Remco Evenepoel aus Belgien während der 7. Etappe der Tour de France in Aktion
Tourreporter

Evenepoel gewinnt Zeitfahren In Wahrheit weiter alles offen bei der Tour

Stand: 05.07.2024 20:56 Uhr

Remco Evenepoel gewinnt das Zeitfahren der 7. Etappe der Tour de France. In der Gesamtwertung kommt er Tadej Pogcar im Gelben Trikot näher. Doch auch die anderen Mitfavoriten auf den Toursieg sind zufrieden.

Von Michael Ostermann, Gevrey-Chambertin

Remco Evenepoel durfte auf dem Podium der Tour zwei Uhren eines der Sponsoren der Tour de France entgegennehmen. Ein passendes Präsent für den Kampf gegen die Uhr, den der Belgier gerade auf der 7. Etappe der Tour de France in Gevrey-Chambertin für sich entschieden hatte. Mit zwölf Sekunden Vorsprung auf Tadej Pogacar war er in dem kleinen Weindorf im Burgund angekommen.

Evenepoel bei der Tour: Etappensieg "ist jetzt erledigt"

Es war der erste Touretappensieg des belgischen Wunderkindes, das nach einer Karriere als Fußball-Juniorennationalspieler erst spät zum Radsport gekommen ist und in diesem Jahr seine erste Tour de France bestreitet. Der 24-Jährige gilt als einer der Mitfavoriten auf den Gesamtsieg, auch wenn er in diesen Tagen stets bestreitet, sich damit zu beschäftigen. "Wir haben nicht an die Gesamtwertung gedacht, sondern wollten nur einen Etappensieg", betonte Evenepoel nach dem Zeitfahren. "Das ist jetzt erledigt."

Eine große Überraschung war das nicht. Schließlich ist Evenepoel der aktuelle Weltmeister im Zeitfahren und war als erster Anwärter auf den Tagessieg auf die 25,3 Kilometer lange Strecke gegangen. Nur einen Moment des Schreckens musste er unterwegs überstehen, als er die Hand hob, um einen Defekt anzuzeigen, der aber keiner war.

"Es hat sich genauso angehört, als sei der Reifen explodiert", berichtete Evenepoel, der aber ziemlich schnell feststellte, dass das Geräusch wohl anderswo hergekommen war. "Aber das hat mich einen Moment abgelenkt, was mir normalerweise nicht passiert." Drei bis vier Sekunden habe ihn diese Irritation gekostet, mehr nicht, schätzte der Belgier.

Aerodynamik für Mensch und Material

So war Evenepoel am Ende der erwartete Sieger. Und auf den Plätzen dahinter sortierten sich die Favoriten ebenfalls erwartungsgemäß ein. "Rennen der Wahrheit" nennen sie die besondere Kunst des Zeitfahrens im Radsport. Jeder für sich auf der Strecke - alleine im Kampf gegen die Uhr. Es gibt kein Verstecken, keine Möglichkeit, einen schlechten Tag zu kaschieren.

Die Disziplin ist bei der Tour de France ein bisschen aus der Mode gekommen, weil die Zeitabstände dem Kampf um das Gelbe Trikot schon häufiger ein wenig die Spannung raubten. Diesmal aber sind wieder zwei Zeitfahren im Programm der Tour mit insgesamt 59 Kilometern. Das abschließende Zeitfahren am letzten Tag der Tour soll möglichst erst den Kampf um das Gelbe Trikot entscheiden - das zumindest ist die Idee.

Premier Tech's Derek Gee während des Einzelzeitfahren

Zeitfahren bei der Tour - hier mit Derek Gee

Dafür zählt jede Sekunde. Und so tüfteln die Teams und ihre Ausrüster monatelang daran, die Aerodynamik von Mensch und Maschine zu verbessern. In Gevrey-Chambertin kamen daher jede Menge futuristische Helme und neue Zeitfahrräder zum Einsatz bei der Hatz nach der besten Zeit. Doch all das konnte nicht verhindern, dass etwa dem Schweizer Stefan Küng die Kette absprang.

Pogacar will keine Rückschlüsse ziehen

Die anderen Wahrheiten, die in diesem ersten Zeitfahren der Tour de France ans Licht kamen, brachten darüber hinaus auch nur wenig aufregende Erkenntnisse. Tadej Pogacars Vorsprung auf den zweitplatzierten Evenepoel ist zwar auf 33 Sekunden geschrumpft, aber allzu viele Sorgen muss sich der Slowene deswegen nicht machen. Zumal er seinen beiden anderen Widersachern, die ihm das Gelbe Trikot streitig machen wollen, weitere Sekunden abnehmen konnte.

"Wir können aus diesem Tag nicht allzuviele Rückschlüsse ziehen", meinte Pogacar. "Ich bin zufrieden damit, wie ich heute gefahren bin, und dass ich Jonas und Primoz Zeit abnehmen konnte. Aber ich weiß, dass sie in guter Form sind und die schwierigen Tage kommen bei dieser Tour erst zum Schluss. Dann werden wir größere Zeitabstände sehen."

Sportschau Tourfunk, 05.07.2024 19:20 Uhr

Roglic und Vingegaard zufrieden

So wird es wohl kommen. Und auch deshalb konnten auch Vingegaard und Roglic mit ihrem Tag zufrieden sein. Denn beide hielten ihre Zeitverluste im erwarteten Rahmen. "Knapp an Vingegaard, Pogacar und Evenepoel dranbleiben", hatte Roglics sportlicher Leiter Rolf Aldag seinem Fahrer als Ziel mit auf den Weg gegeben. Das war dem Slowenen gelungen.

Der Kapitän des deutschen Teams Red Bull-Bora-hansgrohe durfte dabei sogar noch einen kleinen Boost in Sachen Selbstvertrauen mitnehmen, weil er drei Sekunden schneller war als Vingegaard. Und deutlich stärker als Carlos Rodriguez vom Team Ineos-Grenadiers, der bislang vor ihm Rang vier in der Gesamtwertung eingenommen hatte. "Ich bin wirklich glücklich mit meiner Leistung", lautete denn auch Roglics Fazit.

Gleiches galt auch für Jonas Vingegaard, der sein erstes Zeitfahren seit seinem fatalen Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt absolvierte - auf einem Parcours, der seinen Stärken nicht entgegenkam. Dennoch war der Däne nur 15 Sekunden langsamer als Pogacar. "Natürlich streben wir nach dem besten Ergebnis", sagte Vingegaard. "Aber Zeit zu verlieren im ersten Teil der Tour war auf jeden Fall eingeplant. Ich merke, dass meine Form immer besser wird." Heißt, die Wahrheit wird es vielleicht erst beim abschließenden Zeitfahren in Nizza geben.