FC St. Pauli Hauke Wahl - Dauerbrenner und Fels in der Brandung
Der FC St. Pauli ist auf einem guten Weg, den Klassenerhalt in der Fußball-Bundesliga zu realisieren. Nur Spitzenreiter Bayern München hat weniger Gegentore als der Aufsteiger kassiert, was auch ein großes Verdienst von Hauke Wahl ist. Der Innenverteidiger mit der bewegten Lebensgeschichte ist der Fels in der Hamburger Brandung. Dabei wäre er viel lieber Handballer geworden.
Einen wie ihn, der Situationen perfekt antizipiert und fast immer ohne den Einsatz unlauterer Mittel löst, hätte die DHB-Auswahl an diesem tragischen Mittwochabend in Oslo gut gebrauchen können. Doch statt für Deutschland im WM-Viertelfinale gegen Portugal auf der Platte zu stehen, bereitete sich Wahl in Hamburg auf die Partie St. Paulis am Sonnabend (15.30 Uhr, im Livecenter bei NDR.de) gegen den FC Augsburg vor.
Aber es dürfte dem baumlangen Abwehrspieler während des Dramas im fernen Norwegen in den Fingern gekribbelt haben. Denn als Kind träumte er genau davon: Für Deutschland um Handball-Titel kämpfen. Der Fußball? Für den jungen Hauke Wahl nicht sonderlich interessant.
Selbst die Lockrufe vom HSV Barmbek-Uhlenhorst, Jugendclub des späteren Weltmeisters Andreas Brehme, ließen ihn kalt. "Der Trainer wollte mich damals haben, aber Ich wollte unbedingt Handball spielen. Ich komme aus einer Handballerfamilie. Mein Vater hat auch immer Handball gespielt", verriet der gebürtige Hamburger einst.
Seine ursprünglichen Pläne, auf der Platte Karriere zu machen, wurden durch einen Umzug durchkreuzt. Das Schicksal des Hauke Wahl hieß Witzhave. In die kleine schleswig-holsteinische Gemeinde zog die Familie, als der heutige St.-Pauli-Profi noch ein Steppke war.
"Und auf dem Dorf spielt halt jeder Fußball. Dann kommst du in die Schule und alle deine Kumpels spielen Fußball. Dann sagen die Jungs, dass du mitkommen sollst, und dann bin ich beim Fußball geblieben", erklärte der 30-Jährige.
Wahl statistisch besser als langjährige Erstliga-Profis
Wahl wurde also mehr oder minder zu seinem Glück gezwungen. Böse wird er seinen "Jungs" von damals heute wohl nicht mehr sein, dass sie ihn mitschleppten auf den schönen Rasenplatz des Witzhaver SV am Rausdorfer Weg. Schließlich begann hier seine Karriere, die mit dem Aufstieg in die Bundesliga im vergangenen Sommer ihren vorläufigen Höhepunkt gefunden hatte.
"Ich denke, dass ich ein ganz gutes Aufbauspiel habe und gut verteidigen kann. Und ich übernehme gerne Verantwortung."
— Hauke Wahl über seine Stärken
Vorläufig deshalb, weil der 30-Jährige in der deutschen Beletage nicht nur mithalten kann, sondern zu den Top-Innenverteidigern zählt. Schon in der vergangenen Zweitliga-Saison war Wahl einer der wichtigsten Spieler beim FC St. Pauli.
Das Fachblatt "kicker" stufte ihn in seiner Rangliste Winter 2024/2025 in die Kategorie "Nationale Klasse" ein. Sein Notendurchschnitt von 3,42 ist dabei besser als beispielsweise der von den langjährigen Erstliga-Profis Marco Friedl (Werder Bremen) oder Kevin Vogt (Union Berlin).
Nur sechs Fouls in 19 Spielen, keine Gelbe Karte
Ein formidables Zwischenzeugnis für einen Akteur, der seine erste Bundesliga-Saison spielt und dabei agiert wie ein ganz, ganz alter Hase. Beispiele gefällig? Wahl hat in 19 Partien exakt sechs Fouls begangen! Gelbe Karten? Null! Seine Quote angekommener Pässe? 87,1 Prozent! Werte, die beeindrucken. Aber eben nur Zahlen, die lediglich die sportlichen Qualitäten des Abwehrspielers verdeutlichen. Zu diesen gesellen sich aber auch noch die nicht minder wichtigen Fähigkeiten, die Mannschaft zu führen.
