Analyse Ist Eintracht Frankfurt ein Topteam? Ja, aber…
Eintracht Frankfurt ist gegen Bayern München über weite Strecken heillos unterlegen und holt in einem spektakulären Bundesliga-Spitzenspiel dennoch einen Punkt. Was sagt das über diese Mannschaft aus?
Für neutrale Beobachter, da waren sich nach Abpfiff alle einig, war das 3:3 zwischen Eintracht Frankfurt und Bayern München am Sonntagabend ein absolutes Fest. Viele Tore, Führungswechsel, ein Omar Marmoush in Weltklasse-Form und der Ausgleichstreffer inklusive Gefühlsexplosion in der Nachspielzeit. Fußball-Herz, was willst du mehr?
Selbst Eintracht-Trainer Dino Topmöller, der in der Schlussphase der Partie durch zu aktives Coaching zwischenzeitlich auf dem Hosenboden gelandet war, war nach dem "wilden Finish", wie er selbst sagte, zunächst noch "emotional zu aufgewühlt" für eine Analyse. "Wir sind stolz und gehen zufrieden in die Pause. Ob das Remis jetzt verdient oder unverdient ist, könnt gerne ihr bewerten." Na, dann los.
Der Start ist gelungen
Zunächst lässt sich festhalten, dass die Zufriedenheit der Hessen völlig berechtigt ist. 13 Punkte nach sechs Bundesliga-Spieltagen und Tabellenplatz drei sind eine mehr als ordentliche Ausbeute. Von den Problemen und Misstönen der vergangenen Rückrunde ist derzeit nichts mehr zu spüren, die Eintracht und Toppmöller haben sich weiterentwickelt.
Das Topspiel gegen den Rekordmeister zeigte bei allem Jubel aber auch, woran es noch hakt.
Bayern dominieren die Partie
Rein vom Spielverlauf her hätten die Gäste aus München dieses Spiel nämlich nie aus der Hand geben dürfen. Die Bayern schnürten die Eintracht fast über die komplette Spielzeit am eigenen Strafraum ein und dominierten das Geschehen beinahe nach Belieben. 24:6 Torschüsse und 74 Prozent Ballbesitz sind eindeutig, das Team von Trainer Toppmöller war dem Team von Trainer Vincent Kompany im Grunde heillos unterlegen.
"Wir standen zu tief und hatten zu wenig Entlastung", fasste Toppmöller richtig zusammen. "Es war nicht der Matchplan, das so passiv anzugehen", ergänzte Sportvorstand Markus Krösche. Die Eintracht, die ihre Gegner sonst gerne früh anläuft und unter Druck setzt, schaffte genau das gegen die Bayern überhaupt nicht. Stattdessen stand sie mit elf Mann tief in der eigenen Hälfte und lief über weite Strecken einfach nur hinterher. "Wir mussten viel leiden", so Toppmöller.
Nun darf natürlich nicht unterschlagen werden, dass die Bayern eben immer noch die Bayern sind und das Gegenpressing einfach sehr gut funktionierte. Dass die Eintracht vor allem in der Anfangsphase aber überhaupt keine Mittel fand, um sich zu befreien, war und ist durchaus bemerkenswert und sollte nicht untergehen. "Wann hat Bayern mal so dominant in Frankfurt gespielt? Wir haben sie erdrückt", sagte Bayerns Sportvorstand Max Eberl. Widerspruch zwecklos.
Vorne und hinten hat die Eintracht enorme Qualität
Da die B-Note im Fußball aber bekanntermaßen wertlos ist, durfte sich auf der Gegenseite auch die Eintracht aus gleich mehreren Gründen selbst auf die Schultern klopfen. Große Chancen ließ die erneut sattelfeste Haudegen-Viererkette trotz Dauer-Drucks quasi überhaupt nicht zu, die Gegentreffer resultierten aus zwei Unachtsamkeiten nach Eckbällen und einem unnötigen Ballverlust im Spielaufbau. "Wir haben wenig zugelassen, die Standard-Gegentore ärgern uns aber maßlos" so Toppmöller.
Hinzu kommt die in dieser Saison fast schon unglaubliche Wucht in der Offensive. Hugo Ekitiké und der bereits erwähnte Marmoush benötigten gegen die naiv hochstehenden Bayern genau drei gute Szenen für drei Tore und stellten das Spiel zwischenzeitlich komplett auf den Kopf. Die Eintracht hat aktuell den wohl besten Stürmer der Bundesliga in ihren Reihen und dazu eine enorme Effizienz. Auch das ist eine Qualität – und nach diesem Spiel gleichzeitig ein Ärgernis: Was wäre wohl drin gewesen, wenn die Hessen ihr Sturm-Duo öfter in Szene gesetzt hätten?
Toppmöller bringt die richtigen Joker
Wobei wir beim nächsten positiven Punkt aus Eintracht-Sicht wären: Da Toppmöller in der zweiten Hälfte genau dieses Problem erkannte, zog er die richtigen Schlüsse und gleichzeitig die richtigen Joker. Mit Mo Dahoud, der im Vergleich zum erneut schwächelnden Ellyes Skhiri für deutlich mehr Ballsicherheit sorgte, und den später eingewechselten Junior Dina Ebimbe, Mario Götze und Can Uzun steigerte Toppmöller die fußballerische Klasse im Mittelfeld und brachte sein Team so zurück ins Spiel.
Vor allem dank der Kombinationen von Dahoud, Ebimbe, Götze und Uzun fand die Eintracht in der Schlussphase plötzlich die Mittel, um sich aus der Münchner Umklammerung zu lösen und spielte endlich mit mehr Mut nach vorne. Gepaart mit der immer spürbaren Mentalität führte das zum Happy End in der Nachspielzeit.
Das Potenzial ist riesig
Klar ist also: Die Eintracht hat das Potenzial, wirklich zu einem Bundesliga-Spitzenteam zu werden und für Furore zu sorgen. Die Abwehr steht, der Angriff ist Extra-Klasse, es gibt aber noch weiter Verbesserungsbedarf. Die Eintracht ist gut, sie muss aber auch so spielen.
"Frankfurt hat die jüngste Mannschaft der Bundesliga. Sie werden mit der Zeit immer noch besser werden", blickte Bayerns Trainer Kompany am Ende des Abends stellvertretend in die möglicherweise goldene Frankfurter Zukunft. Ob der Punkt gegen sein Team nun verdient oder unverdient war, ist dann irgendwie auch egal.