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Krise im Kraichgau Ist der Absturz der TSG Hoffenheim noch aufzuhalten?
Nach dem 0:4-Debakel daheim gegen Union Berlin verschärft sich die Situation der TSG Hoffenheim im Tabellenkeller. Die schlimme Lage ist auch Resultat der chaotischen Saisonvorbereitung.
Hoffenheim in diesen Tagen. Das sind Sprachlosigkeit. Fassungslosigkeit. Ungläubigkeit. Das 0:4-Debakel daheim gegen den Keller-Konkurrenten Union Berlin hat den Fußball-Kraichgau regelrecht erschüttert.
Noch viel schlimmer als das blanke Ergebnis: Die blutleere Vorstellung der Protagonisten in den tintenblauen TSG-Trikots, die die Abstiegsängste unter den Hoffenheim-Fans und Verantwortlichen weiter befeuert. "Peinlich", zeigte sich beispielsweise Routinier Marius Bülter als ehrliche Haut, "so werden wir kein Spiel gewinnen und absteigen". Man kann ihm nur zustimmen.
Kein Aufwärtstrend unter Christian Ilzer
Mittendrin in der frustigen Szenerie ein maßlos enttäuschter Trainer Christian Ilzer, der es noch immer nicht geschafft hat, den sportlichen Rutsch nach unten zu stoppen. Gerade mal drei Siege aus 16 Pflichtspielen sind die magere Bilanz des Nachfolgers von Pellegrino Matarazzo seit November auf der Bank der Kraichgauer. Der schon länger in der Kritik gestandene Matarazzo war nach nur neun Punkten aus zehn Spielen entlassen worden. Dabei hatte man den Grazer Meister-Coach Ilzer als großen Hoffnungsträger aus Österreich verpflichtet.
Image-Krise im Kraichgau
Ähnlich wie der sportliche Absturz sind auch die Image-Werte des schon immer in der Bundesliga nicht besonders gut gelittenen Dorfvereins durch die Vorkommnisse im vergangenen halben Jahr in den Keller gestürzt. Jahrelang waren Beobachter der Hoffenheimer Fußballszene immerhin angetan von den gelungenen Kaderplanungen und der serienweisen Entwicklung von Nachwuchsfußballern zu Nationalspielern, die wiederum höchst gewinnbringend an größere Vereine weitergegeben wurden.
Trainer-Könner wie Ralf Rangnick und später Julian Nagelsmann sorgten im Kraichgau für pfiffige Ideen, spektakulären Fußball und die eine oder andere Reise durch Europa. In Hoffenheim durfte ohne den ganz großen medialen Druck in Ruhe gearbeitet und geforscht werden. Davon ist nicht mehr viel übrig.
Trennung von Alexander Rosen als Wurzel des Übels?
Einer, der das lange Zeit sportlich erfolgreiche Kontrukt über zehn Jahre maßgeblich begleitet und gefördert hat, heißt Alexander Rosen. Der Sportmanager mit dem sperrigen Titel "Direktor Profifußball" wurde in dieser Zeit zum Gesicht Hoffenheims in der Öffentlichkeit. Umso erstaunlicher, dass die Vereinsführung um Mäzen Dietmar Hopp vor ein, zwei Jahren mehr und mehr von der Arbeit Rosens abrückte, den zum Geschäftsführer Sport beförderten Macher im vergangenen Sommer plötzlich Knall auf Fall vor die Tür setzte.
Ende Juli, mitten in der Saisonvorbereitung. Die Spieler und der damalige Trainer Matarazzo wurden im Trainingslager in Kitzbühel teilweise von mitgereisten Fans darüber erstinformiert. Eine ideale Saisonvorbereitung sieht anders aus. Was war passiert? Hatte man sich auseinandergelebt? Waren die Ansprüche in Hoffenheim nach den Nagelsmann-Jahren mit den Champions-League-Erlebnissen unverhältnissmässig groß geworden? Wohl von allem etwas.
Vereinsführung wollte einen sportlichen Umbruch
Der Zeitpunkt des Rosen- Rauswurfs und der damit verbundenen Trennung von der kompletten sportlichen Führung war vom Zeitpunkt her jedenfalls ebenso überraschend wie verheerend. Die verspätete Begründung des Vereins auf der Mitgliederversammlung Anfang September: Unzureichende Entwicklung, schwaches Scouting, stockende Sommertransfers, zu wenig Zuschauer. Eine Beurteilung, die Alexander Rosen nicht gerecht wird.
