NLZ-Leiter Richter zufrieden mit Entwicklung "Turnaround hingelegt": Wie Eintracht Frankfurt seine Talente fördert
Seit zwei Jahren ist Alexander Richter für die Nachwuchsfußballer der Frankfurter Eintracht zuständig, erste Erfolge lassen sich erkennen, "aber das ist erst der Anfang". Einen Hochbegabten wie Can Uzun suchen sie am Riederwald noch.
Es gibt diesen einen Fußballer, einen deutschen Nationalspieler, dessen Talent Alexander Richter nicht erkannte. U17, VfL Bochum, dort kickte Chris Führich unterm Radar. Klein und schmächtig war er nämlich, ein "guter Zocker" zwar, aber selten eingesetzt. Andere waren ihm voraus. Weit voraus. Nach nur einem halben Jahr wechselte Führich zu Rot-Weiß Oberhausen. Die Entwicklung sah Richter nicht kommen, der lange Jahre Chef der Bochumer Nachwuchsfußballer war, der Jungs wie Leon Goretzka oder Ilkay Gündogan förderte, und der mittlerweile seit zwei Jahren das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) von Eintracht Frankfurt leitet.
Er hat dort viel verändert, im Grunde den ganzen Laden umgekrempelt. "Wir haben einen Turnaround hingelegt", wie er es nennt, "sind auf einem sehr guten Weg, haben aber gleichzeitig noch sehr viel vor uns." So sehr Richter in der Verantwortung steht, so wichtig sind ihm seine Mitarbeiter. Allen voran Nino Berndroth, ebenfalls Gesprächspartner beim fast zweistündigen Termin mit dem hr-sport.
Einführung der U21 "ein Gamechanger"
Berndroth, Sohn des in der Rhein-Main-Region bekannten Ex-Trainers Ramon Berndroth (u.a. Eintracht Frankfurt, Darmstadt 98, FSV Frankfurt, Kickers Offenbach) ist Kaderplaner U17 bis U21 bei der Eintracht. Seinem Aufgabenspektrum aber wird der Titel kaum gerecht. "Nino ist in seinen Jahrgängen für viele Menschen der Ansprechpartner. Für Spieler, für Eltern, für Trainer in Sachen Kaderplanung und viele mehr", sagt Richter, "er hat im Umgang mit Menschen seine große Stärke."
Wer sich mit Richter und Berndroth unterhält, der kommt von einem ins andere. Hier die dürftige Infrastruktur am Riederwald, fehlen doch zwei, drei Plätze. Dort die Wiedereinführung der U21, "der Gamechanger", wie Berndroth sagt. Bei allem aber zieht sich eines durch: die Detailversessenheit des Duos.
Gerade die Spieler aus den höheren Jugendteams, ab der U17, kennen die beiden aus dem Effeff. Fußballerische Stärken und Schwächen, körperlicher Stand, Familienverhältnisse, Schul-Situation, aber auch die genauen Wohnsituationen. Denn: Hausbesuche kommen ab und an vor. "Dann kannst du die Charakterzüge der einzelnen Spieler viel besser einordnen", sagt Richter.
Hohe Übernahmequote von mehr als 90 Prozent
Mehr als 100 Angestellte – von Fahrern über Trainer bis hin zur NLZ-Leitung – kümmern sich um die Belange der potenziellen Profikicker. Neben Richter und Berndroth nehmen Trainer-Entwickler Alex Reifschneider und Übergangscoach Ralph Gunesch wichtige Rollen ein. Vor wenigen Tagen versammelten sich die Übungsleiter zu einer Tagung im Odenwald.
Die Spielprinzipien sollten abgestimmt werden, und "Individualisierung war ein großes Thema", wie Berndroth sagt. Heißt: Noch mehr als sowieso schon sollen die Coaches auf die persönliche Entwicklung der Spieler eingehen. Die Eintracht setzt bewusst auf eine hohe Übernahmequote, die in diesem Sommer oberhalb der 90 Prozent liegt.
Jene Jungs, die Talent haben, sollen nicht nur ein oder zwei, sondern eher drei oder vier Jahre gefördert werden. Entsprechend hat die Eintracht ihre Kadergrößen bewusst erhöht, damit keine unerwartete Entwicklung verpasst wird. Die Trainerzahl wurde ebenfalls leicht nach oben geschraubt.
Meier, Hasebe, Hahn - etliche Ex-Profis nun Trainer
Überhaupt: die Trainer. Etliche Ex-Profis hat die Eintracht angestellt. Alex Meier und Makoto Hasebe sind die prominentesten Namen, dazu aber kommen Leute wie André Hahn, Ervin Skela, Daniel Endres, Mounir Chaftar oder Patric Klandt. "Der richtige Mix ist essenziell", sagt Richter: "Wir haben einerseits, überspitzt formuliert, jene Trainer, die von der Uni kommen und konzeptionelle Dinge verinnerlicht haben. Und andererseits die Ex-Profis, die es gewohnt waren, jedes Wochenende vor 50.000 Menschen zu spielen."
Da würden nicht immer die gleichen Ideen von Fußball aufeinandertreffen, "sie dürfen und sollen sich auch gerne reiben, aber immer im Sinne des Spielers", sagt Richter.
Während bei der U17 und der U19 kaum personelle Fluktuation vonstatten geht, ist das bei der U21 anders. Ziel ist und bleibt es, Talente auszubilden für den Profifußball. Am besten für die Eintracht, logisch. Sollte das Spieler-Niveau dafür nicht reichen, dann für die zweite (Sidney Raebiger, Noel Futkeu, Elias Baum) oder dritte Liga (Dario Gebuhr) - oder gar für die belgische Liga (Nacho Ferri).
Weg zu den Profis ist möglich, "es geht immer um Qualität"
Und wie ist das denn nun, wenn die Profis millionenschwere Investitionen in externe Talente (Can Uzun, Jean-Matteo Bahoya, Krisztian Lisztes) tätigen? Etwa schlecht für das NLZ? Nein, antwortet Berndroth, denn: "Die Profis richten den Blick immer erst Richtung eigenem Nachwuchs und schauen, ob es bei uns einen Jungen gibt, der ins gesuchte Profil passt. Erst dann geht der Blick zu externen Spielern."
Die Tür zu den Profis stehe den eigenen Talenten offen. Sie müssen nur gut genug sein, um durchzugehen. "Denn es geht am Ende immer um Qualität", sagt Richter und meint: Einen Hochveranlagten wie Can Uzun konnten er und sein Team bisher nicht finden oder entwickeln. Und übersehen haben sie mutmaßlich auch noch keinen.