
NDR-Sport Der Rostocker FC: Ein deutsch-ghanaischer Fußball-Krimi
Der Rostocker FC klopfte dank eines Investors aus Ghana ans Tor zur Fußball-Regionalliga und qualifizierte sich für den DFB-Pokal. Dann verschwanden der Geldgeber und nahezu alle Leistungsträger. Der frühere DDR-Zweitligist stieg sportlich ab, musste aber fünftklassig bleiben, weil es die Spielordnung so vorsieht. Nun ist der RFC bundesweit der mit Abstand schlechteste Oberligist. Besuch bei einem Verein, mit dem es das Schicksal nicht gut meinte.
Wen der Zufall oder ein nicht funktionstüchtiges Navigationsgerät auf die weitläufige Anlage am Damerower Weg in der Rostocker Südstadt führt, der könnte erst einmal auf den Gedanken kommen, dass der Klimawandel hier mit all seiner Härte zugeschlagen hat. Denn obwohl es hier keinen See oder Teich, ja aktuell nicht einmal eine Pfütze gibt, stehen gegenüber einem zweistöckigen gelben Funktionsgebäude drei Schilder mit der Aufschrift: "Angeln verboten". War die Heimat des Rostocker FC mit seinen zwei Naturrasenplätzen und seinem einen Kunstrasenfeld früher etwa mal ein Dorado für "Petrijünger"?
19 Spiele und 0 Punkte
Mitnichten, wie Christian Blanck erklärt: "Wir haben einen Zaun aus dem Rostocker Hafen gespendet bekommen, an dem die Schilder befestigt waren. Wir haben sie drangelassen. Wenn wir heute darauf angesprochen werden, sagen wir immer zu den Gegnern im Scherz, dass sie nicht nach unseren Spielern angeln sollen." Der 46-Jährige ist beim RFC Vereinssportlehrer, Geschäftsstellenleiter, für den männlichen Jugendbereich verantwortlich und seit der Winterpause auch Trainer des Oberliga-Teams, das auch nach 19 Partien noch immer auf den ersten Punktgewinn wartet.
Blanck, seit 1986 im Verein, hat in dieser Funktion die Nachfolge des früheren Bundesliga-Profis Jens Dowe angetreten. Der hatte ebenso wie vor ihm in dieser Saison bereits Jan Kistenmacher ob der mangelnden Qualität der Mannschaft desillusioniert aufgegeben. Mit dem aktuellen Rostocker Kader in der starken NOFV-Oberliga Nord einen Zähler zu gewinnen, es erschien ihnen ähnlich aussichtslos wie auf der Anlage am Damerower Weg einen Fisch zu fangen.
Investor aus Ghana ermöglichte Aufschwung
Dabei liegen die Zeiten gar nicht lange zurück, als die Konkurrenz noch neidisch auf den RFC blickte und der Club 2023 als Oberliga-Zweiter nur haarscharf am Sprung in den semiprofessionellen Fußball vorbeischrammte. Im selben Jahr qualifizierten sich die Mecklenburger durch den Gewinn des Landespokals zudem für den DFB-Pokal. Möglich gemacht hatte den Aufschwung ein Mann namens Richard Kings Atikpo.
Der Unternehmer aus Ghana, in seiner Heimat bereits Besitzer des Vereins Cities Football Club, pumpte viele Pedrodollar in den Amateurclub. Was sich der in der Öl- und Energiebranche tätige Geschäftsmann davon versprach? Darüber rätseln sie noch heute am Damerower Weg. "Was der Investor genau bezwecken wollte, das müsste man ihn mal selbst fragen. Ich weiß es nicht genau", sagt Blanck, der seinerzeit im Vorstand saß.
Der Sprung in den semi- oder gar professionellen Fußball war für den RFC aus infrastrukturellen Gründen jedenfalls komplett illusorisch. "Im Verein waren wir uns sicher, dass die Regionalliga hier auf der Anlage nicht zu stemmen ist", erklärt Blanck.
Was hatte Investor Atikpo in Rostock vor?
Geld verdienen konnte Atikpo mit dem Rostocker FC also nicht, was die ohnehin skurrile Geschichte noch verrückter macht. Vielleicht wusste der Unternehmer auch gar nicht so genau, auf was er sich da im Jahr 2020 einließ, als ihn sein Landsmann Hope Doagbodzi nach Rostock lotste. Der Mittelfeldakteur kickte seinerzeit bei den Mecklenburgern, die gerade erstmals in in die Oberliga Nord aufgestiegen waren, und stellte den Kontakt her. Atikpo steckte viel Geld in die einige Monate zuvor gegründete Spielbetriebs GmbH und ermöglichte so die Verpflichtung von vielen höherklassig erfahrenen Spielern und später auch von Coach Christiano Adigo, einem Ex-Profi und früheren Nationalspieler Benins.
Aber nicht nur in Beine, sondern auch in Reifen wurde investiert. Besser gesagt in einen Mannschaftbus. Und zwar den vormaligen des FC Hansa Rostock. Der RFC, der jahrelang primär für seine ausgezeichnete Jugendarbeit gestanden hatte, war plötzlich mit seiner Herrenmannschaft auf der Überholspur. "Es war erfolgreich, aber nicht nachhaltig. So sind unsere damaligen guten Nachwuchsspieler zu den umliegenden Vereinen gewechselt, weil sie keine Chance hatten, im Ligateam zu spielen", sagt Blanck.
