NDR-Sport Blaue Karte - Kommt die Zeitstrafe im Fußball?
Im Fußball wird aktuell über die Blaue Karte diskutiert - eine Form der Zeitstrafe. Die IFAB, die Regelhüter des Sports, könnten am Sonnabend die Möglichkeit von Tests beschließen. Alexander Feuerherdt, Kommunikationsleiter der DFB Schiri GmbH, hält das im NDR Gespräch für wahrscheinlich.
Taktische Fouls, nicklige Zweikämpfe, hitzige Wortgefechte - die Emotionen im Hamburger Stadtderby zwischen dem FC St. Pauli und dem HSV kochen hoch, bis der Schiedsrichter durchgreift. Er zeigt Elias Saad und Laszlo Benes die Blaue Karte. Für die beiden heißt es: zehn Minuten abkühlen. Was aktuell Fiktion ist und für Fußballfans merkwürdig klingt, könnte in Zukunft aber Normalität werden.
IFAB diskutiert über die Blaue Karte im Fußball
Die Regelhüter des International Football Association Boards (IFAB) diskutieren am Sonnabend in der Nähe des schottischen Glasgow darüber, das Farbspektrum der Unparteiischen zu erweitern. In Anlehnung an Handball, Eishockey, Rugby oder Feldhockey könnten Sünder dann auch im Fußball Zeitstrafen absitzen müssen.
Nach den Debatten um Handspiel-Auslegung oder Video-Referees könnte es also erneut eine Diskussion mit Aufregerpotenzial geben. Feuerherdt, seit Juli 2023 Leiter der Kommunikation und Medienarbeit der DFB Schiri GmbH, erklärt: "Die Regelhüter des IFAB greifen oft und gerne internationale Diskussionen und Eingaben von Nationalverbänden auf." Doch was steckt hinter den Plänen?
"Die Tests sind freiwillig. Das IFAB stellt ein Testprotokoll bereit, das von den Ligen und Verbänden angewendet werden kann."
— Alexander Feuerherdt, Kommunikationsleiter der DFB Schiri GmbH
Zunächst mal, ordnet Feuerherdt ein, gehe es zum jetzigen Zeitpunkt "nicht um eine Regeländerung", sondern darum, dass der Einsatz einer Blauen Karte erprobt werden kann. "Die Tests sind freiwillig. Das IFAB stellt ein Testprotokoll bereit, das von den Ligen und Verbänden angewendet werden kann."
Es könnten dann gegen Spieler Zeitstrafen verhängt werden, wenn sie etwa durch ein minder schweres Foul eine klare Torchance verhindert haben oder Offizielle verbal attackieren. Die Blaue Karte wäre eine Zwischenstufe zwischen Gelber und Roter Karte. Zwei Blaue Karten für den gleichen Akteur sollen zu einer Roten Karte führen, wie auch eine Blaue und eine Gelbe Karte einen dauerhaften Platzverweis zur Folge hätten.
Beruhigung etwa bei Rudelbildung
"Die Blaue Karte diversifiziert die persönliche Strafe", findet Feuerherdt, der selbst seit vielen Jahren Schiedsrichter im Amateurbereich ist. "Es wird anspruchsvoller für die Schiedsrichter, gibt aber auch mehr disziplinarische Möglichkeiten." Eine Einschätzung, die DFB-Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich teilt. "Ich selber habe in der Vergangenheit in der Oberliga noch mit der Zeitstrafe Erfahrungen gemacht, als die in Deutschland noch möglich war" - und sie als positiv empfunden, wie der langjährige Bundesliga-Schiedsrichter unlängst sagte.
Der Vorteil sei, "dass man gerade im Bereich der Unsportlichkeiten und bei Fouls, die sich nicht hundertprozentig einordnen lassen, zwischen Feldverweis und Gelber Karte ein Zwischeninstrument hat". Es könne durchaus zur Beruhigung beitragen etwa bei Rudelbildung.
Doch das sehen nicht alle so. Liverpool-Coach Jürgen Klopp etwa äußerte: "Es wird die Diskussionen geben: War es eine Blaue Karte? Sollte es eine Gelbe Karte sein? Jetzt ist es eine zehnminütige Herausstellung. In den guten alten Zeiten wäre es eine Rote Karte gewesen", beschrieb der Erfolgstrainer seine Sorge vor neuen Dauerdiskussionen.
"Dann muss ein Schiedsrichter ein Gucci-Täschchen mitrumtragen, damit er die ganzen Karten unterbringt."
— Alexander Zorniger, Trainer von Greuther Fürth
Unterstützung bekam er von Alexander Zorniger, Trainer des Zweitligisten Greuther Fürth, der ironisch anmerkte: "Dann muss in der Zwischenzeit ein Schiedsrichter ein Gucci-Täschchen mitrumtragen, damit er die ganzen Karten unterbringt." Doch es gibt auch Fürsprecher unter den Coaches. Hoffenheims Pellegrino Matarazzo sagte: "Ich fände es tatsächlich gut, so eine gewisse Flexibilität zu haben. Eine Gelb-Rote Karte ist sehr hart und oft entscheidend im Spiel." Auch im Anschluss eine Sperre zu haben, sei eine harte Strafe.
Die Idee von Zeitstrafen in der Bundesliga ist nicht neu
Die Diskussionen um Zeitstrafen im Fußball sind dabei nicht neu. Vor rund 40 Jahren, 1983, erzählt Feuerherdt, habe es in der Bundesliga Bestrebungen in diese Richtung gegeben - und sogar einen Beschluss. Eingeführt wurden die Zeitstrafen aber nie, da die FIFA dagegen gewesen sei. Und so sind sie bis heute nur Teil des Jugend- und Amateurfußballs, wo Strafen von fünf und zehn Minuten Zwangspause verhängt werden können.
Mit Blick auf das IFAB-Treffen am Sonnabend sagt Feuerherdt: "Ich gehe davon aus, dass das verabschiedet werden wird." Und hinsichtlich des Fußballs hierzulande ergänzt er: "Die Blaue Karte wird es kommende Saison nicht im deutschen Profi-Spielbetrieb geben."
Wie entscheiden die Regelhüter der IFAB?
Er sagt aber auch, dass "wir uns dem nicht verschließen". Man werde "intern und mit am Fußball Beteiligten sprechen, der Ausgang ist offen". Wichtig sei es, "die Clubs in den Tests" mitzunehmen: "Von oben zu sagen 'Wir machen das jetzt', ist sicher nicht möglich." In der Diskussion könnten sich "Aspekte pro und contra ergeben".
Denn eines ist für ihn klar: "Es gibt Unklarheiten, die ausgeräumt werden müssten." Etwa, ob die Blaue Karte taktisch eingesetzt werden könnte. Und Fröhlich hat Fragen hinsichtlich der konkreten Gestaltung: "Weil man dann vielleicht noch zusätzliche Leute braucht und eine Strafbank wie beim Eishockey. Das halte ich dann organisatorisch für etwas schwieriger, auch wie das Publikum dann reagiert."
Und dennoch könnte am Sonnabend ein Schritt in Richtung von Zeitstrafen erfolgen. Der Ball liegt bei den Regelhütern der IFAB und die Fußballwelt blickt nach Schottland.
Dieses Thema im Programm:
Sport aktuell | 28.02.2024 | 11:17 Uhr