Kur Kuath wirft.

Basketballer in Hamburg Towers-Riese Kur Kuath und der weite Weg zum Glück

Stand: 17.03.2025 10:23 Uhr

Seine Familie war bettelarm und flüchtete vor dem Krieg im Sudan. Kur Kuath studierte und wurde als Basketballer entdeckt. Nun spielt er für die Hamburg Towers in der Bundesliga und träumt von der NBA und Olympia 2028.

Von Andreas Bellinger und Tom Gerntke

Das fröhliche Lächeln, das er fast immer zeigt, war auf einmal verflogen. Die bittere Niederlage (81:99) im Nord-Duell gegen die Baskets aus Oldenburg nagte an Kur Kuath. Die Enttäuschung über die am Ende indiskutable Leistung der Hamburg Towers konnten auch die 16 Punkte des aus dem Südsudan stammenden Basketballers nicht lindern. Was auch immer die Hansestädter im Schlussviertel versucht hatten, der Korb war wie vernagelt, während sie von den entfesselt aufspielenden Gastgebern mit einer 23:0-Aufholjagd vorgeführt wurden.

"Das war natürlich nichts", ärgerte sich der 2,08 Meter große Center im Gespräch mit dem NDR Sportclub. Aber bei allem Frust weiß Kuath aus eigener Erfahrung nur zu gut, dass es weit Schlimmeres im Leben gibt. Auch wenn die möglicherweise schon verpassten Play-Ins ein sportlicher Rückschlag für den nur auf Tabellenplatz 13 postierten Club aus Wilhelmsburg sind. Doch was bedeutet das schon im Vergleich mit den Ängsten und Widernissen, die seine Eltern kurz vor der Jahrtausendwende im von Krieg und Unruhen gebeutelten Sudan durchlebt haben?

Als Säugling auf der Flucht

Als Kur, der am 12. August 1998 in der Hauptstadt Khartum zur Welt kam, ein Jahr alt war, flüchtete seine Familie nach Ägypten und kam schließlich nach Salt Lake City in die USA. "Dort habe ich 20 Jahre gelebt, und meine Familie lebt noch immer dort", sagt er und schiebt sofort hinterher: "Das ist meine Heimat, aber im Moment ist es natürlich Hamburg." Er fühle sich wohl in der Hansestadt und sei froh, aus der zweiten spanischen Liga (Meister mit ICG Forca Lleida) im Sommer in die Basketball-Bundesliga gewechselt zu sein. Und die Towers sind es auch.

Shotblocker mit Highlight-Potenzial

"Er spielt mit sehr viel Energie an beiden Enden des Feldes und macht permanent Druck auf den Ring", so Benka Barloschky. Der Headcoach konnte sich rasch davon überzeugen, welch "zielstrebigen und zugleich geerdeten jungen Mann" er in sein Team bekommen hat. Geschäftsführer Marvin Willoughby ("Kur besitzt einen großen inneren Motor und verleiht dem Team viel Präsenz unter den Körben") ist nicht minder angetan von dem sprungstarken Akteur, dem rasch der Ruf eines Highflyers und Shotblockers mit Highlight-Potenzial anhaftete.

Eine Traumkarriere in einem anderen Leben, könnte man meinen. Aber Kur Kuath hat nichts vergessen von dem, was er heute als "das Schlimmste vom Schlimmsten" bezeichnet. Nach der Flucht nach Ägypten sei die Familie die ersten Monate obdachlos gewesen, habe in einer Kirche Zuflucht gefunden. "Das hat mich bis heute extrem geprägt", sagt er und sein Lächeln wirkt nachdenklich und ein bisschen verlegen.

20 Kinder und mehr in einer Wohnung

Auch der Start in Utah war für die Familie wenig verheißungsvoll - ohne (Aus-)Bildung, ohne Job, ohne Geld. "Zwischenzeitlich waren wir 20 Kinder und mehr in der Wohnung. Wir hatten nichts, gleichzeitig aber auch alles, was wir brauchten; haben alles zusammen durchgemacht und miteinander geteilt." Eine gute Lehre in Sozialkunde, was ihm später im Studium wohl nützlich war. Kur und seinen vier Geschwistern sollte es an nichts fehlen, und so schufteten die Eltern für ein besseres Leben - und sorgten dafür, dass der großgewachsene Sohn nicht nur studieren konnte (mit Abschluss in Business Administration und Soziologie), sondern am College sowie in Griechenland, Spanien und jetzt in Hamburg zum talentierten Basketballer wurde.

Basketball als Türöffner

"Basketball hat mir eine Menge Türen und Fenster geöffnet für mein ganzes Leben. Der Sport hat mir geholfen, der Mann zu werden, der ich heute bin", sagt Kuath, der inzwischen sogar zum Nationalspieler des Südsudan berufen wurde. Der jüngste Staat der Erde ist seit 2011 unabhängig vom Sudan, aber ebenfalls geprägt von politischen Unruhen. Die rund elf Millionen Menschen leben meist in bitterer Armut und leiden vielfach Hunger. Aber es gibt eine Basketball-Nationalmannschaft, die bei Olympia in Paris zwar als Gruppen-Dritter hinter den USA und Serbien ausschied, als einziger Vertreter Afrikas aber für Furore sorgte.

"Nach all den Jahren voller Krieg und Gewalt gab es wenig, auf das man stolz sein konnte", so Kuath. "Während der Spiele geschah etwas Wunderschönes: Alles stand für einen Moment still, Frieden kehrte im Land ein." Und noch etwas sei passiert. Im Laufe der Jahre habe er nämlich "den Bezug zu meinen Wurzeln ein wenig verloren. Erst als ich in den Südsudan zurückgekehrt bin, konnte ich der Kultur wieder nahekommen und sie neu kennenlernen." Wenn er irgendwann in Rente gehe, so der 26-Jährige, wolle er in den Nordwesten des Landes heimkehren, wo ein großer Teil seiner Familie lebt, und in Biemnom sesshaft werden.

Kuath: Mein Land zu repräsentieren, bedeutet mir alles

Jeder habe seine eigene Geschichte über Flucht und wie es ist, Flüchtling zu sein. "Wer nichts hat, blickt anders aufs Leben. Ich habe gelernt, die kleinen Dinge zu lieben", sagt er. Dass er bei Olympia nicht dabei war? Nicht so schlimm. "Ich habe es extrem genossen, ihnen zuzuschauen. Diese Jungs sind meine Brüder. Ich war so stolz auf sie."

Inzwischen gehört auch Kur Kuath dazu - und träumt schon von Olympia 2028 in Los Angeles. "Nationalspieler zu sein, mein Land zu repräsentieren, bedeutet mir alles." Und natürlich will er auch in die NBA. So viel erreichen wie möglich ist sein Ziel: "Dafür habe ich lange hart gearbeitet. Jetzt bekomme ich den Respekt dafür."

Dieses Thema im Programm:
Sportclub | 16.03.2025 | 22:50 Uhr