Eiskunstlauf-Paar Hocke/Kunkel vor WM "Bronzemedaille hat uns viel Motivation gegeben"
Nach EM-Bronze führen die Berliner Paarläufer Annika Hocke und Robert Kunkel das deutsche Aufgebot bei der Eiskunstlauf-Weltmeisterschaft in Japan an.
rbb|24: Annika Hocke, Robert Kunkel, Sie sind bereits seit einigen Tagen in Japan. Eiskunstlaufen ist dort äußerst populär. Wie nehmen Sie die Stimmung zum Start der Weltmeisterschaft wahr?
Annika Hocke: Eiskunstlauf ist wirklich viel bekannter hier. Wir hatten das Training heute [am Montag, Anm. d. Red.] mit den japanischen Paarläufern zusammen, die vergangenes Jahr Vize-Weltmeister waren. Auf denen liegt ein großer Fokus. Es war viel Presse da und viele Leute, die sich für sie interessieren und somit auch bei unserem Training zugeguckt haben. Es ist also immer ein schönes Erlebnis, in Japan zu laufen.
Haben Sie Zeit, in diese Atmosphäre einzutauchen?
Robert Kunkel: Eigentlich ist das WM-Gefühl bis jetzt wie immer bei größeren Wettkämpfen. Aber wir konnten die Japan-Atmosphäre schon sehr gut mitnehmen. Wir waren ja schon eine Woche vorher hier. Wir haben uns in Fukuoka vorbereitet, damit wir uns an die Zeitverschiebung gewöhnen. So haben wir auch ein bisschen was von der Stadt und der Kultur gesehen. Das war sehr schön. Nicht nur zum Wettkampf anzureisen - ohne wirklich zu merken, wo man eigentlich gerade ist -, und direkt wieder nach Hause zu fliegen.
Acht Stunden beträgt die Zeitverschiebung zwischen dem italienischen Bergamo, Ihrem Trainingsort, und dem WM-Austragungsort Saitama. Wie groß ist die Gefahr, über das Eis schlafzuwandeln?
Hocke: Es war an den ersten Tagen wirklich nicht leicht, sich anzupassen. Als Leistungssportler sind kleinste Kleinigkeiten entscheidend - selbst wenn man mal eine Nacht schlecht schläft, merkt man das schon auf dem Eis. Das ist als Paar noch einmal extremer, wenn man zwei verschiedene Menschen aufeinander abstimmen muss.
Sportlich startet die WM für Sie beide am frühen Mittwochmorgen mit dem Kurzprogramm. Wie sehen die letzten Abläufe und Vorbereitungen aus?
Hocke: Wir hatten jetzt den ersten Trainingstag in der Halle, um sie kennenzulernen. Jedes Paar hat ungefähr eine halbe Stunde auf dem Eis. Die Uhrzeit kann man sich also nicht aussuchen. Da geht man noch einmal die Programme durch. Nicht mehr die kompletten - das macht man so kurz vor dem Wettkampf normalerweise nicht mehr. Aber man übt die Elemente noch einmal, lernt das Eis kennen und holt sich ein gutes Gefühl.
Kunkel: Das Wichtige ist, gut zu dosieren. Nicht zu viel zu machen, damit wir nicht erschöpft sind - aber eben auch nicht zu wenig. Ziel ist es, am Mittwoch und Donnerstag das Maximum rausholen zu können. Dafür ist es gut, den Wettkampf ein wenig zu simulieren. Die Leute, die später bewerten, schauen auch mit zu. Deswegen ist es wichtig, sich auch im Training schon gut zu präsentieren.
Bei der EM Ende Januar in Finnland haben Sie Bronze geholt. Es war die erste internationale Medaille für ein deutsches Paar seit dem Olympiasieg von Aljona Savchenko und Bruno Massot im Jahr 2018. Sie führen das deutsche Aufgebot in Japan an - und sind zu Hoffnungsträgern in einer Sportart geworden, der diese zuletzt so sehr gefehlt haben. Spüren Sie das?
Kunkel: Wir haben nicht das Gefühl, dass wir so viel Aufmerksamkeit abbekommen. Vielleicht die meiste im deutschen Team, aber Eiskunstlaufen ist ja dann doch immer noch sehr, sehr nischig. Es ist nicht so wie beim Fußball oder in anderen Sportarten, dass sich Presse und Medien ...