Man wolle einen Umbruch in der sportlichen Führung vollziehen: "Die Auffassungen über die künftige Ausrichtung waren am Ende zu unterschiedlich", so die TSG. Was das im Nachhinein auch immer hätte bedeuten sollen, es ist nicht erfolgreich gelungen. Denn das Resultat ohne Rosen ist seither sportlicher Misserfolg. Einhergehend mit einem vogelwilden Kaufrausch auf dem Spielermarkt.
Einkaufstour für fast 60 Millionen Euro im Sommer
Nach der Trennung von Rosen, unter dem es zwar auch das eine oder andere Wellental gab, der aber jahrelang für deutlichen Mehrwert im Kader sorgte und im Gespann mit Ex-Trainer Matarazzo Ende letzter Saison immerhin die Europa League erreicht hatte, übernahm zunächst Nachwuchs-Chef Frank Kramer interimistisch die Kaderplanung. Fast im Tagestakt wurden bis Ende August kreuz und quer durch Europa gleich sieben neue Spieler verpflichtet. Kostenpunkt: Knapp 60 Millionen Euro!
Die wenigsten von ihnen haben sich bislang als Verstärkung erwiesen. Akteure wie der immerhin acht Millionen Euro teure Innenverteidiger Robin Hranac aus Tschechien blieben bis heute die Bundesligatauglichkeit schuldig.
Auch im Winter Neueinkäufe für knapp 20 Millionen
Auch im Wintertransferfenster gab es unter dem neuen Sport-Geschäftsführer und Rosen-Nachfolger Andreas Schicker (seit Oktober) ein eifriges Kommen und Gehen, um personell dem bevorzugten Tempofußball des einstigen Grazer Mitstreiters und Meistertrainers Ilzer endlich gerecht zu werden. Allein für die beiden neuen Angreifer Gift Orban und Bazoumana Touré - talentierte Jungs, aber auch Neulinge in der Bundesliga - wurden weitere knapp 20 Millionen Euro ausgegeben.
Unterm Strich investierte die TSG Hoffenheim (laut transfermarkt.de) in dieser Saison stolze 76 Millionen Euro für zwölf neue Profis, darunter einige Leihspieler. Der Verein ging also finanziell mehr als kräftig in Vorleistung, der Ertrag dafür ist mit aktuell Platz 15 aber mehr als dürftig. Hinten (44 Gegentore) wie vorne (26 eigene Treffer) passt nicht wirklich etwas konstant zusammen.
Wobei man allerdings auch nicht vergessen darf, dass langfristig mit Grischa Prömel, Ozan Kabak, Ihlas Bebou und zuletzt auch Nationaltorhüter Oliver Baumann Stützen des Teams ausfielen, die nicht zu ersetzen sind. Mit Torjäger Maxi Beier und dem robusten Wout Weghorst darüber hinaus das Angriffsduo die TSG vor der Saison verließ.
Üppiger Kader, kein funktionierendes Team
Inzwischen wurden in der laufenden Runde bereits 34 (!) Spieler eingesetzt. Mehr als bei jedem anderen Klub in der Bundesliga. Hoffenheim verfügt zwar über einen üppigen und teuer zusammengebastelten Kader, aber auch über eine Mannschaft, die viel zu selten wie gegen Leipzig oder Frankfurt funktioniert. Nicht verwunderlich, dass sich inzwischen mit Andrej Kramaric und Dennis Geiger sogar zwei langjährige TSG-Profis völlig frustriert vor den TV-Mikrofonen zu Wort gemeldet und das Gebaren der Vereinsführung seit letzten Sommer in Frage stellten. Nach dem Motto: Viel Geld für Nichts?
Die Aussagen mögen den Bossen im Kraichgau zwar zu denken geben, sorgen aber beileibe nicht für die nötige Harmonie im wackeligen Team mit den zahlreichen Neuen. Und schon gar nicht für Ruhe im Abstiegskampf.
Schneckenrennen im Abstiegskampf das Glück für die TSG?
Ein Glück für die TSG, dass sich Bochum (11), Kiel (13) und Heidenheim (14 Zähler) auf den drei letzten Tabellenplätzen eine Art Schneckenrennen liefern. Hoffenheim steht mit seinen 18 Pünktchen nach 21 Spielen als Fünfzehnter gerade noch über dem Strich. Noch!
Am Sonntag geht die Bundesliga-Reise zu Werder Bremen. Folgt an der Weser der nächste indiskutable Auftritt, dann könnte auch der Job des glücklosen Ilzer in Frage stehen. Es wäre die nächste der vielen Personal-Rochaden.
Hoffenheim in diesen Tagen. Ein Bild des Jammers. Spätestens jetzt ist dem Verein das personelle Chaos der Saisonvorbereitung bitterböse auf die Füße gefallen.
Sendung am So., 9.2.2025 22:05 Uhr, SWR Sport, SWR