Das Team von Syntainics MBC jubelt in der Kabine

Historischer Pokal-Sieg "Nicht für möglich gehalten" – Das Märchen des Syntainics MBC

Stand: 17.02.2025 11:49 Uhr

Der Syntainics MBC aus Weißenfels erlebt ein Wochenende wie im Märchen und krönt sich in der heimischen Stadthalle zum BBL-Pokalsieger. Die Protagonisten sind überwältigt. Für Martin Geissler und Co. ist es der kaum zu fassende Höhepunkt einer über zwei Jahrzehnte langen Aufbauarbeit.

Im Moment des schier unglaublichen Triumphs erinnerte sich Akeem Vargas an ein Gespräch, das er vor einiger Zeit mit Klub-Gesellschafter Christian Zeidler in der Weißenfelser Stadthalle führte. "Meinst du wirklich, dass es passiert?", habe Zeidler den seit vergangenem Sommer in MBC-Diensten aktiven Ex-Nationalspieler gefragt, woraufhin Vargas schon damals voller Überzeugung entgegnete: "Ja, ich glaube, dieses Jahr ist das Jahr."

Michael Devoe und Filip Stanic

Michael Devoe (li.) erzielte in den beiden K.o.-Duellen des "Top Four" insgesamt 49 Punkte und wurde zum wertvollsten Spieler des Wochenendes gekürt.

"Noch größer als der Europapokalsieg"

Am frühen Sonntagabend des 16. Februar 2025, nachdem die Schlusssirene den 97:87-Finalsieg über die Bamberg Baskets besiegelt hatte, war Vargas' tollkühne Prophezeiung nach einem denkwürdigen "Top Four"-Wochenende also tatsächlich wahr geworden: Der Syntainics MBC aus dem gut 39.000 Einwohner zählenden Weißenfels mit einem der wohl kleinsten Etats aller BBL-Klubs ist Deutscher Basketball-Pokalsieger.

"Die letzten beiden Tage waren absolut beeindruckend" – Die Stimmen zum BBL-Pokalsieg des MBC

"Es ist unglaublich, dass wir die erste ostdeutsche Mannschaft mit einem nationalen Titel sind. Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass wir sowas schaffen. Die ganze Basketballregion in den neuen Bundesländern kann stolz darauf sein. Das ist ein Zeichen für die Entwicklung der letzten Jahre. Ich würde es noch größer einschätzen als den Europapokalsieg", sagte Martin Geissler. 250.000 Euro nahmen der Klub und seine Unterstützer in die Hand, um die historische Chance zu ergreifen und das selbstverständlich an beiden Tagen ausverkaufte Finalturnier in der heimischen Stadthalle auszutragen. Das Risiko erwies sich als goldrichtige Entscheidung.

Martin Geissler, Geschäftsführer Syntainics MBC mit dem BBL-Pokal

Die Krönung: MBC-Geschäftsführer Martin Geissler mit dem BBL-Pokal und einem wohlverdienten Siegergläschen.

Die Krönung von Geisslers Arbeit

Der immer noch erst 41-jährige Geissler hat den MBC in den vergangenen mehr als zwei Jahrzehnten wie kein Zweiter geprägt und ist das Gesicht der Organisation. Noch als Gymnasiast kam der gebürtige Weißenfelser am Anfang der 2000er Jahre zu den Wölfen, war Pressesprecher, als der Verein ein Starensemble um die deutschen Nationalspieler Stephen Arigbabu und Misan Nikagbatse sowie Marius Petravicius, Sebastian Machowski oder Wendell Alexis beschäftigte. 2004 gelang dem Team um den vorherigen DBB-Nationaltrainer Henrik Dettmann der auch schon sensationelle Sieg im FIBA Europe Cup – doch der Verein hatte sich längst massiv verhoben, steckte im Insolvenzverfahren und verlor die Bundesligalizenz.

MBC gewinnt BBL-Pokal

Nur die folgende Kooperation mit dem SV Halle rettete dem MBC die sportliche Existenz und die Chance auf den Neubeginn in der Regionalliga. Damit begann auch Martin Geisslers Aufstieg – zunächst als Teammanager, seit 2008 dann als Geschäftsführer und von 2016 an auch als geschäftsführender Gesellschafter des wiederbelebten Klubs. 2009 kehrte Weißenfels erstmals in die Bundesliga zurück. Nach zwei zwischenzeitlichen Abstiegen spielen die Wölfe nunmehr seit 2017 durchweg in der BBL.

Emir Mutapcic, Martin Geissler, Henrik Dettmann

Frühjahr 2004: Der damals kaum 20 Jahre alte Pressesprecher Martin Geissler an der Seite von MBC-Coach Henrik Dettmann (re.) und Alba-Trainer Emir Mutapcic (li.).