Hocke: ... um uns reißen(lacht). Tatsächlich haben wir gar nicht viel mitbekommen. Für uns war die EM ein super Erlebnis und ein super Einstieg in hoffentlich noch viele weitere große Ereignisse. Wir spüren gar nicht viel von der Aufmerksamkeit, was für uns vielleicht auch ein Vorteil sein kann.
Wir haben nicht das Gefühl, dass wir so viel Aufmerksamkeit abbekommen. Vielleicht die meiste im deutschen Team, aber Eiskunstlaufen ist ja dann doch immer noch sehr, sehr nischig.
Sie sind selbst erst 22 und 23 Jahre alt. Als Paar ist es Ihre zweite Weltmeisterschaft, bei der ersten landeten Sie auf Platz 13. Mit der EM-Medaille hat sich die Erwartungshaltung verändert: Bedeutet das Druck oder Motivation?
Hocke: Definitiv Motivation. Ich glaube, den größten Druck haben wir eher bei der Europameisterschaft selbst gespürt, weil wir wussten: Es ist alles drin. Wir trainieren mit allen Paaren zusammen, die auf dem Podest standen. Es hätte jeder ganz oben stehen können. Danach war für uns klar, dass wir - wie immer - so gut wie möglich bei den Weltmeisterschaften abschneiden wollen. Wir nehmen einfach diesen dritten Platz mit, der uns ein bisschen tragen kann. Er hat uns super viel Motivation gegeben, um jetzt noch einmal unsere Bestleistung zu zeigen.
Bei der EM waren Sie - trotz der Medaille - gerade mit der Kür nicht vollends zufrieden. Woran haben Sie seitdem noch gefeilt?
Kunkel: Genau. Bei der EM hatten wir einen ziemlich großen Fehler mit drin, der dann eine zweite Kleinigkeit mit bedingt hat. Wir haben an unseren Sprüngen etwas umgestellt, sodass so etwas nicht mehr vorkommen kann. Wir haben also Fehler-Prävention betrieben, laufen mit einem anderen Sprungelement und haben die -kombination auch ein wenig verändert. Daran haben wir gearbeitet, mussten aber leider auch aufpassen, dass wir nicht zu viel machen. Ich hatte seit der EM und eigentlich auch schon währenddessen ein paar Rückenprobleme. Die brauchen ein bisschen längere Zeit, um durch eine Reha wieder aufgearbeitet zu werden. Deswegen war das Ziel, jetzt noch durchzuhalten und sich dann nach der WM darum zu kümmern.
Die russische Top-Konkurrenz fehlte bei der EM wegen des Angriffkrieges auf die Ukraine. Das wird auch in Japan so sein. Dennoch ist die Qualität im Wettbewerb deutlich höher. Auf wen achtet ihr besonders?
Kunkel: Nur auf uns.
Natürlich schaue ich mir die anderen Paare gerne an, aber am liebsten nach unserem Wettkampf.
Hocke: Ja, genau. Ich bin auch am ersten Trainingstag ganz erstaunt gewesen, dass man von den anderen gar nicht so viel mitbekommt. Das kann aber auch sehr angenehm sein. Natürlich schaue ich mir die anderen Paare gerne an, aber am liebsten nach unserem Wettkampf. Am besten ist es eigentlich, wenn man wirklich bei sich bleiben kann.
Was haben Sie sich selbst vorgenommen, wann sagen Sie: Für uns war das eine gute WM?
Kunkel: Wenn wir das Maximum rausholen, das für uns möglich ist. Auch mit der Vorbereitung. Platzierungsmäßig haben wir uns eigentlich - wie immer - nicht viel vorgenommen. Zwischen Platz fünf und zwölf ist eigentlich alles irgendwie realistisch. Es kommt ja auch darauf an, wie die anderen laufen. Das haben wir uns aber eben nicht angeschaut und können wir auch nicht beeinflussen. Wir wollen mit unserer Leistung zufrieden sein, also zwei fehlerfreie oder nahezu fehlerfreie Programme abgerufen haben.
Hocke: Wir haben uns in dieser Saison eine gute Grundlage aufgebaut, was die Würfe und die Paarlauf-Elemente generell angeht. Bei dem Wettkampf geht es genau darum, dass wir die so gut zeigen, wie wir sie immer gezeigt haben und dazu auch die Einzelsprünge fehlerfrei gelingen. Ich denke, das ist auch gut möglich.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Johannes Mohren, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 20.03.2023, 21:45 Uhr