Alba Berlins Gabriele Procia beim Dribbling (Bild: IMAGO/Eibner)

Schwacher Saisonstart der Basketballer Alba Berlins Basketballer suchen in der Krise nach Selbstverständnis

Stand: 24.10.2024 14:00 Uhr

In der Bundesliga erlebt Alba Berlin den schlechtesten Saisonstart seit über 20 Jahren. Auch in der Euroleague gab es trotz guter Leistungen erst einen Sieg. Die vielen Verletzungen sind ein Grund hierfür, aber nicht der einzige. Von Jakob Lobach

Es ist ein ungewohntes Bild, das sich aktuell bei einem Alba Berlin betreffenden Blick auf die Tabelle der Basketball-Bundesliga bietet. Naturgemäß richtet sich der erst einmal gen Spitze – wo derzeit Bonn und Ulm mit je 3:1-Siegen thronen. Sukzessive schweift er dann die Tabelle entlang nach unten gen Tabellenkeller.

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Mit einer Bilanz von einem Sieg und drei Niederlagen liegt Alba Berlin dort aktuell auf Tabellenplatz 15. Eine Klatsche gegen Hamburg, zwei knappe Niederlagen gegen Chemnitz und Bonn, dazu die Beinahe-Blamage im Pokal gegen einen Zweitligisten – während Alba sich auf dem Euroleague-Parkett sportlich bislang sehr achtbar schlägt, erlebt man national den schlechtesten Saisonstart seit der Jahrtausendwende. Durch viel Verletzungspech ist er zumindest in Teilen erklärbar. Dennoch ist er auch Ausdruck grundsätzlicher Entwicklungen, mit denen Alba aktuell zu kämpfen hat.

Die Verantwortlichen sind zuversichtlich

Die Berliner selbst konzentrierten sich zuletzt stets auf den ersten Teil, die Verletzungen. So auch am Dienstag, als Trainer Israel Gonzalez im Gespräch mit dem rbb sagte: "Wir haben seit der Vorbereitung viele körperliche Probleme." Verschiedene Leistungsträger verpassten verschiedene Teile der wichtigen Saisonvorbereitung. Mit Malte Delow und Matt Thomas fehlen zwei von ihnen weiterhin, dazu Ziga Samar und Elias Rapieque. Von der Rollenfindung bis hin zum Festigen des Selbstvertrauens – all das wird durch Verletzungen erschwert. "Wir suchen aktuell noch den Rhythmus", sagte Gonzalez.
 
"Mit Blick auf die Ergebnisse ist es ein schlechter Start", attestierte auch Sportdirektor Himar Ojeda jüngst im Gespräch mit Magenta Sport. Gleichzeitig seien die Arbeitseinstellung seines Teams sowie dessen Fortschritte vielversprechend. Und überhaupt: "Wir wissen aus Erfahrung, dass selbst ein guter Start hinfällig ist, wenn man am Ende der Saison nicht gewinnt. Wir versuchen, etwas aufzubauen, um am Saisonende erfolgreich zu sein."

Die Spieler von Alba Berlin im Huddle (Bild: IMAGO/camera4+)

Kapitän Hermannsson schwört ein: Albas Akteure im Huddle | Bild: IMAGO/camera4+

Albas (einstiges) Alleinstellungsmerkal

Dennoch weiß auch Ojeda, dass das Fundament hierfür nicht erst mit dem Saisonstart gegossen wird. Im Gegenteil: Verschiedene Entwicklungen der vergangenen Jahre bilden positiv wie negativ die Grundlage für Albas aktuelle Situation. Am eindrucksvollsten erkennbar wird dies anhand von Albas Kernkompetenz der jüngeren Vergangenheit: außergewöhnliche Talente und Jungprofis außergewöhnlich gut entwickeln.
 
Diese Fähigkeit war zuletzt zeitweise europaweit ein Alleinstellungsmerkmal von Alba. Das Ergebnis einer bewussten Entscheidung, die den Klub nicht zuletzt überhaupt erst zurück in die Euroleague führte. Mit Hilfe von Ex-Trainer Aito Garcia Reneses machte Sportdirektor Ojeda Alba zu einer Top-Adresse für junge Basketballer. Dass dieses Prädikat mittlerweile allerdings kein Alleinstellungsmerkmal mehr ist, bereitet Alba nun durchaus Schwierigkeiten.

