NDR-Sport Frauen-Bundesliga so spannend wie nie - endet die Meister-Monotonie?
Am Freitag startet die Frauen-Bundesliga mit dem Top-Spiel Eintracht Frankfurt gegen Bayer Leverkusen in die verbleibenden zehn Partien. Beide sind in einem Meisterschafts-Vierkampf mit dem FC Bayern München und dem VfL Wolfsburg. Die Daten zeigen, welche Faktoren für wen aus dem Quartett sprechen.
Die Älteren werden sich erinnern: Borussia Dortmund holte das Double, der FC Bayern München scheiterte in der Champions League denkbar dramatisch gegen den FC Chelsea im "Finale dahoam" - und, ach ja, der HSV war noch Bundesligist. Mit dem Blick von heute wirkt das Jahr 2012 ein Stück weit wie aus einer anderen Fußball-Welt.
Und das war sie keineswegs nur bei den Männern. Nein, sie war es auch und gerade bei den Frauen. Mit dem 1. FFC Turbine Potsdam wurde im Sommer 2012 in der Bundesliga letztmals ein anderes Team als Wolfsburg oder München Meister. Seither: siebenmal VfL, fünfmal FC Bayern.
Ein Punkt trennt die ersten vier Teams
Besser als in dieser Saison aber standen die Chancen, die bald anderthalb Dekaden währende Dominanz der beiden Clubs zu durchbrechen, wohl selten in den vergangenen Jahren. Bevor die Liga am Freitag in die verbleibenden zehn Spieltage startet, steht Eintracht Frankfurt mit 29 Zählern an der Spitze. Punktgleich mit dem FCB und Bayer Leverkusen, Wolfsburg hat einen Zähler weniger.
"Wir haben uns diesen Platz verdient", sagte Frankfurts Trainer Niko Arnautis unter der Woche selbstbewusst und fügte an: "Das unterstreichen auch zahlreiche Statistiken, die wir anführen." Denn auch den Daten des Global Soccer Networks (GSN) zufolge ist die Tabellenführung der Hessinnen vor dem Kracher zu Beginn der "Restrunde" am Freitag gegen Leverkusen (18.30 Uhr) vollauf gerechtfertigt.
Eintracht Frankfurt bislang die stärkste Mannschaft
Die SGE hat dem "Performance Score" nach bislang die mit Abstand besten Leistungen gezeigt. Mit einem Wert von 67,95 liegen sie deutlich vor den "Wölfinnen" (65,93), dem FC Bayern (64,98) und Bayer (62,59). "In der Vergangenheit haben zu diesem Zeitpunkt einer Saison meist zwei Teams um die Meisterschaft gespielt, dahinter dann zwei, drei um Platz drei", sagte Arnautis.
Was ist der "Performance-Score"?
- Tore, Pässe, Fouls, Schüsse oder auch Abseitspositionen: die Spiel-Basisdaten und weiterführende Analysen wie "Expected goals" oder "Action scores" werden beim "Performance-Score" durch einen Algorithmus in einen übergeordneten Kontext gesetzt - zum Beispiel positionsbezogen.
- Beim "Performance-Score" sind alle Spieler zunächst einmal auf 0 gesetzt und werden anhand der reinen Leistungsdaten, kombiniert mit Datenmodellen, bewertet.
- Damit liefert dieser Wert eine Einschätzung, wie gut oder schlecht ein Spieler aktuell spielt.
- Der "Performance-Score" ist ein Baustein des GSN-Index, der wiederum eine generelle, langfristige Bewertung aller Fähigkeiten, Potenziale und Qualitäten eines Spielers ist.
Dass es nun vier sind und der Titelkampf - aber auch die Situation im Tabellenkeller - spannender denn je ist, sei "der Professionalisierung in allen Standorten in Deutschland" geschuldet. An den Zahlen seines Teams lässt sich das besonders beeindruckend ablesen: Die Hessinnen haben den besten Angriff (38 Tore) und die beste Abwehr (fünf Gegentreffer) - macht eine Tordifferenz von plus 33.
