Hansa-Trainer Daniel Brinkmann mit Stürmer Sigurd Haugen

Spitzenreiter in der 3. Liga Hansa Rostocks Erfolg hat zwei Namen: Brinkmann und Haugen

Stand: 22.01.2025 13:58 Uhr

Als Bernd Hollerbach bei Hansa Rostock Ende Oktober entlassen wurde, standen die Mecklenburger auf einem Abstiegsplatz. Drei Monate später hat der Zweitliga-Absteiger den Wiederaufstieg im Visier. Die Datenanalyse zeigt die Gründe für den Höhenflug: Trainer Daniel Brinkmann und Stürmer Sigurd Haugen.

Von Florian Neuhauss

Die eine Personalie kam bei den Rostockern genauso überraschend wie die andere: Als der Norweger Haugen im Sommer als Neuzugang vorgestellt wurde - haute das niemanden vom Hocker. 27 Jahre alt, ausgeliehen von dänischen Erstligisten Aarhus GF, der Haugen in der Vorsaison bereits in der zweiten niederländischen Liga "geparkt" hatte.

Sowohl in Dänemark als auch auf der Leihstation hatte Haugen wahrlich keine Bäume ausgerissen. Dass Haugen, der erst vor dem fünften Spieltag an die deutsche Ostseeküste gewechselt war, mit jeweils einem Tor an den beiden einzigen Siegen unter Hollerbach beteiligt war - nicht mehr als eine Randnotiz.

Seit dem Aus von Hollerbach ist Hansa Spitzenreiter

Doch mit dem Aus des 55 Jahre alten Fußball-Lehrers ist bei den Hanseaten etwas in Bewegung gekommen. Schaut man sich nur die neun Spieltage seit der Demission Hollerbachs an, belegt Hansa vor dem Duell mit dem SV Wehen Wiesbaden am Sonnabend (14 Uhr) mit sieben Siegen den ersten Tabellenplatz!

Was unter Interimstrainer Marcus Rabenhorst begann, hat Hollerbach-Nachfolger Brinkmann fortgeführt. Und dem 38 Jahre alten Ex-Profi, der zuvor als Coach ein unbeschriebenes Blatt war, hatten wahrscheinlich auch nicht viele die Rolle als Hoffnungsträger zugetraut.

Hansa arbeitet als Mannschaft besser zusammen

Die Daten vom Global Soccer Network (GSN) zeigen klar, dass der Erfolg zunächst auf einer deutlich verbesserten Defensive beruht. Die durchschnittlichen Gegentore pro Spiel sanken von 1,23 (unter Hollerbach/Rabenhorst) auf 0,86. Das entspricht einer Reduktion um fast ein Drittel.

Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass das Team besser "gegen den Ball" arbeitet. Die Anzahl der Pressingduelle stieg von im Schnitt 10,69 auf 17,00. Die Ballgewinne sind von 88 auf 100 gestiegen. Und besonders das Mittelfeld hat mit einer Steigerung bei den Ballgewinnen um 58 Prozent großen Anteil daran, dass Hansa viel besser im Spiel ist.

"Besonders hervorzuheben sind Hansas defensive Stabilität, die offensive Flexibilität und die stark verbesserte Spielintensität."
— Aus der GSN-Datenanalyse

Die Liste lässt sich fortführen: Die Chancenverwertung ist um 60 Prozent besser geworden (insgesamt von 10 auf 16 Prozent). Die Effektivität bei den Standards ist noch deutlicher gestiegen - und zwar um 87 Prozent (von 0,38 auf 0,71 Tore pro Spiel).

Und dann ist da noch das deutlich verbesserte Passspiel - was sich besonders bei den sogenannten "smarten Pässen" und Durchbrüchen zeigt: Deren Anzahl stieg um 62 Prozent, und ihre Erfolgsquote sogar um 110 Prozent. Das verdeutlicht, dass die Mannschaftsteile unter Brinkmann viel besser zusammenarbeiten.

Haugen unter Brinkmann Sturmspitze und erster Verteidiger

Das Paradebeispiel dafür ist Haugen. Im vom neuen Coach installierten 3-4-2-1-System ist der Norweger der klare Zielspieler in der Spitze. Aber gleichzeitig arbeitet er in der Defensive viel mehr mit: Er erobert mehr Bälle zurück - besonders in der eigenen Hälfte. Er fungiert zudem als erster Verteidiger im Pressing und erzwingt so schon früh Fehler im Spielaufbau des Gegners.

