talent liegt in seiner exzellenten Ausdauer. Das spielt ihm vor allem auf der Marathonstrecke in die Karten.

Olympia-Qualifikation in Dubai

Im Januar 2024 schaffte Fitwi beim Marathon in Dubai dann tatsächlich die Olympia-Qualifikation. Im Rennen lief er so schnell, dass er den deutschen Rekord (2:04:58, Amanal Petros, 2023, Berlin) hätte angreifen können. So sei das aber nicht beschlossen gewesen, erzählte Trainer Duppich während des Rennens in Dubai, "das ist ziemlich Harakiri". Fitwi war seinem Trainer zufolge zu schnell unterwegs. Das kann in einem Marathonrennen das vorzeitige Ende bedeuten.

Ewige Bestenliste: Die schnellsten deutschen Marathonläufer

1. Amanal Petros 2:04:58 (2023 / Berlin)
2. Samuel Fitwi 2:06:27 (2024 / Dubai)
3. Richard Ringer 2:07:04 (2023 / Valencia)
4. Hendrik Pfeiffer 2:07:05 (2024 / Houston)
5. Filimon Abraham 2:08:21 (2023 / Barcelona)
6. Haftom Welday 2:08:23 (2023 / Valencia)
7. Arne Gabius 2:08:33 (2015 / Frankfurt am Main)
8. Jörg Peter 2:08:47 (1988 / Tokio)
9. Michael Heilmann 2:09:03 (1985 / Hiroshima)
10. Christoph Herle 2:09:23 (1985 / London)

Aber Fitwi zog das Tempo durch und überquerte die Ziellinie nach zwei Stunden, sechs Minuten und 27 Sekunden: Olympianorm. "Ich bin so, so happy, es ging um alles", sagte der Profiläufer nach dem Rennen. Der Weltrekord im Marathon liegt bei zwei Stunden und 35 Sekunden, aufgestellt vom Kenianer Kelvin Kiptum. Fitwi liegt mit seiner Bestzeit aktuell auf Platz 175 der Welt. Bis zur Weltspitze fehlt also noch einiges. Aber das ist jetzt nicht sein Thema.

Viel wichtiger ist, dass Fitwi am 10. August wieder im Startbereich eines Marathons stehen wird. Dann bei den Olympischen Spielen in Paris. Ein Traum wird wahr.