Frankfurts Plus: Große Effizienz und starkes Pass-Spiel
Die könnte angesichts des engen Rennens zum Faktor für die Eintracht werden - ebenso wie die Effizienz (44 Prozent der Schüsse werden Tore, Platz eins) sowie das gute Pass-Spiel. In vielen Pass-Statistiken - vor allem, wenn es ins letzte Drittel geht - dominieren die Frankfurterinnen nach zwölf Spieltagen.
Pro und Contra Eintracht Frankfurt
Pro:
Effektivität im Abschluss
Starkes Passspiel
Defensive Stabilität
Contra:
Defensive Luftduelle
Dribbelquote im Mittelfeld
Und "paart" man diese offensive Wucht mit der gezeigten defensiven Stabilität - etwa bei Standardsituationen und Angriffen durch die Mitte - attestieren die GSN-Experten der SGE "eine realistische Chance auf die Meisterschaft". Dafür aber "müssen sie in den direkten Duellen mit Wolfsburg und Bayern mindestens vier Punkte holen". Frankfurt muss zum VfL (16. Februar) und hat den FC Bayern zu Gast (rund um den 12. April).
Bayern mit Standard-Stärke und ganz viel Erfahrung
Nicht nur in der Tabelle, sondern auch in puncto Effizienz und Pass-Werten stehen die zweitplatzierten Münchnerinnen der SGE in fast nichts nach. Im Gegenteil: Keine Mannschaft in der Liga spielt mehr (625) und mehr erfolgreiche Pässe (544) pro Partie als die aktuellen Meisterinnen. Die Mannschaft von Trainer Alexander Straus ist zudem bei offensiven Standardsituationen (im Schnitt mehr als ein Tor pro Partie) sowie bei Dribblings im letzten Drittel top.
Pro und Contra FC Bayern München
Pro:
- Hohe Ballbesitzrate und Passqualität
- Gefährlichkeit bei Standardsituationen
- Dribblingstärke im letzten Drittel
Contra:
- Mangel an Durchschlagskraft auf der rechten Seite
- Luftduelle defensiv
- Abwehrverhalten bei gegnerischen Dribblings
Paradoxerweise sind ruhende Bälle und Dribblings in defensiver Hinsicht zwei Schwachpunkte des Straus-Teams. Gelingt es dem FC Bayern aber noch besser als bislang, "das Spieltempo zu diktieren, Ballverluste zu minimieren und durch präzise Kombinationen Chancen zu kreieren", haben sie beste Aussichten, den Titel zu verteidigen, glauben die GSN-Experten. Zumal die "mentale Stärke des Teams, gepaart mit der Erfahrung der Spielerinnen" in entscheidenden Phasen und Begegnungen zum Faktor werden können.
Leverkusen: Pressing hui, Ballverluste pfui
Mit diesem "Pfund" kann Leverkusen - das "Überraschungsteam" des Führungs-Quartetts - am wenigsten wuchern. Für die Bayer-Frauen aber sprechen ihre mannschaftliche Geschlossenheit, die hohe Zweikampfintensität (Platz eins), ihre Stärke im Pressing (ebenfalls Rang eins), eine hohe Effizienz sowie die zweitbeste Defensive der Liga (neun Gegentore). Zumal sie - wie auch die Frankfurterinnen - nur die Doppel-Belastung aus Pokal und Meisterschaft zu bewältigen haben. Wolfsburg und FCB haben noch die Champions League "on top".
