Eine Spielunterbrechung wegen Pyrotechnik.

Fußball Nach Ausschreitungen im Thüringen-Derby: Sicherheitsvorkehrungen bei Spiel Jena - Erfurt verschärft

Stand: 04.09.2024 06:55 Uhr

Es ist das brisanteste Spiel im Fußballkalender in Thüringen: FC Carl Zeiss Jena gegen FC Rot-Weiß Erfurt. Das vergangene Derby im März war von Ausschreitungen geprägt. Ein neues Sicherheitskonzept im fertigen neuen Stadion soll derartige Vorfälle verhindern. Die Polizei ermittelt weiterhin wegen schweren Landfriedensbruchs und Betrugs. Dutzende Tatverdächtige konnten ermittelt werden, es laufen 60 Strafen- und Ordnungswidrigkeitsverfahren.

Von Jana Maier, MDR INVESTIGATIV

Das zweite Thüringen-Derby des Jahres zwischen Carl Zeiss Jena und Rot-Weiß Erfurt sorgte bereits im Vorfeld für Diskussionsstoff. Nach zahlreichen Gesprächen zwischen Stadt und Fußballverband findet es jetzt am Mittwoch um 19 Uhr statt.

Hintergrund der Verlegung war zunächst eine Ansetzung auf das Wochenende der Landtagswahl in Thüringen. Aufgrund zahlreicher Demonstrationen hätte das Risiko-Spiel durch die Polizei aber nicht entsprechend abgesichert werden können.

Ausschreitungen überschatten vergangenes Thüringen-Derby in Jena

Das vergangene Derby - am 16. März 2024 - war von zahlreichen Ausschreitungen vor und während des Spiels überschattet. Bereits im Zuge der Fanmärsche von Erfurt und Jena war mehrfach Pyrotechnik gezündet worden.

In der zweiten Halbzeit flog Signalmunition aus dem Block der Erfurter in die Ränge der Jena-Fans. Mitten in einen Block mit Familien und Kindern. Verletzt wurde zum Glück niemand. Das Spiel musste zwischenzeitlich für 20 Minuten unterbrochen werden. Laut Polizei befanden sich mindestens 70 gewaltsuchende Fußballfans unter ihnen. Darunter auch Mitglieder der Neonazi-Hooligan-Gruppe "Jungsturm".

Krawalle bei Thüringen-Derby: Verfahren eingeleitet

Wer zum vergangenen Derby noch alles ins Stadion gelangte, belegen Aufnahmen des MDR. Mehrere Männer mit Bekleidung der bulgarischen Neonazi-Hooligan-Gruppe "Animals Sofia" befanden sich unter den Erfurter Fans im Gästeblock. Mutmaßlich betraten sie das Stadion mit kopierten Tickets. Befreundete Security-Mitarbeiter sollen die Neonazi-Hooligans nach Informationen von MDR Investigativ ins Stadion "durchgewunken" haben.

Auch nach dem Spiel kam es auf dem Gelände des Ernst-Abbe-Sportfeldes zu weiteren Straftaten. Zu den Vergehen zählen Stein- und Flaschenwürfe in Richtung von Polizeibeamten.

35 Tatverdächtige ermittelt - 60 Verfahren eingeleitet

Die Ermittlungen laufen noch, sagt Daniel Müller von der Landespolizeiinspektion Jena. "Es wurden insgesamt 60 Strafen- und Ordnungswidrigkeitsverfahren konstatiert und aufgenommen. Bisher konnten 35 Tatverdächtige bekannt gemacht werden."

Insbesondere zu den Landfriedensbrüchen durch Heim- als auch Gäste-Anhänger dauern noch Ermittlungen an. Solange die nicht abgeschlossen sind, könne man auch keine weiteren Informationen nennen. Zuständig ist die Staatsanwaltschaft in Gera.

Darüber hinaus wurden fünf Stadion-Verbote für RWE-Anhänger ausgesprochen, wie FCC-Pressesprecher Andreas Trautmann mitteilte.

