DBB-Kapitätin Svenja Brunckhorst gibt Anweisungen; (Imago/Sports Press Photo)
interview

DBB-Kapitänin Svenja Brunckhorst Frauenbasketball ist zehn Punkte hinterher

Stand: 19.02.2024 21:11 Uhr

Als Kapitänin führt Svenja Brunckhorst die DBB-Auswahl von Erfolg zu Erfolg. Dem heimischen Frauenbasketball fehle es aber weiter an Professionalität, sagt Brunckhorst.

rbb|24: Sie haben sich im brasilianischen Belem zum ersten Mal für die Olympischen Spiele qualifiziert. Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an das entscheidende Spiel ausgerechnet gegen Brasilien zurückdenken?
 
Svenja Brunckhorst: Die Schlüsselsituation war die erste Aktion von Satou Sabally. Sie war verletzt, konnte im Warm-Up den linken Arm nicht heben. In ihrer ersten Aktion hat sie einen Korbleger mit Foul gemacht. Das war das Zeichen für alle: Egal, wie schlecht es aussieht, sie zieht heute voll durch. Wir waren damit bereit für die Prügelei oder die Schlacht, wie viele Medien das Spiel hinterher nannten.

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Wie würden Sie dieses Team beschreiben?
 
Wir sind ein Team mit sehr viel Talent. Das habe ich schon früher gesagt. Aber jetzt haben wir gezeigt, was wir für Charakter haben. Alle waren bereit und fokussiert, auch als wir bei 36 Grad in der Sonne trainierten. Niemand hat sich beschwert und alle haben auf dem Spielfeld gelassen, was sie bringen konnten. Wir haben als eine Einheit funktioniert. Soweit waren wir im November noch nicht.
 
Was ist seit dem November passiert?
 
Wir haben in gemeinsamen Zoom-Meetings ein Gefühl füreinander entwickelt. Vorher kannten wir uns maximal von Spielen gegeneinander. Aber im Vergleich zu Teams wie Australien, die seit zehn Jahren im Kern zusammen spielen, war die Abstimmung im Spiel unsere größte Schwäche.
 
Was kann ich mir diese Zoom-Meetings vorstellen?
 
Da war alles dabei. Wir haben Ziele und Rollen definiert und natürlich über die Taktik gesprochen. Aber es gab auch Break-Out-Rooms, in denen wir in Kleingruppen Zeit für uns untereinander hatten.

Letztes Jahr hat die Nationalmannschaft die erste EM seit zwölf Jahren gespielt, jetzt hat sie sich zum ersten Mal für die Olympischen Spiele qualifiziert. Warum ist die DBB-Auswahl gerade so gut?
 
Wir wussten, dass wir auf dieser Bühne spielen können, wir mussten es nur mal beweisen. Da waren wir richtig hungrig drauf. Es ist natürlich schwierig, wenn du eine schwierige Phase korrigieren musst, und dich dann zum Beispiel in den unteren Lostöpfen für Turnier-Qualifikationen befindest. Ganz wichtig war es, diesen EM-Fluch nach zwölf Jahren zu brechen, um dieses Erfolgserlebnis zu haben.
 
Seit 2,5 Jahren sind Sie nicht mehr im deutschen Vereinsbasketball aktiv. Warum eigentlich nicht?
 
Ich war nach dem Ausland wieder in Wasserburg aktiv und habe vorher alles erreicht, was ich erreichen wollte mit Meisterschaften und Pokalsiegen. Ich wollte was Neues machen, war aber noch nicht bereit, mit Basketball an sich aufzuhören und dann kam die Option, 3-gegen-3-Basketball zu spielen, für mich perfekt gelegen.
 
Lag es auch am Frust über die fehlenden Strukturen in der deutschen Liga?
 
Das war auch ein Grund, ja. Die Entwicklung in den letzten Jahren war - freundlich formuliert - nicht optimal. Professionalität, Struktur, Infrastruktur, Trainertum, Hauptamtlichkeit. Das sind nur fünf Punkte, die ich sofort aufzählen kann. Und die haben immer noch 15 Unterpunkte. Das Wichtigste ist die Professionalität und die ist noch nicht gegeben in der Bundesliga.

Was genau heißt das?
 
In Deutschland spielt aktuell keine Topspielerin, die Nationalmannschaft war lange nicht auf Topniveau, weil wir den Unterbau nicht haben. Wir spielen in Schulhallen, in denen man im Live-Stream 15 Linien auf dem Court sieht. Du kannst dieses Produkt nicht verkaufen. Es ist toll, dass sich viele Menschen ehrenamtlich engagieren, aber um den nächsten Schritt zu machen, geht es nicht ohne Hauptamtlichkeiten. Wir brauchen Trainer, die gut ausgebildet sind und sich aufs trainieren konzentrieren können und nicht nebenbei Auswärtsreisen planen und im Kleinbus 800 Kilometer durch die Republik fahren.
 
Man kann Ihnen den Frust anmerken.
 
Das Problem ist: Es ist in den letzten Jahren nicht besser geworden. Dabei sehen wir, wie der Frauensport sich überall anders entwickelt. In den USA wird das Thema Equal Pay angegangen, in Deutschland kommt Frauen-Volleyball im Fernsehen und im Frauenfußball sind Nationalspielerinnen Werbeträgerinnen. Aber der Frauenbasketball ist da zehn Punkte hinterher.

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Die DBBL verlangt jetzt von den Teams, dass sie diese professionellen Strukturen vor der WM 2026 im eigenen Land schaffen. Können das Vereine wie der TSV Wasserburg schaffen, die keinen starken BBL-Verein im Rücken haben wie Alba Berlin?
 
Ich bin Wasserburgerin durch und durch. Und ich habe die Befürchtung, dass genau diese Vereine Probleme haben, die Vorgaben zu erfüllen, LED-Banden oder einen vernünftigen Boden zu installieren. Aber alle wissen auch, dass wir was tun müssen. Es wäre schade, wenn wir einige Traditionsvereine verlieren würden auf dem Weg. Vielleicht können die großen Vereine auch die kleinen unterstützen. Es geht darum, den ganzen Frauenbasketball nach vorne zu bringen und da brauchen wir Hilfe von allen.
 
Vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview führte Toni Lukic, rbb Sport.

Sendung: DER TAG, 19.02.2024, 19:15 Uhr