Interview | Brandenburger Anglerverband Günter Baaske vom Brandenburger Anglerverband: "Angeln ist ein mystisches Erlebnis"
Angeln boomt seit Jahren. In Brandenburg ist der Landesanglerverband der größte Sportverband, ein Ende des Wachstums ist nicht absehbar. Präsident Günter Baaske versucht den Hype zu erklären und spricht über gefährliche Entwicklungen.
rbb|24: Günter Baaske, im April meldete der Landesanglerverband in Brandenburg knapp 95.000 Mitglieder. Damit leiten Sie den größten Sportverband des gesamten Bundeslandes - noch vor dem Fußballverband. Wie erklären Sie sich das enorme Wachstum?
Baaske: Brandenburg ist eins der wasserreichsten Bundesländer. Da liegt es natürlich nahe, dass sich die Menschen viel am Wasser bewegen. Das kann man mit dem Boot tun, wenn man drüberfährt, oder indem man auch mal eine Angel reinhält. Dann merkt man, dass es da auch Lebewesen gibt, die man womöglich noch verzehren kann. Da bekommt man etwas auf den Tisch, das sehr frisch und nahrhaft ist. Viele Angler lernen das schon von ihrem Vater oder Großvater.
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Was macht für Sie persönlich die Faszination am Angeln aus?
Das Angeln ist etwas ganz Magisches. Wenn man mit einer Pose angelt, bei der in ein oder zwei Metern Tiefe ein Köder hängt, ist es immer ein Mysterium: Was zuppelt da unten, was will da anbeißen? Ist es eine kleine Plötze oder doch ein großer Karpfen? Diese Unsicherheit, die Ungewissheit, was beim Anhieb an Gegenwehr einsetzt, ist ein ganz besonderes Erlebnis. Wenn man im Flachwasser fischt, mit einem Wobbler oder einem Gummifisch, ist es auch die Frage, was aus der Tiefe hervorkommt, was da zugreift. Ist es ein Wels, ein Hecht, ein Zander oder ein kleiner Barsch? Angeln ist also ein mystisches Erlebnis, weil man nie weiß, was einen erwartet.
Noch vor einigen Jahren hatte das Angeln ein eher angestaubtes und konservatives Image. Mittlerweile ist das anders, ein Nachwuchsproblem hat Ihr Verband - anders als viele andere Sportvereine - nicht. Angeln scheint hip zu sein.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich ein eher konservativer Angler bin. Ich angel noch fast genau so, wie ich es vor 50 Jahren gelernt habe. Es gibt natürlich auch Leute, die einem totalen Technik-Hype unterliegen, mit allen möglichen Gerätschaften ans Wasser gehen und immer wieder neue Methoden ausprobieren. So einer bin ich nicht, das gebe ich zu. Aber in den neuen Fangmethoden liegt vielleicht auch ein Reiz, Fische zu überlisten und auszutricksen. Im Großen und Ganzen liegt der Spaß des Angelns aber schon darin, dass man gemeinschaftlich angelt und etwas erleben kann.
Wenn man sich auf Youtube umschaut, findet man viele Kanäle von jungen Menschen, die mit ihren Videos teilweise Millionen Follower bedienen. Die Clips sind schnell geschnitten und mit modernen Musik unterlegt. Die Ruhe der Natur kommt dabei etwas kürzer und man bekommt eher den Eindruck des Angelns als Actionsportart. Können Sie dem etwas abgewinnen?
Ehrlich gesagt nicht. Ich gucke diese Youtube-Videos nicht. Ich schaue mir eher die an, in denen Leute mit Ruhe am Wasser sind und angeln. Musik und den ganzen Tamtam brauche ich nicht. Auf der anderen Seite weiß ich natürlich auch, dass gerade über die Bewerbung bei Youtube ein Haufen Umsatz gemacht wird. Wir reden derzeit von fünf bis sechs Milliarden Euro, die jährlich in Deutschland für Angelutensilien ausgegeben werden.
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Immer wieder hört man an unterschiedlichen Orten in Brandenburg von Wasserknappheit. Die Schwarze Elster, der Fresdorfer oder der Seddiner See sind nur einige Beispiele. Kann der Klimawandel für das Angeln in Brandenburg gefährlich werden?
Schön ist das nicht, da brauche ich keinen Hehl draus machen. Ich wohne neben der Plane und der Temnitz. Das sind zwei Flüsse, die im Fläming entspringen und in die Havel fließen. Ich kann mich gut an meine Kindheit erinnern, als ich dort angeln oder paddeln war und wir immer Wasser hatten. Es gab keinen Sommer, in dem da kein Wasser war. Heute ist es regelmäßig so, dass der Unterlauf der beiden Flüsse wasserfrei ist. Es ist insofern logisch, dass es dort im Herbst keine Fische gibt. Das ist für uns Angler und für alle die, die am Fluss leben, nicht schön. Sie haben einige andere Gewässer erwähnt und ich könnte noch etliche mehr nennen, für die der Klimawandel sehr gefährlich ist. Wir erleben niedrige Wasserstände, die den Fischen sehr zu schaffen machen. Es sind aber auch die zunehmenden Starkwasserregenfälle, die Dinge in die Flüsse treiben, die da nicht reingehören.
Von Ihrem Verband heißt es, man wolle die guten Angelbedingungen in Brandenburg erhalten. Wie soll das gelingen?
Wir hatten erst kürzlich eine Debatte in der Anglerschaft. Jeder Angler ist dazu angehalten, dafür zu sorgen, dass der Ruf der Angler nicht unter einigen schwarzen Schafen leidet, die es unter uns gibt. Die bekommen es hin, mit vollen Bier- und Getränkeflaschen oder Zigarettenpackungen ans Gewässer zu gehen, aber die leeren nicht wieder wegzuräumen. Wenn danach Touristen, Besucher oder auch Einheimische kommen, die schon ewig in diesem See baden, und erleben, was Angler für kleine Drecksschweine sind, ist es ganz schwer, das wieder auszuräumen. Selbst mit den fast 400.000 ehrenamtlichen Stunden, die wir jedes Jahr leisten, sind wir kaum in der Lage, das aus der Welt zu schaffen, was ein paar Drecksschweine verursachen.
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Fast so alt wie das Angeln ist die Kritik daran - nicht zuletzt von Tier- und Naturschützern. Was entgegnen Sie dem?
Ich habe Debatten und Zustände erlebt, wo Natur- und Tierschützer gesagt haben: Wir lassen den See mal in Ruhe und machen gar nichts, wir hegen und pflegen nicht. Wenn man das über einen längeren Zeitraum macht, wird man womöglich erleben, dass in diesem See gar nichts mehr lebt - weil er erst völlig verbuttet (überproportionaler Anstieg der Individuenzahl einer Fischpopulation bei zunehmender Zwergwüchsigkeit, Anm. d. Red.) und dann dort keine Fische mehr sind. Wenn man solche Seen nicht pflegt und in der Lage ist, auf unterschiedliche Gegebenheiten zu reagieren, kann es passieren, dass die Natur Gewässer totlegt. Wenn man diese Erfahrungen mit Naturschützern teilt, merkt man sehr schnell, dass man auf derselben Seite steht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jonas Bürgener, rbb sport.