Carl Zeiss Jena vs. Rot-Weiß Erfurt – Countdown für das Thüringenderby läuft

Fußballvereine zu hohen Geldstrafen verurteilt

Nach dem Derby entzündete sich eine Debatte um notwendige und versäumte Sicherheitsvorkehrungen. In einer gemeinsamen Pressemitteilung distanzierten sich beide Fußballclubs deutlich vom Verhalten vereinzelter vermeintlicher "Anhänger". Sie verurteilen das "unmenschlich und zutiefst unsportliche Verhalten".

Hier stehen wir in engem Austausch mit der Stadt Jena und dem Verein. Daniel Müller | Polizeiinspektion Jena

Vom Sportgericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) wurden die Fußballclubs jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt. Rot-Weiß Erfurt musste rund 18.000 Euro, Carl Zeiss Jena etwa 14.000 Euro zahlen. Jena wollte einen Teil davon in Präventionsprojekte investieren, um künftige Ausschreitungen zu verhindern. Ein neues brandfestes Netz für den Gästeblock wurde davon bereits angeschafft.

Verbessertes Sicherheitskonzept für das anstehende Derby

Zwischen beiden Vereinen, der Stadt Jena und den Sicherheitskräften gab es schon mehrere Abstimmungen bezüglich des Sicherheitskonzeptes. "Hier stehen wir in engem Austausch mit der Stadt Jena und dem Verein", sagt Daniel Müller von der Landespolizeiinspektion Jena. "Aufgrund der bekannten Fanfeindschaft und den Erfahrungen aus dem letzten Spiel wurde das Sicherheitskonzept angepasst."

Zugang für gewaltbereite Gästefans wird erschwert

Inzwischen wurden Drehkreuze für den Gästeeingang eingebaut. Damit soll der Zugang mit gefälschten Tickets nicht mehr möglich sein.

Der FCC-Sicherheitsbeauftragte Marcel Kalisch teilte MDR THÜRINGEN mit, dass auch der Sicherheitsdienst ausgetauscht wurde. So soll verhindert werden, dass befreundete Security-Mitarbeiter Gäste-Anhängern Zutritt zum Stadion gewähren.

Knackpunkt: Fantrennung der verfeindeten Gruppen

Außerdem sei Rot-Weiß Erfurt angehalten, die Tickets nur an Vereinsmitglieder zu verkaufen. Wie RWE-Pressesprecher Michael Cebulla mitteilte, sollen die Tickets außerdem personalisiert sein.

Weitere Vorkehrungen wurden auch in Jena getroffen. FCC-Pressesprecher Andreas Trautmann sagte, "Dazu gehört auch, nach den Ereignissen beim letzten Derby entsprechende Schlüsse zu ziehen und dass vor allem die Fantrennung an den besonders neuralgischen Punkten im Stadion betrifft, dort baulich nochmal nachzujustieren. Das gilt zum einen für die Pufferblöcke, aber zum anderen eben auch für entsprechende Maßnahmen, wie das Überwinden von Absperrungen und Fantrennungen bestmöglich zu verhindern bzw. deutlich zu erschweren. Also das, was möglich ist, tun wir."

Eine Ecke des Gästeblocks, an der beim vergangenen Derby Fans beider Vereine versucht haben, über die Absperrungen zu gelangen, soll jetzt mit einer größeren, übernetzten Pufferzone bedacht werden. Laut Kalisch sei es nur schwer möglich, diese zu übersteigen. Im letzten Jahr war dort noch eine Plastikplane, die kein Hindernis für aggressive Jena-Anhänger darstellte.

Das neue Stadion im Jenaer Ernst-Abbe-Sportfeld ist am Mittwoch mit rund 12.000 Besuchern auch unter den gegebenen Sicherheitsbedingungen restlos ausverkauft. Die Vereine freuen sich jedenfalls auf ein packendes Derby und hoffen auf faire Szenen auf und neben dem Platz.

MDR (jm,cfr,mam)