RFC wird Vizemeister und Landespokalsieger
Mit Fußballern aus aller Welt - unter anderem Zypern, Israel und Chile - ging es drei Jahre lang bergauf. Auf der Anlage am Damerower Weg mit ihrem morbiden Charme der 1970er Jahre wurde toller Fußball geboten und in der Saison 2022/2023 mit Rang zwei in der Oberliga und dem Gewinn des Landespokals der größte Erfolg nach der Wiedervereinigung gefeiert.

Der größte Erfolg des RFC nach der Wiedervereinigung: 2023 holte der Club den Landespokal.
Im fernen Ghana und dort im speziellen bei Investor Atikpo lief es derweil nicht mehr rund. Der Unternehmer hatte geschäftliche Probleme, sodass einige Rostocker Spieler auf ihre für Fünftliga-Verhältnisse dem Vernehmen nach sehr üppigen Aufwandsentschädigungen warteten. Atikpo zahlte dann zwar noch einmal eine größere Summe. "Aber Irgendwann hieß es dann, da kommt nichts mehr, der ist nicht mehr da, keiner findet ihn - das ist vorbei", erinnert sich Blanck.
DFB-Pokalspiel gegen Heidenheim kurzer Rettungsanker
Der RFC wäre nach dem dubiosen Verschwinden seines Geldgebers wohl schon im Sommer 2023 sportlich nicht mehr konkurrenzfähig gewesen, wenn er nicht die Einnahmen aus dem Erstrundenspiel des DFB-Pokals gegen den 1. FC Heidenheim gehabt hätte. Die Partie vor 3.500 Zuschauern im Ostseestadion des FC Hansa ging zwar mit 0:8 verloren, spülte aber immerhin die Garantie-Summe von rund 150.000 Euro in die Kasse.
So konnte zumindest die erste Oberliga-Saison nach dem Abgangs Atikpos durch den Verein ordentlich finanziert werden. Die Spielbetriebs GmbH befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Insolvenzverfahren.
"Irgendwann hieß es dann, da kommt nichts mehr, der ist nicht mehr da, keiner findet ihn - das ist vorbei.""
— RSV-Coach Christian Blanck über das Verschwinden des Investors
Der Klassenerhalt wurde als Tabellen-14. aber verfehlt. Zumindest auf sportlichem Weg. Denn weil es zu wenige Clubs gab, die aufsteigen wollten, musste der Rostocker FC laut der Spielordnung des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) in der Oberliga bleiben. Als Alternative gab es noch den Rückzug, der einen Neubeginn in der untersten Spielklasse mit sich gebracht hätte.
"Das war für uns keine Option. Dann wäre alles auseinandergebrochen und die besten Nachwuchsspieler hätten uns verlassen. Deswegen ist es vielleicht nicht so doof, jetzt mal eine Saison die Arschbacken zusammenzukneifen", sagt Blanck.
Zweistellige Pleite in Überzahl gegen den Vorletzten
Dass diese Oberliga-Spielzeit ein absolutes Himmelfahrtskommando werden würde, war allen Verantwortlichen bewusst. Denn Geld aus Ghana gibt es nicht mehr. Und die Einnahmen aus dem DFB-Pokal sind alle aufgebraucht. "Bei uns bekommt kein Spieler einen Cent", erklärt Blanck. Und weil beim RSV gezwungenermaßen Schmalhans Küchenmeister ist, gibt es für die blutjunge Mannschaft Woche für Woche gepfefferte Pleiten. So ging zuletzt selbst die "Mutter aller Kellerduelle", die Partie beim Vorletzten SV Grün-Weiss Ahrensfelde, mit 1:12 verloren. Wohlgemerkt: Rostock spielte über 50 Minuten in Überzahl.

Coach Christian Blanck muss eine blutjunge Mannschaft aufs Feld schicken.
Aber in einer Spielklasse mit finanziell potenten Traditionsclubs wie Tennis Borussia Berlin oder dem BFC Preußen und der Hansa-Reserve gibt es außer Erfahrung für das Low-Budget-Team von Blanck nichts zu gewinnen. Demoralisieren lassen sich die Rostocker Jungspunde dennoch nicht.
"Wir haben den Jungs in der Winterpause mitgegeben, dass wir diese Halbserie jetzt als Lernprozess sehen, als längste Vorbereitung in der Geschichte auf die Verbandsliga. So schaffen wir es auch, die Jungs zu motivieren. Sie haben viel Lust zu lernen", erklärt der Coach.
"Abstiegswunsch" erfüllt sich im Sommer endlich
Elf Partien muss der RFC noch bis zum Saisonende überstehen. Dann dürfen die Mecklenburger mit einem Jahr Verspätung auch endlich absteigen. Denn der Tabellenletzte muss in jedem Fall in die Verbandsliga runter. Und in Liga sechs wollen sich die Rostocker "neu aufstellen", wie Teammanager Andreas Waschk es formuliert. Der jetzige Kader soll dabei mit einigen erfahrenen Spielern verstärkt werden. "Wir wollen wieder fester Bestandteil der Verbandsliga werden und so viele Spieler wie möglich aus der eigenen Jugend integrieren", ergänzt Blanck.
Der 46-Jährige selbst möchte sich im Sommer wieder in den Nachwuchsbereich zurückziehen. Mit einem neuen Coach soll eine neue Zeitrechnung am Damerower Weg eingeläutet werden. Eine Zeit ohne Investoren-Geld und Aufstiegsträume. Die Bäume werden dort nicht mehr in den Himmel wachsen, wo das Angeln verboten ist...
Dieses Thema im Programm:
Sportclub | 09.03.2025 | 22:50 Uhr