Kanu Sprint bei Olympia Mission Medaillenjagd - Deutsche Kanuten starten mit Ausrufezeichen
Die deutschen Rennkanuten sind erfolgreich in die Olympischen Spiele gestartet. Der Kajak-Vierer der Männer steht nach olympischer Rekordzeit im Halbfinale, die Frauen haben bereits das Finale erreicht. Ähnlich dominant gestalteten sich die Auftritte in den Kajak-Zweiern. Auch der Canadier-Zweier der Männer steigerte sich.
Tom Liebscher-Lucz, Max Rendschmidt, Max Lemke und Jakob Schopf gewannen ihren Vorlauf über 500 Meter im Wassersportstadion von Vaires-sur-Marne am Dienstag (06.08.2024) trotz starker Konkurrenz in olympischer Rekordzeit nach 1:20,51 Minuten hauchdünn vor Mitfavorit Spanien. Erst auf den letzten Meter zog das deutsche Boot mit Schlagmann Rendschmidt an den Iberern vorbei und gewann mit neun Hundertstelsekunden Vorsprung.
Die zwei schnellsten Boote der beiden Läufe hatten den direkten Einzug ins Halbfinale am Donnerstag (11.50 Uhr im Sportschau-Livestream) geschafft. Die übrigen Teams mussten im Viertelfinale noch einmal gegeneinander antreten. Neben Deutschland und Spanien hatten auch die Quartetts aus Serbien und Ungarn die Vorschlussrunde vorzeitig erreicht. In den Viertelfinals zogen im Anschluss Mitfavorit Australien, Kanada, Litauen, Neuseeland, Dänemark und die Ukraine nach.
Schopf: "Wir müssen uns nicht verstecken"
Liebscher-Lucz, Rendschmidt und Lemke hatten 2021 in Tokio gemeinsam mit Ronald Rauhe Gold vor Spanien gewonnen. Für Rauhe, der inzwischen seine Karriere beendet hat, ist Schopf neu ins Boot gerückt. Im vergangenen Jahr sicherte sich der Vierer WM-Gold.
"Das ist auf jeden Fall ein guter Einstand. Wir haben heute gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir können es und müssen uns nicht verstecken", sagte Schopf. Zuvor hatte sich Bundestrainer Arndt Hanisch zu den Aussichten geäußert. "Die Jungs sind gut drauf, wir hatten eine gute Vorbereitung. Wir versuchen, weit vorne mitzufahren. Langsame Gegner gibt es aber nicht mehr."
Auch Kajak-Zweier überzeugen
Zwei Stunden später stellten die Duos Schopf/Lemke und Rendschmidt/Liebscher-Lucz ihre Qualitäten auch im Kajak-Zweier unter Beweis und qualifizierten sich jeweils als Vorlauferster für das Halbfinale am Freitag (11.10 Uhr im Sportschau-Livestream).
Beide Duos kamen dynamisch aus den Startlöchern und trumpften vor allem auf den zweiten 250 Metern auf. Schopf und Lemke konnten kurz vor der Ziellinie einen Angriff von Weltmeister Portugal erfolgreich abwehren und waren mit 1:28,03 Minuten drei Zehntelsekunden schneller als ihre Teamkollegen im zweiten Lauf unterwegs.
"Mit dem Endspurt konnten wir für uns schon mal eine kleine taktische Finte mitnehmen", freute sich Schopf: "Wir haben noch nicht viele Rennen zusammen bestritten. Jedes Rennen ist eine Erfahrung wert." Lemke sprach vor einem "schönen Einstieg", der für das Finale am Freitag motiviert. "Besser hätte es man sich nicht vorstellen können."
Kajak-Vierer der Frauen unterstreicht Ambitionen
Dem deutschen Kajak-Vierer der Frauen gelang ebenfalls ein Auftakt nach Maß. Das Quartett mit Paulina Paszek, Jule Marie Hake, Pauline Jagsch und Sarah Brüssler sicherte sich Platz eins in 1:32,34 Minuten ohne Probleme vor Ungarn und China und hat seinen Platz im Finale am Donnerstag (13.40 Uhr im Sportschau-Livestream) damit bereits sicher.
Vom Start weg gab das deutsche Boot das Tempo vor und hatte nach gut 200 Metern bereits einen komfortablen Vorsprung, der souverän ins Ziel gebracht wurde. Damit unterstrichen auch die deutschen Frauen ihre Medaillenambitionen: Nicht einmal Topfavorit Neuseeland war im Vorlauf schneller.
Kajak-Zweier der Frauen dominiert Vorläufe
Jagsch startete gemeinsam mit Lena Röhlings auch im Kajak-Zweier und zeigte erneut ein starkes Rennen. Nachdem die Chinesinnen lange Schritt halten konnten, beschleunigte das deutsche Duo auf den letzten 200 Metern und fuhr nach 1:41,45 Minuten als erstes Boot über die Ziellinie.
Ähnlich dominant gestalteten Paszek und Hake ihren Vorlauf im Zweier in 1:39,03 Minuten. Das Duo wies schon nach dem Start die höhere Grundgeschwindigkeit auf und übernahm früh die Führung. Zwar rückten die Polinnen kurz vor dem Ziel heran, der Vorsprung konnte aber gerade noch ins Ziel gerettet werden. Die beiden deutschen Duos sind damit sicher im Halbfinale am Freitag (10.50 Uhr im Sportschau-Livestream) dabei.
