Deutsche Handballer vor Olympia-Start Tourismus ist was für die anderen
Das DHB-Team hat keine Zeit für olympische Genuss-Momente. Das lebt der Trainer vor. Die Handballer wollen schließlich ihren sportlichen Traum erfüllen. Der ist ambitioniert und heißt Halbfinale.
Während andere wankten, war die Linie der deutschen Handballer klar. Die freitagabendliche Bootstour auf der Seine? Keinen Gedanken wert. Schließlich, sagte Kapitän Johannes Golla bestimmt, "reisen wir nicht nach Paris, um Olympia-Tourismus zu machen". Damit war die Teilnahme an der Eröffnungsfeier (26.07.2024, live im Ersten und bei sportschau.de) - in anderen Mannschaften so intensiv diskutiert - abgehakt. Punkt.
Nicht einmal traurig sei er, das Spektakel zu verpassen, das für andere so sehr zum olympischen Erlebnis dazugehört, betonte Bundestrainer Alfred Gislason. Aus seinen Worten klang tatsächlich wenig Sinn für Show.
Im Gegenteil, der 64-Jährige sagte nüchtern Sätze wie: "Ich würde lieber gegen Schweden ein richtig gutes Spiel machen, als sieben Stunden in Paris irgendwo unter freiem Himmel zu sitzen". Oder auch: "Es ist schon ein bisschen Karnevalsstimmung im Dorf. Wir sind aber nicht hier, um zu feiern oder Selfies mit weltbekannten Sportlern zu sammeln."
Golla: "Brauchen ein nahezu perfektes Spiel"
Gegen Schweden starten die DHB-Männer am Samstag (19 Uhr, live bei sportschau.de) in Arena 6 auf dem Pariser Messegelände ins Turnier. Dort liegt der volle Fokus des Teams. "Wir können es uns gegen Schweden nicht leisten, ein paar Prozentpunkte nachzulassen", so Golla. Es brauche "ein nahezu perfektes Spiel, keine Frage. Wir müssen eine gute Abwehr stellen und brauchen gute Torhüterleistungen."
Das ist nicht zuletzt eine Lehre aus der jüngeren Vergangenheit. Denn in der sind die deutschen Handballer immer wieder an Schweden gescheitert. Bei den beiden Duellen in diesem Jahr war das nicht anders. Das 31:34 im Spiel um Platz drei bei der Heim-EM reihte sich ein in viele Pleiten, ganz genauso ein Test im Mai in Växjö.
Seit acht Jahren und acht Spielen ohne Sieg
Seit acht Jahren und acht Spielen ist die DHB-Auswahl gegen Schweden sieglos. Als - ausgerechnet (!) - im Auftaktspiel der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro der letzte Erfolg gelang, war Marko Grgić gerade einmal zwölf Jahre alt. Jetzt ist der linke Rückraumspieler vom ThSV Eisenach der überraschendste der 14 Spieler im deutschen Olympia-Kader. Erst vor gut zwei Monaten debütierte Grgić. In Växjö war das. Auch er hat also früh lernen müssen, wie sich Niederlagen gegen Schweden anfühlen.
Vor allem hat er aber gezeigt, dass er ein Trumpf sein kann. "Er hat schon sehr viel mitgebracht durch seinen Vater, gegen den ich auch schon gespielt habe. Er ist sehr frech, was uns sicherlich zugutekommt. Wenn er noch anfängt, besser in der Abwehr zu spielen, wird das ein ganz großer Spieler", sagte jüngst Torhüter Andreas Wolff. Der Vater heißt Danijel, spielte auch im Rückraum und - unter anderem - ebenfalls in Eisenach.
Karabatić: "Sie können jeden schlagen"
Für seinen Sohn folgten mit dem deutschen Team nach der Niederlage in Schweden drei Siege in der Vorbereitung. Japan und Ungarn wurden im Juli geschlagen, vor allem aber auch das Top-Team von Olympia-Gastgeber Frankreich. Grgić gelangen in diesem Spiel seine ersten Treffer. Und Superstar Nikola Karabatić sagte: "Sie haben gezeigt, dass sie den Europameister schlagen können. Das heißt, sie können jeden schlagen."
Mehr Rückenwind geht also vor dem Turnier kaum. Daran ändert auch nichts, dass kurz vor dem Start Routinier Kai Häfner für den verletzten Franz Semper einspringen musste. Immerhin weiß der, wie man gegen Schweden gewinnt. Den bislang letzten Sieg in Rio de Janeiro erlebten aus dem aktuellen Kader nur der 35-Jährige vom TVB Stuttgart und der zwei Jahre jüngere Andreas Wolff. Der zwölfköpfige Rest hofft auf eine Premiere.
Steinert: "Wir sind jetzt auch mal dran"
Zu dem zählt auch Christoph Steinert. "Ihr schlechtestes Niveau ist wahnsinnig hoch", sagte der Rückraumspieler vom HC Erlangen. So klingt Anerkennung. Warum sich das ändern wird? "Wir sind jetzt auch mal dran." So klingt Trotz. Gelingt es, die Negativserie zu beenden, wäre das schon ein großer Schritt Richtung Halbfinale.
Die ersten vier Teams aus zwei Sechsergruppen kommen ins Viertelfinale. Deutschland trifft in der Vorrunde noch auf Japan (29.07., 9 Uhr), Kroatien (31.07., 11 Uhr), Spanien (02.08, 16 Uhr) und Slowenien (04.08., 14 Uhr). Um im Viertelfinale möglichen Duellen mit Europameister Frankreich und Weltmeister Dänemark aus dem Weg zu gehen, gilt es jedoch, die ersten beiden Plätze anzupeilen. Damit die Handball-Männer nicht doch unfreiwillig früh zu Olympia-Touristen werden.