"Wir waren schon mal tot"

"Es fängt 2004 an, wo wir schon mal tot waren. Und dann haben wir den MBC zusammen wieder aufgebaut. Wir haben immer darum gekämpft, in der Liga zu bleiben. Wenn man die letzten Jahrzehnte verfolgt hat – es war nicht immer nur schön, es gab auch ein, zwei Spiele, die nicht so gut ausgegangen sind, wo wir mal ein Jahr runter mussten", ließ Geissler Revue passieren und unterstrich: "Umso mehr bedeutet es, dass sich diese harte Arbeit der letzten Jahre ausgezahlt hat. Dafür tun wir das, um am Ende auch mal einen Titel zu gewinnen. Viel mehr geht für den Syntainics MBC nicht als der deutsche Pokal."

Weißenfelser Basketballer lassen sich feiern

Dessen waren sich auch die Helden der Gegenwart bewusst: "Ich kann es immer noch nicht fassen. Das hätten wir uns nicht erträumen können. Es war schon ein unglaubliches Gefühl, in dieses Final Four reinzukommen und jetzt das Ding zu gewinnen, ich kann es gerade nicht mit Worten beschreiben", meinte der sichtlich aufgewühlte Martin Breunig. Der Center, im dritten Jahr in Weißenfels unter Vertrag, hatte sich noch am letzten Dienstag beim Ligasieg gegen Vechta den Finger ausgekugelt, wurde rechtzeitig fit und mauserte sich schon beim dramatischen 95:93-Halbfinal-Coup gegen den amtierenden Doublegewinner Bayern München zum spielentscheidenden Mann. In allerletzter Sekunde erzielte er den ultraschweren, siegbringenden Korb.

Janis Gailitis (Trainer Syntainics MBC) bekommt die Medaille verliehen.

MBC-Trainer Janis Gailitis bekommt seine persönliche Pokal-Medaille überreicht.

Gailitis-Team: Herausragende Offensive und Teambasketball

Im Endspiel bestätigte der kurz vor seinem 33. Geburtstag stehende Breunig dann die eigene Fabelleistung des Vortages (13 Punkte, neun Rebounds, drei Assists, 100 Prozent Trefferquote) und legte diesmal 16 Punkte, drei Rebounds, vier Assists sowie zwei Steals auf: "Es war sehr schwer für mich, da emotional ganz normal und auf dem Boden zu bleiben und heute mit der richtigen Energie, mit dem richtigen Fokus und der Konzentration reinzukommen. Ich habe gestern Abend alles ausgeschaltet, wollte nur ein bisschen Fernsehen gucken und Zeit mit meiner Familie verbringen", berichtete Breunig.

Rein statistisch trumpften neben Breunig nicht zuletzt Finals-MVP Michael Devoe, dem in den beiden K.o.-Spielen insgesamt 49 Punkte und zehn Assists gelangen, sowie Scharfschütze Spencer Reaves und Kapitän Charles Callison auf. Aber der eigentliche Schlüssel für das Glanzstück war der aggressive, aufopferungsvolle, uneigennützige Teambasketball samt einer herausragenden Offensivleistung, mit dem die Mannschaft des lettischen Erfolgscoaches Janis Gailitis die Konkurrenz zur Verzweiflung brachte. Schon im Halbfinale ließen die Weißenfelser 95 Punkte regnen, im Endspiel noch einmal zwei mehr – und das bei herausragenden Trefferquoten von fast 65 Prozent bei den Zweipunkt-Versuchen und über 43 Prozent von hinter der Dreierlinie. Zudem verteilten die MBC-Profis zusammen 47 Assists.

Jubeltraube nach dem knappen Sieg der Syntainics MBC im Halbfinale VIMODROM TOP FOUR 2025

Der Grundstein des Märchens: Martin Breunig (mi.), Ty Brewer (li.) und Spencer Reaves (re.) bejubeln den Sensationssieg gegen Bayern München im Halbfinale.

"Die Spieler dürfen sich ein bisschen gehen lassen"

Dementsprechend galt Martin Breunigs Fazit stellvertretend für jeden seiner Kollegen: "Mann, das war echt ein harter Weg, vor allem dieses Wochenende. München, jetzt dann auch Bamberg, wir haben irgendwie noch unsere Kräfte zusammengerauft, dafür dass wir eines der ältesten Teams sind. Auch wenn es vielleicht leicht aussah, das war es überhaupt nicht. Beide Teams haben mit den Kräften geschwindelt, aber wir haben einfach die Wege gefunden, noch mehr rauszuholen. Ich bin einfach unglaublich stolz auf diese Mannschaft."

Die Siegerehrung des Syntainics MBC

Akeem Vargas brachte es auf den Punkt: "Wir haben eine sehr geile Teamchemie, ein sehr hohes Level an Offensive und sind deswegen Pokalsieger." Sprach's – und verabschiedete sich in eine "wilde Nacht", für die der MBC einen Hallenser Club gemietet hatte. "Da dürfen sich die Spieler ein bisschen gehen lassen", verteilte Martin Geissler dann angesichts der nun dreiwöchigen Länderspielpause höchstpersönlich den Freibrief zur Sause, ehe es ab 9. März in der BBL weitergeht. Dort hat der neue Pokalsieger beste Chancen auf den Einzug in die Playoffs.

mhe