Jahresrückblick 2024 | November Der Seuchenmonat bei SC Magdeburg und RB Leipzig
In unserem SPORT-IM-OSTEN-Jahresrückblick blicken wir auf die Highlights 2024 zurück. Teil 11: Im November erleben die ambitionierten Handballer und Fußballer vom SC Magdeburg und RB Leipzig einen Monat voller Pech und Pleiten.
Die einen waren Meister, Pokalsieger und Champions-League-Finalist, bei den anderen forderte der Sport-Geschäftsführer nach dem zweimaligen DFB-Pokalsieg weitere Titel. Die Handballer des SC Magdeburg sind bereits international eine große Nummer. Die Fußballer von RB Leipzig zählen in den Deutschland seit einigen Jahren sportlich zu den Top 4.
Was beide eint sind die großen Ambitionen. Was beide ebenfalls eint: Ein Monat im Jahr 2024 zum Vergessen: Sportliche Niederlagen und Verletzungen machten den November für den SC Magdeburg zu einem echten Seuchenmonat.
Schwieriger Monat November für RBL-Trainer Marco Rose (li.) und SC-Magdeburg-Trainer Bennet Wiegert (re.).
SCM und RBL: Lange Serien reißen im November
Den vorletzten Monat des Jahres 2024 startete Magdeburg als Bundesliga-Tabellendritter, nach Minuspunkten punktgleich mit Tabellenführer Melsungen. Magdeburg war noch im DHB-Pokal dabei, in der Champions League war die direkte Viertelfinal-Quali in Reichweite. Sechs November-Spiele und vier Niederlagen später war der SCM aus dem DHB-Pokal geflogen, in der Bundesliga auf Rang fünf abgerutscht, der Rückstand auf die direkte Viertelfinal-Quali in der Champions League war auf fünf Punkte angewachsen. Und eine lange Serie riss: Nach 30 Bundesliga-Heimspielen in Serie verlor der SCM wieder vor eigenem Publikum.
Noch stärker die Ergebniskrise bei RB Leipzig. Ende Oktober war RB Leipzig als Tabellenzweiter noch punktgleich mit und ärgster Verfolger von Spitzenreiter Bayern München. Die Leipziger hatten die beste Abwehr der Liga, RBL-Torhüter Peter Gulacsi blieb 510 Minuten ohne Gegentor und stieg damit in der ewigen Bundesliga-Liste auf Rang sieben auf. Zudem gingen die Leipziger mit der Monsterserie von saisonübergreifend 19 Bundesliga-Spielen und elf Heimspielen in Serie ohne Niederlage in den November.
RBL-Coach Rose spürt, "was Gegenwind bedeutet"
In dem lichtarmen Schmuddelmonat sah dann auch RB wenig Licht. Keines der sechs November-Spiele konnten die Leipziger gewinnen. Nur einen Punkt holte das Team von RBL-Coach Rose. Bis zum Gastspiel in Dortmund am 2. November kassierte RB in acht Spielen nur drei Gegentore, im November musste Torhüter Gulacsi dann 15 (!) Mal hinter sich greifen. Negativhöhepunkt war dabei das 1:5 gegen den VfL Wolfsburg. RB rutschte in der Tabelle auf Rang vier ab, der Rückstand zu den Bayern wuchs auf neun Zähler. In der Champions League war das Vorrunden-Aus nach fünf Niederlagen in fünf Spielen praktisch besiegelt. Nach 26 Monaten als RB-Coach schien Marco Rose Ende November kurz vor seinem Rauswurf zu stehen. Später sprach der Coach davon dass er in dieser Phase "so richtig gespürt" habe, "was Gegenwind bedeutet" habe.
SCM-Tiefpunkt: Spiel in Zagreb
Sowohl der SC Magdeburg als auch RB Leipzig waren in dieser Phase weit entfernt von ihren Bestleistungen. Beim SCM war die Offensivschwäche erschreckend. Am Ende einer Woche mit vier Niederlagen in Kiel, Melsungen, Zagreb und Hannover konstatierte Trainer Bennet Wiegert "maximale Verunsicherung" in der Mannschaft. Um sein Team zu schützen, nahm der Coach die 18:22-Niederlage in Zagreb "auf meine Kappe". In dem Spiel – einem der schwächsten SCM-Partien der letzten Jahre – verwandelte der SCM nur 39 Prozent seiner Torwürfe.
RBL: Keine Torschüsse, kaum Kilometer, Zweikampf-Schlusslicht
Auch bei RB Leipzig schwächelte die Offensive im November. Nur sechs Tore gelangen im gesamten Monat. Und auch weitere Statistiken geben einen Einblick in die Schwäche der Leipziger: Sowohl bei den Torschüssen als auch bei der Laufleistung rutschte das Team von Coach Rose weit hinter den Bundesliga-Durchschnitt ab – auf den drittletzten Rang der Liga. Zur Winterpause hat RB rund 100 Torschüsse weniger abgegeben (171) als Spitzenreiter Bayern (282). In allen November-Partien liefen die Leipziger weniger als der Gegner, die 111 Kilometer aus der Hoffenheim-Niederlage sind dabei die schlechteste Laufleistung. Zum Vergleich: "Lauf-Spitzenreiter" St. Pauli kommt durchschnittlich auf 121 km, die drittplatzierten Bayern noch auf durchschnittlich 118 km.
