Viel Talent, wenig Führung Viel Talent, wenig Führung: Eintracht Frankfurt braucht einen Leitwolf
Eintracht Frankfurt fahndet weiter nach einem zentralen Führungsspieler und gerät langsam unter Zeitdruck. Wie wichtig dieser Transfer ist, zeigt ein Blick in die vergangene Saison.
Nach den von allen Seiten gefeierten Wintertransfers ließ sich auch Vorstandssprecher Axel Hellmann im vergangenen Januar zu einer etwas verfrühten Lobhudelei hinreißen. Der aktuelle Kader sei der beste seiner Vorstandszeit, frohlockte er auf der Mitgliederversammlung und heizte damit die ohnehin große Euphorie noch einmal zusätzlich an. Das Problem dabei: Die Spieler erfüllten diese Erwartungen nicht annähernd. "Ich glaube, dass es besser gewesen wäre, das überhaupt nicht so anzusprechen", sagte Hellmann mit dem Abstand eines halben Jahres der Frankfurter Rundschau.
Natürlich konnte auch Hellmann damals noch nichts von Sasa Kalajdzics Kreuzbandriss, Donny van de Beeks Leistungsloch und Hugo Ekitikés Fitnessdefiziten wissen. Das größte Problem des Frankfurter Aufgebots war aber schon damals ein anderes: Aufgrund des langen Ausfalls von Sebastian Rode und dem nahenden Karriereende von Makoto Hasebe fehlte es dem jungen und zweifelsohne talentierten Team an Führung. Die Qualität war da, die benötigte Reife noch nicht. Die Krux an der Sache: Dieses Ungleichgewicht besteht noch immer.
Die Eintracht braucht einen Leader
Da sich Rode und Hasebe inzwischen tatsächlich in den fußballerischen Vorruhestand verabschiedet haben, weiterhin aber kein neuer Leitwolf verpflichtet wurde, ist die Hierarchie im Kader weiter unfreiwillig flach. Klar, Kevin Trapp, Robin Koch oder Mario Götze haben besondere Rollen, auch Fan-Liebling Timothy Chandler sticht heraus. Einen zentralen Mann im Mittelfeld, der seine Mitspieler mitreißt, aufrichtet oder anspornt, gibt es aber weiter nicht. Der Eintracht fehlt es aktuell noch an einem Fundament.
Wozu das führen kann, zeigte die vergangene Saison eindrucksvoll. Rein fußballerisch, das bewies nicht nur das furiose 5:1 gegen den FC Bayern, waren der Mannschaft beinahe keine Grenzen gesetzt. Insgesamt war das Gebilde aber deutlich zu fragil und viele Profis zu schnell zufrieden. "Wenn wir eine richtig gute Mannschaft im Eintracht-Trikot sein wollen, dann gehört der Wille dazu, noch einen Tick besser zu sein, weil wir die eigentlichen Grenzen, die wir spielerisch mitbringen, für uns verschieben", beschrieb Hellmann den Unterschied zwischen Potenzial und realer Leistung.
Die Suche ist kompliziert
Nun ist es sicher in erster Linie die Aufgabe von Trainer Dino Toppmöller, ebendieses Potenzial bestmöglich auszuschöpfen. Auch die Spieler sollten sich regelmäßig selbst hinterfragen. Wie wichtig ein Denker und Lenker im Maschinenraum ist, bewiesen aber nicht zuletzt Toni Kroos oder der Spanier Rodri bei der EM. Klar: Einen Spieler dieses Weltklasse-Formats wird die Eintracht nicht annähernd bekommen. Ein Spieler, der ähnlich wie Kroos oder Rodri nicht nur mit den Füßen, sondern auch als Autorität überzeugt, sollte es aber schon sein.
"Natürlich brauchen wir auch erfahrene Spieler, die sogenannten Korsettstangen", betonte passend dazu Hellmann. Die Hessen, die erneut mit einem der spannendsten Kader in die Runde starten werden, benötigen einen Bessermacher und einen Orientierungspunkt für die zahlreichen jungen Talente. Dass dieser Alleskönner laut Hellmann zudem am besten "auch noch einen Eintracht-Bezug" haben sollte, macht die Suche nicht leichter. Oder, anders ausgedrückt: "Das ist eine Herausforderung."
Groß wäre der optimale Mann gewesen
Der aus Mannheim stammende Nationalspieler Pascal Groß, der ins Profil gepasst hätte und genau diese Rolle ausfüllen sollte, hat sich für einen Wechsel zu Borussia Dortmund entschieden. Grischa Prömel, aktuell bei der TSG Hoffenheim unter Vertrag, soll weiter ein Kandidat sein. Seine persönliche Verbindung zur Eintracht müsste aber wohl noch ge- oder erfunden werden. "Wir werden überlegen: Was gibt der Markt her? Und dann werden wir schon eine richtige Entscheidung treffen", beruhigte Trainer Toppmöller. Wie immer gilt: Je früher, desto besser.
Unabhängig vom Ausgang der Frankfurter Häuptling-Suche ist weiterhin auch offen, wer die Mannschaft in der kommenden Saison als Kapitän aufs Spielfeld führt. Torhüter Trapp wäre die logische Wahl. Die neue und am Dienstag offiziell auch für alle deutschen Ligen eingeführte Regel, dass nur der Spielführer mit dem Schiedsrichter reden darf, spricht jedoch eher für einen Feldspieler. Koch und Götze könnten diese Aufgabe übernehmen, ein anderer kommt aktuell nicht in Frage. Allzu viele potenzielle Führungsspieler gibt es bei der Eintracht eben einfach nicht.