Turnen Auch Kim Janas erhebt schwere Vorwürfe
Das deutsche Turnen steht weiter im Brennpunkt. Eine weitere frühere Hoffnungsträgerin meldet sich zu Wort. Kim Janas kritisiert vor allem den Umgang mit Verletzungen, Ernährung und Gewicht. Auch Pauline Schäfer-Betz meldet sich zu Wort.
Auch das frühere Top-Talent Kim Janas hat öffentlich Missstände im deutschen Turnen angeprangert. Die 25-Jährige kritisierte via Instagram vor allem den Umgang mit Verletzungen, Ernährung und Gewicht während ihrer Karriere, die sie nach drei Kreuzbandrissen bereits Ende November 2016 beendet hatte.
Kim Janas: "Nicht ganz geheilt"
Auch acht Jahre später sei sie "nicht ganz geheilt" von dem, was sie erlebt habe, schrieb Janas. Sie habe aber zumindest "einen Weg gefunden, besser damit umzugehen".
Bei Lehrgängen auf dem Bett rumgesprungen
Janas berichtet von Kontrollen. Die Themen Essen und Gewicht hätten auf der Tagesordnung gestanden. "Vom täglichen Wiegen bis hin zur Taschenkontrolle, ob auch ja keine Süßigkeiten drin sind, gab es alles", schrieb die frühere deutsche Jugendmeisterin. Sie wisse noch, wie sie bei Lehrgängen auf dem Bett rumgesprungen sei, "um ein paar Gramm zu verlieren. Aus Angst, dass man beim morgigen Wiegen sonst Anschiss bekommt und mal wieder bloßgestellt wird".
Als "Dicke" diffamiert
Sie sei "als Dicke dargestellt" worden, weil sie neun Prozent Körperfett aufgewiesen habe. Ihr seien Lebensmittel wie Brot, Aufstriche, Wurst und sogar Wasser verboten worden, berichtete Janas. Über ihr frühes Karriereende schrieb sie: "Vielleicht hätte es mein Körper geschafft. Aber nicht mein Kopf. Die Ängste waren zu groß. Nicht nur, sich immer und immer wieder zu verletzen und die Schmerzen beim Training aushalten zu müssen. Nein, auch die Angst, mal wieder nicht ernst genommen und fallen gelassen zu werden, weiter trainieren zu müssen, obwohl man nicht weiß, ob man nach dem Absprung zum Doppelsalto überhaupt wieder auf den Beinen oder doch auf dem Kopf landet."
Zwei Trainer in Stuttgart freigestellt
Janas wurde in Halle an der Saale geboren, trainierte später auch in Stuttgart. Sie ist eine von mehreren früheren Athletinnen, die in den vergangenen Tagen Missstände im deutschen Turnen öffentlich gemacht haben. Angeführt von den ehemaligen deutschen Auswahl-Turnerinnen Tabea Alt und Michelle Timm wurden vor allem gegen den Stützpunkt in Stuttgart schwere Vorwürfe erhoben.
Pauline Schäfer-Betz: "Wiederholtes systematisches Versagen"
In der Debatte um die Missstände in Stuttgart prangerte Pauline Schäfer-Betz ein "wiederholtes systematisches Versagen" an. Es bleibe ein zentrales Problem, "dass die Personen, die für diese Missstände verantwortlich sind, durch das System gedeckt werden", schrieb die ehemalige Schwebebalken-Weltmeisterin bei Instagram. "Solange dies der Fall ist, wird es keine wirklichen Veränderungen geben."
Die 28-Jährige spielte auch auf eigene Erfahrungen an. Mit Schäfer-Betz an der Spitze hatten Sportlerinnen des Bundesstützpunktes Chemnitz Ende 2020 ihrer damaligen Trainerin Gabriele Frehse schwere Vorwürfe gemacht. Sie soll die Turnerinnen im Training schikaniert, Medikamente ohne ärztliche Verordnung verabreicht und keinen Widerspruch zugelassen haben. Frehse hatte die Vorwürfe stets bestritten. Dennoch lehnte der Deutsche Turner-Bund (DTB) eine weitere Zusammenarbeit mit ihr ab. Nach einem gewonnenen Rechtsstreit um ihre Kündigung durch den Olympiastützpunkt Sachsen ist Frehse inzwischen Auswahltrainerin der Frauen in Österreich. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Chemnitz alle Ermittlungen eingestellt.
"Ich weiß, wie es ist, in einem solchen System gefangen zu sein", schrieb Schäfer-Betz nun. "Es erfordert unvorstellbaren Mut, diese Missstände anzusprechen oder öffentlich zu machen." Ihre eigene Geschichte sei kein Einzelfall gewesen, man wolle aufzeigen, dass es sich um ein "systematisches Problem" handle.
Der Deutsche Turner-Bund und der Schwäbische Turnerbund sind mit der Aufarbeitung beschäftigt. Zwei Übungsleiter wurden vorläufig freigestellt.
Sendung am Di., 7.1.2025 15:00 Uhr, SWR Aktuell am Nachmittag, SWR Aktuell