Jahresrückblick 2023 Tour de France - das faszinierende Duell Pogacar gegen Vingegaard
Die Tour de France 2023 war wieder geprägt vom hochspannenden Duell zwischen Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard. Sportschau-Reporter Uli Fritz erinnert sich.
Das Duell – schon wieder hat es mich fasziniert, wie Millionen andere auch: Jonas Vingegaard gegen Tadej Pogacar – der Däne und der Slowene im Kampf um Sekunden, zwei dünne Männer auf ihren Hightech-Rädern, die sich nichts, aber auch gar nichts schenken.
Wieder ist der Däne am Ende vorne, wie schon 2022. Zuvor hat Pogacar zweimal die Tour gewonnen.
Die Tour ist so spannend geworden, wie ich sie zuvor selten erlebt habe. Seit 1996 bin ich dabei - mit nur einer Unterbrechung 2012.
Tour de France braucht Ungewissheit und Spektakel
Die Streckenplanung ist in den vergangenen Jahren fantasievoller geworden, innovativer. Der zunehmenden Verwissenschaftlichung des Radsports mit der Dominanz der Wattzahlen, dem Kalorienzählen, der optimierten Ausrüstung setzen die Macher der Tour bisweilen wilde Strecken entgegen.
Rampen von 18 Prozent und mehr im Finale, gerne schwierige Abfahrten vor dem Zielstrich, denn da nutzen die Wattzähler nichts, am liebsten Kopfsteinpflaster und Schotterpisten – denn auch Glück und Zufall sollen mit von der Partie sein, wie schlimm es auch für den Einzelnen sein mag, wenn die Planung eines ganzen Jahres mit einem Sturz oder einem Defekt zur Unzeit Makulatur wird.
Aber die Tour braucht die Ungewissheit, und: das Spektakel. Dazu zählen die Fans am Streckenrand, vor allem im Hochgebirge. Und es werden wieder mehr, immer mehr. Ja, dann muss einmal sogar ein Kameramotorrad stehen bleiben und Tadej Pogacar ausbremsen, weil das Spalier so dicht geworden ist.
Hindley schenkt Bora das Gelbe Trikot
Pech, aber Hand aufs Herz: Das sind Bilder, die eben auch zur Tour gehören, wie das Mitleiden und Mitfreuen. Mit dem Augsburger Georg Zimmermann etwa, der jedes Jahr besser wird und auf der zehnten Etappe nur knapp geschlagen als Zweiter ins Ziel rollt.
Mit Jay Hindley, der dem deutschen Team Bora einen Etappensieg und einen Tag das Gelbe Trikot schenkt – das freute mich ganz besonders, denn diesen Tag hatte sich mein Kollege Marc Drumm ausgesucht, um den Teamchef hautnah zu begleiten – da entstanden so emotionale Bilder und ein kleiner Film von großer Klasse.
Tour de France - immer auch ein Abenteuer
Die Tour de France, das ist für unser kleines Team immer auch ein Abenteuer – wir ziehen von Ort zu Ort, da muss alles passen. Unsere Kommentatoren Florian Nass und Fabian Wegmann fahren jeden Morgen noch die Etappe ab: Da darf nichts schiefgehen, vor allem in den Bergen.
Unseren nervenstarken Moderator Michael Antwerpes haben wir manchmal wieder auf hohen Gipfeln ausgesetzt, in der Hoffnung, dass die Technik klappt. Ein bisschen Mut zum Risiko braucht es bei der Tour halt immer.
Als gleich zu Beginn nach der ersten Etappe in Bilbao die Satellitenschüssel auf unserem bescheidenen Übertragungswagen nicht mehr einzuklappen ging, was keiner aus unserer Technikcrew bis heute so jemals erlebt hatte, und dann also über Nacht ein Ersatzfahrzeug kommen musste, da dachte ich schon: Das kann ja heiter werden.
Aber irgendwie schafften wir es, mit viel Kreativität und Erfahrung, dass wir doch jeden Tag nach Deutschland senden und unserem Publikum weiter von der faszinierenden Tour de France berichten konnten, im Fernsehen, im Radio, im Netz, in den sozialen Medien. 21 Etappen, jeden Tag eine andere Kulisse, immer wieder neue Geschichten, seit einhundertzwanzig Jahren – die Tour. Ich bin gerne dabei.