Bei den Zweikämpfen hatte RB im gesamten November keine positive Quote, war an den Spieltagen 11 (3:4 in Hoffenheim) und 12 (1:5 gegen Wolfsburg) sogar das zweikampfschwächste Team der Liga. "Es fehlt an Einsatz und Feuer, zu wenig Schärfe, zu wenig Zweikämpfe", analysierte Rose immer wieder – hier nach dem Hoffenheim-Spiel. Und wie Wiegert bezog sich auch Rose selbst in die Kritik ein: "Den Schuh muss ich mir anziehen, wenn ich es nicht schaffe, dass die Mannschaft das auf den Platz bringt."
Gründe: Dauerbelastung und Verletzungen
So ähnlich die Zahlen der Krise beim SC Magdeburg und bei RB Leipzig – so ähnlich waren auch die Gründe für die Krise: Durch Dauerbelastung und Verletzungen blieben die ambitionierten Handballer aus der Elbestadt und auch die ambitionierten Fußballer aus der Pleißestadt hinter den eigenen Erwartungen. Stichwort Belastung: Der SCM bestritt von Ende August bis zur Winterpause 30 Partien (von denen er zehn verlor), inklusive der aufwändigen Reise zur Klub-Weltmeisterschaft nach Ägypten. RB Leipzig musste von Mitte August bis zur Winterpause in 24 Pflichtspielen ran (von denen man ebenfalls zehn verlor). Viele SCM-Handballer hatten durch Nationalmannschafts-Einsätze bei Olympia keine echte Sommerpause, viele RBL-Kicker konnten durch Nationalmannschafts-Einsätze während der Europameisterschaft entweder nicht richtig regenerieren oder kamen erst spät zum Rose-Team. Hinzu kam für RBL in der Sommerpause eine USA-Trainingslagerreise, die das Image der Leipziger in den USA erhöhen sollt, aber dazu führte, dass Rose noch weniger Vorbereitungszeit mit dem kompletten Team hatte.
Rose: "Klare Zusammenhänge"
"Die Häufigkeit von Spielen für Nationalspieler, das ist too much", nannte Rose als einen Grund für das schlechte Abschneiden seines Teams im November. Der gebürtige Leipziger erklärte: "Für mich bestehen klare Zusammenhänge zwischen Verletzten bei Real Madrid, Manchester City, RB Leipzig, Borussia Dortmund und vielen anderen Vereinen." Der November wurde schließlich auch durch viele Verletzte zum Seuchenmonat: Vor dem 1:5-Debakel gegen Wolfsburg fehlten den Messestädtern sieben Spieler, darunter Nationalspieler wie David Raum, Xavi Simons oder Yussuf Poulsen. Xaver Schlager spielte gegen Wolfsburg seine ersten 13 Minuten seit Anfang Mai. Und in der Partie kam schließlich noch eine Verletzung von Castello Lukeba hinzu.
SCM: Langzeitverletzte, Abgänge, Angeschlagene
Wie Rose stellte auch Wiegert einen Zusammenhang von Belastungen und Verletzungen her. Und wie Rose musste auch der SCM-Coach flickschustern: Verletzungen von Omar Ingi Magnusson, Tim Hornke, Phillip Weber oder Felix Claar, der Weggang von Leistungsträgern wie Janus Smarason sowie nicht immer hundertprozentig fitte Spieler wie Matthias Musche, Magnus Saugstrup und Michael Damgard schwächten den SCM.
Aus der Krise mit Statement-Siegen
Trotz aller Sorgen schafften sowohl der SC Magdeburg als auch RB Leipzig den Weg aus der Krise. Und das jeweils mit Statement-Siegen. Magdeburg verschaffte sich im letzten Spiel des Novembers mit einer Kraftanstrengung gegen Barcelona (28:23) etwas Luft. RB Leipzig rettete im ersten Spiel des Dezembers mit einem Sieg sogar mutmaßlich seinem Trainer Marco Rose den Job. Im DFB-Pokal fand RB zu alter Intensität und Zweikampfstärke zurück: die zuvor siebenmal in Folge siegreiche Eintracht aus Frankfurt wurde auch dank einer überragenden Torschussstatistik von 15:2 mit 3:0 besiegt.
Mit dem Ende des Novembers endete bei Magdeburg und RB Leipzig die große Krisenzeit. Beide Klubs konnten sich in der Liga stabilisieren. Ganz ohne Sorgen ging das Jahr aber nicht zu Ende. Bitter bei RB zum Beispiel die 1:5-Niederlage im letzten Spiel des Jahres bei Bayern München, noch bitterer der Achillessehnenriss von Benjamin Henrichs. Bitter für den SC Magdeburg, dass auch Kreisläufer Oscar Bergendahl durch eine Verletzung monatelang ausfällt.
Dezember-Erkenntnis: Es gibt Schlimmeres als ein Seuchenmonat
Und geradezu unfassbar schrecklich ist der Grund, warum der SC Magdeburg seine beiden letzten Spiele des Jahres gar nicht spielte. Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg mit fünf Toten und mehr als 200 Verletzten vom 20. Dezember wurden die Partien gegen Eisenach und in Erlangen verschoben. Magdeburg brauche "Zeit und Ruhe, um die schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten", sagte SCM-Geschäftsführer Marc-Henrik Schmedt nach dem Anschlag. Und brachte damit auch zum Ausdruck, dass es weit Schlimmeres gibt, als einen sportlichen Seuchenmonat November.
Dirk Hofmeister