Außerdem ist der Mittelstürmer unter Brinkmann deutlich mehr ins Spiel eingebunden als zuvor. Er spielt mehr Pässe und dabei ist auch seine Passgenauigkeit gestiegen. So hilft Haugen dabei, die offensiven Mittelfeldspieler miteinzubinden.

Besonders deutlich wird dies bei seinem "Link-Up-Spiel", aus dem sich ableiten lässt, dass er häufiger Dreh- und Angelpunkt im Offensivspiel der Mecklenburger ist. Die Zahl seiner Verbindungspässe ist von 0,54 auf 2,21 pro 90 Minuten gestiegen. Das bedeutet ein Plus von 310 Prozent.

Haugen: Bessere Chancen, weniger Tore

Aber natürlich steht Haugen vor allem auf dem Platz, um Tore zu schießen. Sieben sind es an der Zahl in nunmehr 16 Einsätzen. Eine anständige, aber ausbaufähige Statistik. 0,6 Expected Goals (xG) stehen 0,51 Toren pro Spiel gegenüber.

Unter Brinkmann ist der xG-Wert zwar von 0,51 auf 0,70 gestiegen, zumal er häufiger zum Abschluss kommt. Und auch seine Schussgenauigkeit hat sich verbessert. Aber Haugens Torausbeute ist gleichzeitig von 0,54 auf 0,47 Tore pro Spiel gesunken.

Das "Expected Goals"-Modell

"Expected goals" sind "zu erwartende Tore" und werden anhand eines Datenmodells berechnet, in das eine Vielzahl von Faktoren einfließt - unter anderem von wo auf dem Platz der Abschluss erfolgte, wie der Winkel zum Tor war und wie viele Gegenspieler noch zwischen Ball und Tor standen. Jede Torchance erhält dabei einen Wert zwischen 0 und 1, um die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, mit der der Ball von diesem Punkt aus im Tor landet. "Expected goals"-Werte sind so aussagekräftiger als die normale Torschuss-Statistik, die alle Abschlüsse gleich behandelt. GSN hat zur Berechnung mehr als 3 Millionen Tore ausgewertet.

Offenbar fordert das anstrengendere Spiel unter Brinkmann seinen Tribut. Haugen verrichtet deutlich mehr Defensivarbeit, im Abschluss fehlt ihm aber die letzte Konzentration beziehungsweise Konsequenz. Auch, dass er in Sachen erfolgreiche Kopfballduelle nachgelassen hat, obwohl die Sprungkraft eigentlich zu seinen Stärken gehört, ist wohl Zeichen der gestiegenen Belastung. Oder mit anderen Worten: Haugen muss sein Spiel erst noch den Anforderungen unter Brinkmann anpassen, um seine Torjägerqualitäten noch mehr zur Geltung zu bringen. Wie es geht, zeigte er zuletzt beim 3:0 beim VfB Stuttgart II mit einem Doppelpack.

Haugen eigentlich zu gut für die 3. Liga

Denn eines steht fest: Eigentlich ist Haugen zu gut für die 3. Liga. Mit einem GSN-Index von 57,20 ist der Angreifer schon jetzt ein "solider Zweitliga-Spieler". Der Wert ist so hoch wie in den vergangenen fünf Jahren nicht.

GSN nennt neben dem Torabschluss unter anderem seine Technik, seine Beweglichkeit, seinen Antritt und sein Tempo sowie die Kreativität als Haugens Stärken. Mit dem möglichen GSN-Index von 59,63 könnte der ehemalige norwegische U-Nationalspieler auch in der Bundesliga mithalten.

Klopft Hansa oben an? Die KI zweifelt (noch)

Aufgrund des schwachen Saisonstarts liegt Hansa Rostock trotz der starken Ausbeute seit dem Hollerbach-Aus aktuell in der Tabelle vier Punkte hinter dem Aufstiegsrelegationsplatz. Die KI vom Global Soccer Network berechnet die Aufstiegswahrscheinlichkeit (noch) mit zwei Prozent genauso hoch wie die Chance auf die Relegation.

Wenn die Mecklenburger die Leistung der vergangenen Woche weiter abrufen können, dürften nicht zuletzt Brinkmann und Haugen diese Werte aber deutlich weiter nach oben schrauben.

Dieses Thema im Programm:
Sportclub | 25.01.2025 | 14:00 Uhr