
Der Weg zurück in den Ring Kampfsport trotz Baby? Thaibox-Weltmeisterin Johanna Rögner greift wieder an
Johanna Rögner aus Frankfurt ist Profi-Thaiboxerin. Sie will nach der Geburt ihres zweiten Kindes so schnell wie möglich wieder in den Ring. Das fordert eine ganz andere Art von Kraft.
Johanna Rögner läuft vorbei an Sandsäcken und Box-Equipment Richtung Umkleidekabine - im Hintergrund hört man das Klatschen der Hiebe auf die gepolsterten Trainingshandschuhe, die Pratzen. In ihren Armen hält Rögner ein Baby. Die 29-Jährige hat vor kurzem ihr zweites Kind zur Welt gebracht und will es in Ruhe stillen, bevor sie wieder zum Training geht.
Die Frankfurterin ist Weltmeisterin im Thaiboxen und will so schnell wie möglich wieder fit werden. Um den Spagat zwischen Familie und Leistungssport hinzubekommen, bedarf es aber viel Kraft. Ihr Ziel: die Deutsche Meisterschaft im Thaiboxen - komme, was wolle. "Boxen ist einfach mein Leben. Ohne das bin ich im Alltag nicht ich selbst", sagt Rögner.
Als Mutter bin ich eine emotionale Stütze. Als Kämpferin bin ich einfach nur skrupellos. Ich packe meine Gegnerin und ich hau der halt voll in die Fresse. Ellenbogen, Knie, egal was." Johanna Rögner, Thaibox-Champion
Die Zahl der Frauen im Muay Thai steigt
Muay Thai, wie die korrekte Bezeichnung lautet, gilt als eine der härtesten Kampfsportarten der Welt, stammt aus Thailand und hat eine jahrhundertealte Tradition. Sie hat sich aus militärischen Nahkampftechniken entwickelt und wurde im Laufe der Zeit zu einem nationalen Sport mit festen Regeln und Ritualen.
Die Kampfsporttechnik wird auch außerhalb Thailands immer beliebter. Laut dem Muaythai Bund Deutschland e.V. hat sich die Zahl der Mitglieder in den vergangenen drei Jahren verdoppelt. Die Boxwelt ist zwar immer noch sehr männlich dominiert, die Zahl der weiblichen Muay-Thai-Fans aber steigt. In Deutschland sind inzwischen 38 Prozent der Mitglieder weiblich.
"Ich musste mein Leben lang kämpfen"
Rögner kam 2014 durch ein Probetraining in der Kampfsportschule, die ihr jetziger Ehemann 2010 in Frankfurt eröffnet hat, auf den Geschmack. Seitdem ist das Thaiboxen nicht mehr aus ihrem Leben wegzudenken. Das Kämpfen liegt ihr im Blut, sagt sie: "Ich musste mein Leben lang schon kämpfen. Meine Eltern haben sich relativ früh getrennt und ich bin dann schon mit neun ins Kinderheim gekommen und mit elf ging es dann für mich weiter ins Internat. Ich musste schon sehr, sehr früh für mich einstehen."
Frauen müssen beim Muay Thai immer noch mit Vorurteilen kämpfen und sich im Ring doppelt beweisen: als Kämpferin und als Frau. Viele kommen ins Training, um sich selbst verteidigen zu können. Das Boxen fördert nicht nur das Selbstbewusstsein, sondern lässt die Frauen sich auch stärker fühlen. Laut Muaythai Bund kämpfen derzeit vier Frauen bei Profikämpfen mit.
Kind und Karriere: ein Spagat, der nicht immer einfach ist
Zusammen mit ihrem Mann führt Rögner heute das Studio und arbeitet dort als Trainerin, wenn sie nicht gerade selbst trainiert. Immer dabei: ihr vierjähriger Sohn Lio, der abseits des Boxrings spielt. Die Rolle als Profikämpferin und zweifache Mutter stellt Rögner vor große Herausforderungen: "Als Mutter bin ich eine emotionale Stütze. Als Kämpferin bin ich einfach nur skrupellos. Ich packe meine Gegnerin und ich hau' der halt voll in die Fresse. Ellenbogen, Knie, egal was", beschreibt sie ihre zwei Lebenswelten.
Das Paar versucht zwar, die Aufgaben so gut es geht untereinander aufzuteilen. Aber dadurch, dass Rögner stillt, ist sie doch in ganz anderem Maße als Elternteil eingebunden als ihr Mann. Nachts bekommt sie wenig Schlaf. Das ist auch körperlich sehr fordernd.
Kurz nach der Entbindung wieder ins Gym
Nach der Geburt fühlt sich ihr Körper auch nicht mehr so stark und belastbar an wie vorher, deshalb will Rögner schnellstmöglich wieder fit werden. "Ich versuche, jeden Morgen mit dem Baby herzukommen. Damit so langsam eine Routine reinkommt, und er sich daran gewöhnt, auch an die Geräusche und so. Jetzt schläft er auch schon mal zwei Stunden hier. Das war natürlich nicht am ersten Tag so."
Auch während der Schwangerschaft hat die Frankfurterin bis kurz vor dem Geburtstermin weiter trainiert. "Ich habe die ganze Zeit so ein bisschen was gemacht, aber das ist natürlich kein Vergleich zu einem Wettkampftraining. Das ist, wie wenn man einen Porsche fährt und dann fährt man einen Smart."
Eine Schwangerschaft stellt besonders Profisportlerinnen vor Herausforderungen
Um zu wissen, wie weit sie schon gehen kann, lässt sich die Frankfurterin bei ihrer Frauenärztin deshalb genau durchchecken und absichern. Sechs Monate nach der Entbindung will Rögner nämlich bei der Deutschen Meisterschaft antreten. Ihre Ärztin, Rieke Hermann, ist Spezialistin für Beckenbodentherapie und behandelt viele Leistungssportlerinnen. Oft senken sich durch die Belastungen die Organe bei Sportlerinnen. Nach einer Schwangerschaft kann das bei zu schneller Beanspruchung unter anderem zu Blutungen oder Inkontinenz führen.
Die Ärztin hat aber trotzdem Verständnis für Rögners Wunsch. "Ich weiß ja selber, wie es ist, wenn man sagt: Ich will wieder trainieren. Frau Rögner ist sicherlich in einer anderen Position als eine Hobby-Sportlerin, die ein bisschen joggen geht." Dennoch sei es wichtig zu schauen, wie Gesundheit und Wunsch miteinander einhergehen können und sie nicht durch zu frühes, intensives Training auf Dauer Schaden nimmt.
Ein Box-Comeback mit Hürden
Rögner weiß, dass sie dem Ganzen Zeit geben muss, wenngleich es ihr schwer fällt: "In den Beruf zurückzukehren, ist für eine Frau, die gerade ein Kind bekommen hat, wirklich eine Hürde. Für mich ist es total schlimm, mich so rauszunehmen. Man hat das Gefühl, es wird einem auch etwas weggenommen oder man wird ersetzt. Ich muss das Gefühl haben, auch gebraucht zu werden. Und ich möchte meine Aufgaben weiter übernehmen und nicht abgeben."
Johanna Rögner will nicht aufgeben und glaubt fest an ihr Ziel, ihr Comeback als Profisportlerin bei der Deutschen Weltmeisterschaft zu feiern. Auch ihr Mann Andi ist von seiner Frau überzeugt: "Sie ist eine Maschine. Wir trainieren jeden Tag zusammen. Ich habe selten eine Frau gesehen, die so stark ist wie sie."