Nach Krawallen vor Frankfurt-Spiel Eintracht fordert genaue Prüfung des Polizeieinsatzes
Eintracht Frankfurt verurteilt die Angriffe auf Sicherheitsmitarbeiter vor dem Bundesligaspiel Frankfurt gegen Stuttgart, fordert aber auch eine Aufarbeitung des Polizeieinsatzes. Auch der DFB ermittelt.
Fußball-Bundesligist Eintracht Frankfurt hat am Montagabend (27.11.23) ein Statement zu den Ausschreitungen vor dem Spiel von Eintracht Frankfurt gegen den VfB Stuttgart am Samstag veröffentlicht. Der Verein verurteilte darin die Angriffe auf den Sicherheitsmitarbeiter und die Polizei aufs Schärfste. Mittlerweile kündigte der DFB Ermittlungen an.
Vorstandsmitglied Philipp Reschke forderte aber auch eine Aufarbeitung des Polizeieinsatzes, den es "mit Blick auf Dauer und Intensität in dieser Form zuvor noch nicht im Stadion gegeben" habe: "Etliche unbeteiligte Verletzte, deren Schilderungen Eintracht Frankfurt seit den Vorfällen am Samstagabend erreichen, bedingen eine ausführliche und selbstkritische Analyse des gesamten Einsatzes und der angewandten Einsatzmittel."
Verwunderung über Einstufung als Risikospiel
Auch an der Behauptung der Polizei, das Spiel sei schon länger als Risikospiel eingestuft worden, hat die Eintracht – gelinde gesagt – Zweifel geäußert. "Nicht nur Eintracht Frankfurt sondern auch die Polizei hatte die Partie gegen den VfB Stuttgart im Vorfeld als sogenanntes 'Gelb'-Spiel bewertet hatten, also als Spiel unter Beobachtung", schreibt der Verein. Eine Hochstufung seitens der Polizei sei zumindest der Eintracht nie kommuniziert worden.
"Wir werden die Erkenntnisse und Augenzeugenberichte, die uns erreichen, sorgfältig auswerten und eine entsprechende Einordnung vornehmen", versprach Reschke. Die Vorfälle seien nicht zu entschuldigen und werden den Club in der Bearbeitung und den Konsequenzen noch lange beschäftigen.
Polizei: Fans attackieren Ordner, dann eskaliert die Situation
Die von der Frankfurter Polizei eingerichtete Sonderkommission hatte am späten Sonntagabend die ersten Ermittlungsergebnisse vorgelegt. Die Auswertung von Videomaterial und Zeugenbefragungen hätten den bereits am Sonntag dargestellten Verlauf der Geschehnisse bestätigt, hieß es in der Mitteilung.
Demnach sei ein in Zivil gekleideter Ordner, der einer Person ohne Ticket den Zugang zu Block 40 verweigert hatte und diesen festhielt, von Eintracht-Fans attackiert und ins Gesicht geschlagen worden. Im Zuge der Auseinandersetzung alarmierte der Stadion-Sicherheitsdienst die Polizei, die beim Eintreffen vor der Fankurve unmittelbar von "mindestens 300 bis 400 Personen der Frankfurter Risikoszene – vielfach vermummt" angegriffen worden sei.
Polizei revidiert Meldung zum Zusammenstoß von Fangruppen
Die Frankfurter Anhänger hätten die zahlenmäßig klar unterlegenen Beamten massiv mit Schlägen und Tritten attackiert sowie mit Flaschen, Fahnenstangen, Eisenstangen und Eisengittern beworfen. Zudem sollen die Einsatzkräfte mit Schaum aus Feuerlöschern besprüht worden sein.
Die Polizei, die weitere Einsatzkräfte hinzuzog, wehrte sich mit "einfacher körperlicher Gewalt, Pfefferspray und Schlagstöcken". Die Lage beruhigte sich erst nach rund 30 Minuten und nach dem Rückzug aus dem Bereich vor der Fankurve.
Die zunächst von der Polizei über X verbreitete Meldung, dass der Zusammenstoß zweier rivalisierender Fangruppen den Einsatz ausgelöst habe, sei auf eine "falsche Bewertung des Geschehens" zurückzuführen und ausdrücklich falsch.
Mehr als 100 Verletzte
Die Bilanz der Ausschreitungen: 59 verletzte Personen des Ordnungsdienstes, 57 verletzte Polizeibeamte. Die Verletzungen reichen laut der Mitteilung von Hämatomen, Stauchungen, Prellungen, Augen- und Atemwegsreizungen, bis hin zu einem Sehnenabriss und mindestens einer Fraktur. Acht Beamte wurden im Krankenhaus behandelt.
Gesicherte Informationen zu verletzten Fans liegen aktuell weiter nicht vor. Eintracht Frankfurt geht von mindestens 100 verletzten Fußballfans aus. Fanvertreter der Eintracht hatten am Sonntag ebenfalls von knapp 100 Verletzten gesprochen, darunter auch Kinder. Diese werden aufgerufen, sich bei der Polizei zu melden. Auch Zeugen werden weiter gesucht.
Kritik von Fanvertretern
Die Frage, ob der massive Einsatz von Reizgas verhältnismäßig war, steht weiter im Raum. Die Frankfurter Fanhilfe "Der 13. Mann" hatte den Darstellungen der Polizei am Sonntag widersprochen. Die Polizei sei massiv in den Bereich vor dem Block eingedrungen und habe Schlagstöcke und Reizgas eingesetzt, "auch ohne Rücksicht auf Verluste unter normalen Fans, Frauen und Kindern", hieß es in einem Statement. Die Fan-Vertreter verurteilten den Einsatz als "Gewalteskalation der Polizei".
Ähnlich Worte wählte Ina Kobuschinski vom Frankfurter Fanclubverband, die den Einsatz im Gespräch mit dem hr ebenfalls als unverhältnismäßg kritisierte. "Ich habe noch nie etwas Derartiges erlebt, und ich gehe schon sehr lange zum Fußball. Ich war geschockt. Es waren sehr viele Leute geschockt", sagte Ina Kobuschinski als Sprecherin der Frankfurter Fanhilfe. "Derartig reinzugehen, war einfach unverhältnismäßig und furchtbar", fügte sie an.
Der Dachverband der Fanhilfen beklagte zunehmende Übergriffe der Polizei gegen Fußballfans. Zudem fordert sie ein Verbot von Pfeffersprays in deutschen Stadien. "Statt in Vorbereitung der EM 2024 im eigenen Land die vermeintlich harte Kante zu zeigen, sollte die Polizei auf Kommunikation und Deeskalation mit den Fans setzen", heißt es in einer Pressemitteilung des bundesweiten Vereins Fanhilfen vom Montag. Die "erneute Eskalation" sei "der nächste Höhepunkt in einer verheerenden Entwicklung, die sich seit Monaten abzeichnet".
In der Europa League gegen PAOK Saloniki
Viel Zeit zur Aufarbeitung bleibt nicht, denn schon am Donnerstag (21 Uhr) kommt es beim Conference-League-Spiel gegen PAOK Saloniki zum nächsten unmittelbaren Aufeinandertreffen.