Seine eigenen Stärken skizzierte Wahl einmal selbst so: "Ich denke, dass ich ein ganz gutes Aufbauspiel habe und gut verteidigen kann. Und ich übernehme gerne Verantwortung."
Prägende Jahre bei Holstein Kiel
Eine Selbstbeschreibung, der sie bei Holstein Kiel vermutlich nicht ansatzweise widersprechen werden. Denn bei der KSV machte der Defensivspezialist nicht nur seine ersten Schritte im Herrenbereich und verschaffte dem Club durch seinen Wechsel zum SC Paderborn 2015 die erste sechsstellige Ablösesumme in der Vereinshistorie.
Bei den "Störchen" war er nach seiner Rückkehr 2017 auch absoluter Führungsspieler und ein Gesicht des kontinuierlichen Aufschwungs, der für Holstein im vergangenen Sommer - allerdings ohne den dort schon für St. Pauli spielenden Wahl - durch den Aufstieg in die Bundesliga seinen Höhepunkt fand.
"Der Verein hat mir extrem viel gegeben und bedeutet mir sehr viel. Trotzdem ist es für mich an der Zeit, noch einmal etwas Neues zu machen, in einem neuen Umfeld mich noch einmal neu beweisen zu wollen", hatte der Verteidiger bei seinem Abschied gesagt.
In Ingolstadt am absoluten Tiefpunkt
Hauke Wahl und Holstein Kiel - das war mehr als eine berufliche Verbindung. Es war eine der seltenen Liebesbeziehungen im Profisport. Ein Geben und Nehmen in guten wie in schlechten Zeiten. So holte der Club den Abwehrspieler zurück, als er weder bei Paderborn noch dem FC Ingolstadt und auch nicht beim 1. FC Heidenheim sein Glück gefunden hatte.
"Ich war am Tiefpunkt angekommen, bin dort alleine nicht mehr rausgekommen."
— Hauke Wahl über seine Zeit beim FC Ingolstadt
"Es waren sehr schwierige Zeiten dabei. Aber ich habe sehr viel gelernt daraus", sagte Wahl im Interview mit dem Youtube-Kanal der KSV. Insbesondere sein Intermezzo in Ingolstadt hatte ihm sehr zugesetzt. Dort kam er ein halbes Jahr gar nicht im Profiteam zum Einsatz. Und als er dann einmal in der U23 der "Schanzer" aushalf, zeigte der Verteidiger eine katastrophale Vorstellung, die ihn endgültig den Boden unter den Füßen wegriss.
"Ich war am Tiefpunkt angekommen, bin dort alleine nicht mehr rausgekommen. Und dann habe ich mit Holger Fischer jemanden gefunden, der mich enorm unterstützt und mir auch viele Dinge an die Hand gegeben hat, die mich auch im Privaten weitergebracht haben", erklärte Wahl.
Nach Wechsel zu St. Pauli keine Pendelei mehr
Bei Holstein fasste Wahl wieder Fuß, wurde Kapitän und einer der besten Innenverteidiger der Zweiten Liga. Aber noch eimmal schlug das Schicksal zu - und diesmal nicht das sportliche. 2022 erkrankte der Abwehrspieler am Pfeifferschem Drüsenfieber und fiel monatelang aus. Obgleich völlig ungewiss war, wann er wieder fit wird, legte ihm die KSV das Angebot vor, seinen Kontrakt zu verlängern. Ein Liebesbeweis, den Wahl sehr zu schätzen wusste.
Aber nach all den Jahren fernab der Hamburger Heimat war die Sehnsucht nach einer Rückkehr an die Elbe letztlich größer. Mit dem Wechsel zu St. Pauli erledigte sich dann auch die ewige Pendelei.
Denn seinen Lebensmittelpunkt hatte Wahl schon zuvor gemeinsam mit seiner Frau in der Hansestadt. Genau genommen in Hamburg-Barmbek. Also dort, wo er einst nicht mit dem Fußball spielen hatte anfangen wollen. Das Leben schreibt zuweilen verrückte Geschichten...
Dieses Thema im Programm:
Die NDR 2 Bundesligashow | 30.01.2025 | 15:00 Uhr