Pro und Contra Bayer Leverkusen
Pro:
- Effektive Defensive
- Stärke bei Kopfbällen
- Variabilität im Angriff
Contra:
- Schwäche bei Dribblings
- Wenig Gefahr über die rechte Seite
- Probleme bei gefährlichen Ballverlusten
Und doch bleiben Zweifel an den Chancen der Rheinländerinnen. Denn so gut beispielsweise die Konterabsicherung durch Pressing und Zweikampfführung funktioniert - Wolfsburg musste das bei der 0:1-Niederlage im Dezember leidvoll erfahren -, so gefährlich sind für sie Ballverluste im eigenen Drittel. Mehr als sieben Mal pro Spiel passiert ihnen das (Rang 9). Und dies könnte, bekommen die Bayer-Kickerinnen das nicht abgestellt, entscheidend dafür sein, dass sie aller Entwicklung zum Trotz doch noch nicht titelreif sind.
Wolfsburg: Viele Chancen, mangelnde Effizienz und Intensität
Bleibt der VfL Wolfsburg - gemeinsam mit dem 1. FFC Frankfurt (jetzt Eintracht Frankfurt) Rekord-Titelträger. Auch wenn die "Wölfinnen" mit der Hypothek von einem Punkt Rückstand in die verbleibenden zehn Partien starten, spricht für sie - wie für den FCB auch - die enorme Erfahrung der gesamten Mannschaft, insbesondere aber auch der Führungsspielerinnen wie Marina Hegering, Svenja Huth oder auch Alexandra Popp.
Pro und Contra VfL Wolfsburg
Pro:
- Dominanz im Angriffsspiel
- Starke Kopfballpräsenz
- Effektivität im Passspiel
Contra:
- Schwache Defensive bei Bodenzweikämpfen
- Geringe Kontergefahr
- Geringe Zweikampfbeteiligung
Auch wenn es in den bisherigen zwölf Partien mit der Effizienz haperte (nur Rang acht im Ligavergleich), macht dem Team von Trainer Tommy Stroot Mut, dass die Mannschaft die meisten Schüsse insgesamt, die meisten Schüsse auf das Tor sowie die meisten Großchancen kreiert hat. Gelingt es dem VfL, hier zielstrebiger zu werden, dürfte die bislang schon drittbeste Offensive noch gefährlicher werden.
Wollen die Niedersächsinnen am Ende der Saison ganz oben stehen, müssen sie vor allem drei Dinge in den Griff bekommen: Sie müssen mehr Tempo in ihr eigenes Konterspiel bringen (bislang Rang sieben), mehr defensive Bodenzweikämpfe gewinnen (Rang elf) und ihre Zweikampfintensität erhöhen. Spannend ist zudem, wie das Team mit den bereits angekündigten Abgängen von Torhüterin Merle Frohms und Jule Brand umgeht.
"Übertrieben gesagt war es so: Wenn Bayern am ersten Spieltag gepatzt hat, wussten wir: Die Meisterschaft gehört uns eigentlich schon."
— Sara Doorsoun, ehemalige Wolfsburgerin und jetztige Frankurfterin
Sara Doorsoun, Eintracht-Nationalspielerin und einst in Diensten des VfL Wolfsburg, glaubt angesichts der verschiedenen Stärken und Schwächen des Quartetts vor dem Re-Start, "dass jedes Team jede Mannschaft schlagen kann." Siehe, stichprobenartig, im vergangenen Jahr: Frankfurt fertigte Wolfsburg ab, der VfL aber schlug den FC Bayern, der wiederum in Leverkusen gewann.
In ihren 15 Jahren in der deutschen Eliteklasse hat die 33-Jährige das schon ganz anders erlebt. "Es war damals - übertrieben gesagt - so, als ich in Wolfsburg gespielt habe: Wenn Bayern am ersten Spieltag gepatzt hat, wussten wir: Die Meisterschaft gehört uns eigentlich schon", sagte Doorsoun, die mit dem VfL zweimal die Schale holte (2019 und 2020).
Genau deshalb sei es "total attraktiv, was gerade in der Bundesliga passiert." Und spannend. Es ist eine schöne neue Welt in der Frauen-Bundesliga. Start des Showdowns: Diesen Freitag um 18.30 Uhr in Frankfurt.
Dieses Thema im Programm:
Sport aktuell | 28.01.2025 | 11:17 Uhr