Die niederländische Radrennfahrerin Marianne Vos mit ihrer Silbermedaille vor dem Eiffelturm

Tour de France Femmes Marianne Vos - "Flying Dutchwoman" ist bereit

Stand: 06.08.2024 14:09 Uhr

Mit mehr als 250 Rennsiegen ist Marianne Vos eine regelrechte Legende im Frauen-Radsport. Auf die Tour de France Femmes freut sie sich ganz besonders. Das sollte Warnung genug für das Peloton sein.

Marianne Vos kennt sich aus. Die 37-Jährige weiß ganz genau, wie man Radrennen gewinnt. Schließlich hat sie schon mehr als 250 Siege eingefahren, seit sie 2006 ihr erstes Rennen im Frauen-Radsport bestritt. Umso erstaunlicher war das, was am vergangenen Sonntag (04.08.2024) beim olympischen Straßenrennen der Frauen passierte: Da gab die ultra-erfahrene Niederländerin die Goldmedaille quasi kampflos ab, als sie in einer vierköpfigen Spitzengruppe die spätere Siegerin Kristen Faulkner aus den USA einfach ziehen ließ - Vos hatte nur auf die große Favoritin Lotte Kopecky geachtet.

Olympia-Silber - zwölf Jahre nach Gold

Immerhin schaffte es "Flying Dutchwoman", wie sie seit den Anfangstagen ihrer Karriere genannt wird, noch auf den Silberrang. Sie hatte im Sprint zehn Zentimeter Vorsprung auf Kopecky. Auf dem Siegerpodest sah man sie wenig später glücklich hüpfend und alle umarmend, die ihr in den Weg kamen. Satte zwölf Jahre nach ihrer Goldmedaille im olympischen Straßenrennen in London hatte sie wieder zugeschlagen.

Marianne Vos ist ein Phänomen - nicht nur in den Niederlanden, wo sie in der Radsportszene als "größte niederländische Sportlerin aller Zeiten" gefeiert wird. 2006, in ihrem ersten Jahr im Frauen-Profizirkus, schoss sie wie ein Komet in die Szene: Gewann im Frühjahr den Weltmeistertitel im Cyclocross, als sie Hanka Kupfernagel auf Rang zwei verwies. Später im Jahr stieg sie auf die Straßen-Rennmaschine um, mit der sie sich erst den niederländischen Meistertitel sicherte, ehe sie im Herbst auch noch Weltmeisterin wurde.

Marianne Vos in Aktion

Marianne Vos in ihrem Element

Achtmal Weltmeisterin nur im Cyclocross

Es folgten Jahre, in denen Vos den Radsport der Frauen quasi ganz allein dominierte. Und zwar nicht nur auf dem Straßenrad. Auch im unwegsamen Gelände und auf der Bahn. 2008 wurde sie Olympiasiegerin im Punktefahren auf dem Oval in Peking, im gleichen Jahr schaffte sie in dieser Disziplin auch den WM-Titel. Auf der Straße holte sie später drei WM-Titel, gewann fünfmal den Weltcup - letztmalig 2013. Im Cyclocross schließlich fühlte sie sich ganz besonders wohl: Nach 2006 folgten noch weitere sieben WM-Siege.

Allerdings: So um die Jahre 2015/2016 herum - nachdem sie fast eine komplette Saison wegen einer Verletzung hatte aussetzen müssen - dachte man, es gehe mit der Karriere der Niederländerin so allmählich bergab. Jüngere rückten nach und schlugen sie. Aber Vos kam nach für sie mageren Jahren zurück. Der Cross-WM-Titel 2022 war ein erstes Anzeichen - im Juli 2022 holte sie sich zwei Etappensiege bei der ersten Austragung der Tour de France Femmes.

"Befreiung für den Frauen-Radsport"

Vos hat in all den Jahren die Entwicklung des Frauen-Radsports mitgeprägt. Die erste "echte" Ausgabe der Tour de France Femmes - nach den nur eher halbherzig gestarteten Versuchen seit 1984 - empfand sie als "Befreiung für den Frauen-Radsport", wie sie es selbst formuliert. Eine weibliche Ausgabe des größten Radrennens der Welt - es hat Vos noch einmal unheimlichen Schub in Sachen Motivation gegeben.

Es spricht echte Hingabe aus ihr, wenn man sie über das Jahr 2022 reden hört: "Alle freuten sich riesig auf diese erste Tour. Die Aufregung war groß und es war ein intensives und spannendes Rennen. Mit dem Team wollten wir einen Etappensieg holen. Wir waren wirklich glücklich, als uns das gelang, und die Genugtuung war noch größer, als wir einen zweiten Etappensieg holten, das Gelbe Trikot trugen und das Grüne Trikot mit nach Hause nahmen. Für uns als Team war es wirklich eine fantastische Tour de France."

"Ich bin wirklich aufgeregt"

Umso motivierter geht sie, die seit 2017 mit ihrer niederländischen Radsport-Kollegin Moniek Tenniglo liiert ist, in die dritte Ausgabe, die diesmal auch noch vor ihrer Haustür - in Rotterdam - startet und drei Tage lang durch die Niederlande führen wird. "Ich bin wirklich aufgeregt", sagt sie: "Natürlich wird es spannend, aber auch ein bisschen komisch, die Tour de France bei uns zu Hause zu haben. Ich hoffe, dass viele niederländische Fans an der Strecke sein werden, und hoffen wir, dass es ein großes Fest und des Radsports in den Niederlanden wird."

Dass Marianne Vos zumindest ein Wörtchen um Tagessiege mitreden wird - darauf sollten sich ihre Konkurrentinnen schon einmal einstellen. Schließlich hat die "Grande Dame" des Frauen-Radsports bislang eine ausgezeichnete Saison 2024 auf die Straße gelegt. Sie hat inklusive des Amstel Gold Race drei wichtige Frühjahrsklassiker für sich entschieden. Sie gewann die Punktewertung bei der Vuelta in Spanien, gewann die Katalonien-Rundfahrt und bestätigte ihre tolle Form mit dem beeindruckenden Auftritt beim olympischen Straßenrennen.

"Flying Dutchwoman" - bloß nicht unterschätzen

Top-Favoritin auf den Gesamtsieg ist sie sicherlich nicht. Da kommt eher ihre Landsfrau Demi Vollering in Frage, die Siegerin des Vorjahres. Dahinter scheint aber alles möglich, denn Lotte Kopecky verzichtet zugunsten der olympischen Bahnwettbewerbe auf einen Start in Rotterdam. Und die Konkurrentinnen wissen: "Flying Dutchwoman" sollte man niemals unterschätzen. Auch mit 37 nicht.