Herthas Fabian Reese jubelt gegen Ulm (Bild: IMAGO/Lucca Fundel)

Auswärtssieg in der Analyse Energischer Fabian Reese beflügelt Herthas Auferstehung in Ulm – Auswärtssieg in der Analyse

Stand: 20.04.2025 19:07 Uhr

Die erste Halbzeit verschläft Hertha BSC auswärts in Ulm – und gewinnt am Ende dennoch gegen den Abstiegskandidaten. Einmal mehr verhilft der fast verbissen kämpfende Fabian Reese Hertha entscheidend zum Sieg. Von Till Oppermann

Im Ulmer Donaustadion lag Herthas Matchwinner nach dem Abpfiff am Boden. Die 90 Minuten Fußball davor hatten nicht nur körperlich viel Kraft gekostet, auch nervlich waren sie ziemlich intensiv. Besonders für einen Perfektionisten wie Fabian Reese, dem ins Gesicht geschrieben stand, welche körperlichen Qualen ihm die erste Hälfte gegen den Aufsteiger bereitet hatten. Ihr zum Trotz gewann Hertha BSC am Sonntag in Ulm, bewies dabei allerdings erneut auch, was eine wirklich erfolgreiche Saison der Berliner verhindert hat.

Herthas Fabian Reese und Jon Dagur Thorsteinsson jubeln (Quelle: picture alliance/dpa | Harry Langer)
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Hertha fehlt die Spannung

In einer Liga, in der selbst den besten Teams die Konstanz fehlt, ist Hertha keine Ausnahme. An guten Tagen spielen die Blau-Weißen die Sterne vom Himmel, aber an schlechten Tagen geht gar nichts. In der ersten Hälfte sah es sehr danach aus, als wäre der Ostersonntag 2025 einer dieser schlechten Tage. Auf der einen Seite standen die Gastgeber aus Ulm, die sich in jeden Zweikampf warfen, den Bällen hinterher sprinteten und sich angetrieben von ihrem Trainer Robert Lechleiter gegenseitig motivierten und antrieben.
 
Auf der anderen Seite spielte Hertha seltsam spannungslos. Kapitän Toni Leistner und Mittelfeldspieler Kevin Sessa überboten sich zeitweise mit Fehlpässen. Ulm spielte die Partie im Kampf gegen den Abstieg wie ein Finale. Bei Hertha dagegen sah es so aus, als würden manche Spieler auf dem Platz schon darüber nachdenken, ob sie ihren Sommerurlaub auf Mykonos oder Sardinien verbringen sollen. Das Gegentor in der zehnten Minute stand sinnbildlich für dieses Gefälle zwischen den Teams.
 
Ausgangspunkt des Ulmer Angriffs war eine Hertha-Flanke auf einen unbesetzten zweiten Pfosten. Danach konterten die "Spatzen" so zügig, dass beim Tor durch Aaron Keller gleich vier Ulmer in Herthas Strafraum waren. Ihnen stellten sich nur Leistner und Linus Gechter entgegen. Wobei "entgegenstellen" die grundfalsche Beschreibung für ihr Abwehrverhalten ist. Beide liefen nur rückwärts und kamen nicht in den wichtigen Zweikampf. Gerade Gechter war so weit von den Ulmern entfernt, dass man sich nicht gewundert hätte, wenn er einfach weiter über die Tartanbahn bis in die Ulmer Fankurve gelaufen wäre.

Marton Dardai (Hertha BSC, 31), Toni Leistner (Hertha BSC, 37), jubeln über einen Sieg. (Foto: IMAGO / Eibner)
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Die Vorteile von Herthas wechselhaften Leistungen

Der Vorteil an Herthas fehlender Konstanz: Selten in dieser Saison spielen die Berliner zwei deckungsgleich oder auch nur ähnliche Halbzeiten hintereinander. Die hochveranlagte Mannschaft ist durchaus in der Lage, sich zusammen zu nehmen. Auch in der zweiten Halbzeit gegen Ulm zeigte Hertha, was möglich ist, wenn alle bei der Sache sind. "Die Mannschaft war bereit, gegen Widerstände anzukämpfen, ein Comeback zu starten und in der zweiten Hälfte mit einer unfassbaren Energie das Spiel zu drehen", lobte Trainer Stefan Leitl nach Spielende.
 
Dabei verzichtete Herthas Chef an der Seitenlinie auf ein Eigenlob. Das stinkt zwar bekanntlich, aber wäre am Sonntag durchaus angebracht gewesen. Schließlich gab Leitl seiner Mannschaft mit der Einwechselung von Jon Dagur Thorsteinsson für Kevin Sessa einen entscheidenden Impuls. Der Isländer stand noch keine Minute auf dem Platz, als er schon im Mittelfeld den Ball gewann und in Reeses Lauf spielte. Herthas Starspieler hatte anschließend keine Mühe zum Ausgleich zu verwandeln.

Die Energie des Fabian Reese

Die "Energie", von der Leitl sprach, brachten auch andere ins Spiel. Aber keiner verkörpert dieses Wort so sehr wie Fabian Reese. Wenn er Fußball spielt, guckt er, als würde es um Leben und Tod gehen. Mindestens. So auch nach seinem zweiten Tor, für das er den Ball nach einer fantastischen, weil anspruchsvollen Vorlage von Gechter mit vollem Risiko unter die Latte geschossen hatte.

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Dass Hertha nun aus den letzten fünf Spielen 13 von 15 möglichen Punkten geholt hat, ist insbesondere Reeses sieben Toren in diesen besagten Partien zu verdanken. "Er ist ein unheimlich guter Junge, der alles für die Mannschaft tut, damit sie gewinnt", schwärmte Florian Niederlechner nach dem Spiel. Sollte Hertha den Ausnahmekönner im Sommer verlieren, müssen die Berliner nicht nur seine Tore, sondern auch seine Mentalität ersetzen. Letzteres könnte deutlich schwerer werden.

Spätes Siegtor durch einen Joker

Dass Hertha durch ein Traumtor von Ulm vor einen weiteren Widerstand gestellt wurde und auch diesen durch den späten Siegtreffer des eingewechselten Niederlechners überwand, spricht für die Entwicklung unter Leitl. Zumindest in den Ergebnissen liefert er seit Wochen die so dringend gesuchte Konstanz. Spätestens mit dem Sieg in Ulm ist klar, dass Hertha die Klasse halten wird.
 
Die Planungen der sportlichen Leitung können also intensiviert werden. Sie stehen vor einer komplizierten Aufgabe. Die finanzielle Lage zwingt Hertha Personalkosten einzusparen und hohe Ablösen zu kassieren. Gleichzeitig lechzen Fans, Umfeld und Vereinskasse nach dem Aufstieg in die Bundesliga. Der ist ohne die Energie von Fabian Reese schwer vorstellbar.

Sendung: Abendschau, 20.04.2025, 19:30 Uhr