Viele Talente in der Breite, weniger in der Spitze

Einerseits gelingt es Alba immer noch, in der Breite hierzulande die mit Abstand meisten Talente zu entdecken und zu entwickeln. Die Liste von Ex-Akteuren, die mittlerweile in den drei Bundesligen spielen, ist beeindruckend lang. Andererseits ist die Liste von Berlinern, die in jüngster Vergangenheit dauerhaft in Albas eigene Profimannschaft integriert wurden, deutlich kürzer. Seit 2020 umfasst sie mit Malte Delow und Elias Rapieque exakt zwei Namen.
 
Nicht zuletzt, weil gleich mehrere jugendliche Talente Alba zuletzt kurz vor dem Sprung zum Profi verlassen haben. Mathieu Grujicic – Albas wohl größtes Talent seit Franz Wagner – verabschiedete sich 2023 mit 16 Jahren zum FC Barcelona. Mit Jack Kayil und dem letztjährigen Profidebütanten Linus Ruf zog es zuletzt gleich zwei Berliner ins Programm von des Bundesligisten Rasta Vechta. Hinzukommt eine Reihe von Talenten, die sich für einen Wechsel in die USA ans College entschieden.

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Spagat zwischen Entwicklung und Erfolg

Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Einerseits waberten zuletzt immer mal wieder Erzählungen von Unverständnis und Unzufriedenheit durch den Alba-Kosmos – darüber, mit welcher Wertschätzung, vor allem aber wie früh bzw. spät der Klub seinen größten Talenten eine Perspektive aufzeigt. Andererseits ist es schlichtweg ungleich schwerer Spieler in der und für die Euroleague heranzuziehen als solche für den EuroCup oder die Bundesliga.
 
Hinzukommt, dass selbst in Letzterer die Spielwiese für junge Profis enger gesteckt wird, wenn man den Druck hat, europäische Niederlagen zu kompensieren. Sportlichen Erfolg mit individueller Entwicklung junger Akteure vereinbaren – es ist ein schwieriger Spagat, mit dem Alba-Trainer Gonzalez durchaus zu kämpfen scheint. In der vergangenen Saison etwa sah man Akteure wie Jonas Mattisseck oder Tim Schneider oft außen vor, wenn alle ihre Kollegen gesund waren.
 
Wobei man Gonzalez hieraus – anders als bei Albas in dieser Saison teils merkwürdigen Line-Ups und Wechsel – nur bedingt einen Vorwurf machen kann. Schließlich wird er an einem Entwicklungs-Standard gemessen, den ein legendärer Vorgänger etabliert hat. Hinzukommt, dass sich Albas Euroleague-Konkurrenten oft noch schwerer tun, junge Spieler zu etablieren und zu entwickeln.

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Die Euroleague als Chance und Hindernis zugleich

ASVEL Villeurbanne etwa musste vor zwei Jahren sogar zusehen, wie das Supertalent Victor Wembanyama seinen Vertrag auflöste und vor seinem Wechsel in die NBA lieber ein Jahr nur in der französischen Liga spielte. Mehr Verantwortung und Spielzeit, weniger dreitägige Auswärtsreisen quer durch Europa, mehr Zeit zum Training – es sind einige Argumente, die viele junge Profis eher in den EuroCup als in die Euroleague ziehen.
 
Zuletzt etwa nach Ulm, wo perfekte Trainingsbedingungen junge Spieler wie Juan Nunez oder Ben Saraf anlockten – auch Alba-geeignete Ausnahmekönner, die vor einigen Jahren vielleicht in Berlin gelandet wären.

Qualität auf das Parkett bringen

Unabhängig von diesem Konjunktiv ist Fakt, dass Alba auch so in dieser Saison eine Mannschaft hat, die nach vier Bundesligaspielen mehr als einen Sieg auf ihrem Konto haben sollte. Schließlich haben die Berliner - selbst von Verletzungen geplagt - mehr Qualität in ihren Reihen als nahezu alle ihrer Bundesliga-Konkurrenten. Dies aufs Parkett zu bringen, ist kurzfristig die Hauptaufgabe für Trainer Gonzalez und seine Schützlinge. Wenn nicht schon am Donnerstag (20:30 Uhr) in Spanien bei Vitoria-Gasteiz, dann spätestens am Sonntag (15 Uhr) zu Hause gegen Braunschweig.

Sendung: DER TAG, 23.10.2024, 18 Uhr