Paszek: "Einfach großartig hier zu fahren"
"Es war sehr anstrengend", meinte Hake im Anschluss mit Blick auf das kräftezehrende Rennen zuvor im Vierer. Man sei aber "guter Dinge". Paszek ergänzte: "Es war wichtig, so gut zu fahren, das bringt uns Sicherheit. In den nächsten Tagen wird es hoffentlich noch besser. Wir lassen uns überraschen, was kommt."
Angetan zeigte sich das Duo vor allem von der prächtigen Kulisse an der Rennstrecke im Osten von Paris. "Es war richtig cool mit den ganzen Zuschauern. Sogar am Start machen die Leute Radau", strahlte Hake. Für Paszek ist es "einfach großartig hier zu fahren. Das bringt so viel Energie und Adrenalin."
Kretschmer/Hecker nach Steigerung im Halbfinale
Der Wettbewerb im Canadier-Zweier der Männer über 500 Meter startete mit einem Schreckmoment aus deutscher Sicht. Das favorisierte Duo Peter Kretschmer/Tim Hecker beendete seinen Vorlauf nach 1:41,58 Minuten überraschend auf dem vorletzten Platz und verpasste den vorzeitigen Einzug ins Halbfinale. Von Beginn an fehlte Kretschmer/Hecker die Spritzigkeit. Auch ein Schlussspurt auf den letzten 100 Metern blieb aus. Enttäuscht verließen die Beiden im Anschluss den Bootssteg.
"Das war so nicht geplant. Wir wissen nicht, woran es gelegen hat", sagte Kretschmer nach dem Rennen. Hecker äußerte sich ähnlich: Man habe "schnell gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Wir hatten keinen Rhythmus und nicht den richtigen Druckpunkt im Wasser." Das erste Rennen sei natürlich "immer das schwerste", aber natürlich hätte man sich gerne den Umweg über das Viertelfinale gespart.
Kretschmer: "Ein bisschen verrissen im Vorlauf"
Dort präsentierten sich die Weltmeister dann wieder in gewohnt starker Form. Schon der Start verlief besser, auch die Frequenz bei den Paddelschlägen stimmte. Nach 250 Metern übernahmen Kretschmer/Hecker die Führung und zogen mit fast einer halben Bootslänge Vorsprung sicher ins Halbfinale ein. "Es hat sich wesentlich besser angefühlt, auch wenn die Bedingungen schwierig waren", erklärte Hecker.
Das erste Rennen hatte man im Vorfeld komplett analysiert. "Die Kurve unserer Frequenz war um einiges zu hoch. Peter hat einfach etwas überzogen. Das haben wir jetzt besser gemacht." Kretschmer schmunzelte: "Ich habe es einfach ein bisschen verrissen im Vorlauf." Das Duo gilt als Mitfavorit auf die Goldmedaille. Kretschmer hatte bereits 2012 in London gemeinsam mit Kurt Kuschela Gold gewonnen.
Jahn/Kliemke scheitern im Viertelfinale
Der Canadier-Zweier der Frauen verpasste dagegen den Sprung ins Finale. Nach Platz fünf im Vorlauf mussten sich Lisa Jahn und die erst 18-jährige Hedi Kliemki nach 1:56,56 Minuten als Vierte denkbar knapp geschlagen geben. Nur Zentimeter fehlten den WM-Dritten auf Platz drei zu den Kubanerinnen, der für den Einzug ins Finale gereicht hätte.
"Es war nicht das, was wir uns vorgenommen haben", sagte Jahn im Anschluss unter Tränen. "Wir haben uns die letzten drei Jahre den Arsch aufgerissen. Aber die anderen sind einfach zu schnell für uns heute gewesen. Trotzdem bin ich unglaublich stolz, hier mit Hedi zu stehen. Anfang des Jahres habe ich nicht an Qualifikation geglaubt."
Brendel peilt fünfte Olympiamedaille an
Canadier-Spezialist Sebastian Brendel legt im Einer am Mittwoch los (11.40 Uhr im Sportschau-Livestream). Der 36-Jährige startet mit großen Erwartungen in seine vielleicht letzten Sommerspiele. 2012 und 2016 krönte er sich im Einer zum Olympiasieger. In Rio gewann er zudem Gold im Zweier.
2021 in Tokio verliefen die Spiele für ihn etwas weniger erfolgreich: Nach dem Gewinn der Bronzemedaille im Zweier schied Brendel über seine Paradestrecke über 1000 Meter im Einer im Halbfinale aus. "Wenn ich es schaffe, nochmal eine Medaille zu gewinnen, wäre das ein absolutes Highlight", hatte der Potsdamer im Vorfeld angekündigt.
Die deutschen Rennsport-Kanuten greifen mit 14 Booten nach den Medaillen bei den Olympischen Spielen. Der Deutsche Kanu-Verband (DKV) meldete für die Wettkämpfe in der kommenden Woche vor allem in nahezu allen Kajak-Disziplinen zwei Boote. Ziel des DKV sei es, "immer 50 Prozent der Medaillen zu holen", sagte Sportdirektor Jens Kahl.