Union Berlin nach 0:0 gegen Leipzig Unions Nullnummer gegen RB: Jetzt fehlen nur noch die Tore
Der Punktgewinn gegen RB Leipzig kam einem Unioner Ausrufezeichen im Abstiegskampf gleich. Allerdings legte die Leistung auch ungelöste Fragen im Angriff offen. Doch Steffen Baumgart kommt der Lösung näher. Von Shea Westhoff
Es gleicht aktuell einem Fluch für den 1. FC Union Berlin, dass die Geschehnisse auf dem Platz nie für sich alleine stehen. Denn im grell ausgeleuchteten Fußballgeschäft ist jede Bewegung eingebettet in Narrative und vorgefertigte Deutungsmuster.
Natürlich macht das den Fußball auch reizvoll. Wenn ein Spieler das Tor trifft, dann ist das zwar interessant. Aber wenn sich dann noch urteilen lässt: "Ausgerechnet der! In den letzten X Spielen hat der doch kein Scheunentor getroffen!", dann hat das plötzlich eine neue Bedeutung.
Die Unioner Offensive war der Makel – wieder einmal
Union Berlin steckt gerade in einem vergleichbaren Narrativ fest, das machte die Vorstellung der Unioner am Samstagabend gegen RB Leipzig deutlich. Das Team von Steffen Baumgart präsentierte eigentlich eine Top-Leistung. Ohne Kontext würde man sicher urteilen: Die Defensive ließ die Leipziger Offensive überhaupt nicht zum Zug kommen. Was für ein lebendiger, fleißiger Fußball das war. Und dann die Torschuss-Statistik, 21:6! Union Berlin war die tonangebende Mannschaft.
Gut, das Tor sollte dann nicht fallen. So what, next time.
Aber so leicht ist es natürlich nicht, da gibt es das Narrativ. Und das lautet: Die Offensive war der Makel von Union – wieder einmal. Das Team erzielt ligaweit die wenigsten Tore. Und gegen Leipzig bekam man einen Eindruck, warum. Immer wieder starteten die Unioner ihre Angriffsversuche über ihre pfeilschnellen, emsigen Außenspieler Benedict Hollerbach und Tim Skarke. Meist mit langen Bällen bedient, trieben die beiden die Kugel ins letzte Spielfelddrittel. Was in vielen Fällen folgte, waren Flanken, die nichts einbrachten oder Quer-Ablagen für wenig aussichtsreiche Distanzschüsse. Hollerbach - mit mehr als 13 zurückgelegten Kilometern der Dauerläufer der Partie - schloss viermal selbst ab. Doch zu einer heroischen Rettungstat zwang er Keeper Peter Gulasci kein einziges Mal.
Union, das ist gerade Trial and Error
"Wenn du die Leistung siehst, wäre vielleicht auch mehr drin gewesen", sagte Trainer Steffen Baumgart nach dem Spiel mit einigem Recht. "Aber dazu musst du halt das Tor treffen." Daran müsse man nun weiterarbeiten.
Die Frage ist, welche Lösung der bekanntermaßen offensivbewusste Trainer für den vorhandenen Angriff findet. Für den seit Monaten glücklosen Jordan, an dem Baumgart zuletzt noch festhielt, stellte er diesmal Ivan Prtajin in die Startelf. Doch auch dessen Leistung lieferte kein "Heureka!" in Bezug auf die Stürmerfrage.
Union Berlin galt in seiner Ära als Bundesligist über die längste Zeit als genialischer Bundesliga-Eigenbrötler, der seine Gegner auf dem Platz wie auf dem Transfermarkt mit enigmatischen Manövern verlässlich an der Nase herumführte. Dieses untrügliche Gespür schien den Köpenickern zuletzt abhanden gekommen zu sein. Vielmehr beobachtete die faszinierte Fußballwelt den Verein seit mehr als einem Jahr beim zunehmend nervösen Trial and Error. Trainer, Spielsysteme, vermeintliche Hoffnungsträger, sie kamen und sie gingen.
Auch Steffen Baumgart experimentiert herum, was allerdings sehr verständlich für einen immer noch neuen Trainer ist. Im Fokus stand dabei zunächst die Abwehr: Er implementierte erstmal die Vierer-Abwehrkette (erstes Urteil: Error), um danach zur Fünferkette zu wechseln (vorläufiges Urteil: Volltreffer). Doch gegen Leipzig sah er sich genötigt, wieder zur Viererkette zu wechseln, denn die Innenverteidiger Kevin Vogt (verletzt) und Leopold Querfeld (gesperrt) fielen aus.
Die Defensive bleibt das Prunkstück
Aus dieser personellen Notwendigkeit heraus könnte sich möglicherweise eine Köpenicker Tugend entwickelt haben. Insbesondere der grätschende, ablaufende und bodycheckende Innenverteidiger Diogo Leite erinnerte an einen Leuchtturm an einer portugiesischen Steilküste, an der die gegnerischen Angriffswellen nur so zerschellen.
Diese Erkenntnis lieferte das Spiel gegen Leipzig allemal: Die Defensivarbeit von Union Berlin bleibt das Prunkstück der Mannschaft. Mehr noch: Ein Team, das einem Champions-League-Aspiranten dermaßen den Saft abdreht, sollte sich um das Thema Abstieg eigentlich keine Gedanken machen müssen.
Im Stadion gesichtet: Unions möglicherweise neue Stürmerhoffnung Marin Ljubicic
RB-Coach Marco Rose sagte nach dem Spiel anerkennend: "Heute kann sich der Trainer an die eigene Nase fassen. Weil wir in der ersten Halbzeit Union ein Stück weit anders erwartet haben und nie in unsere Abläufe gekommen sind, weder offensiv noch defensiv." Erst in der zweiten Halbzeit habe sein Team eine Antwort gefunden.
Und was den Unioner Sturm angeht, da schien sich ja immerhin während der Partie eine Transfer-Idee zu manifestieren. Mehrere Medien hatten am Samstag von einem Interesse der Köpenicker am 22 Jahre alten Angreifer Marin Ljubicic vom Linzer ASK berichtet. Gegen Leipzig wurde die Offensivhoffnung bereits im Stadion gesichtet.
Kann das Talent dabei helfen, dem Angriff mehr Durchschlagskraft zu verleihen? Es wäre mindestens eine willkommene neue Perspektive.
Transferupdate: Am Sonntagvormittag gab der 1. FC Union Berlin die Verpflichtung von Marin Ljubicic bekannt.