Tennis bei Olympia in Paris Letztes Adieu verschoben: Kerber beißt sich durch
Das olympische Turnier wird das letzte ihrer Karriere sein, doch ihr letztes Match hat Angelique Kerber in Paris noch nicht gespielt. Gegen die Rumänin Jaqueline Cristian wurde es am Montag aber eng. Mit einem Kraftakt zog sich die Deutsche aus der Affäre.
Auf dem kleinen Showcourt 14 im Stade Roland Garros gaben die deutschen Tennis-Fans noch einmal Vollgas. Mit "Angie Kerber"-Wechselgesängen wie im Fußball-Stadion feuerten sie Angelique Kerber an und wollten ihr in dieser emotionalen Partie jene Kraft geben, die ihr längst ausgegangen war.
Die 36-jährige Norddeutsche wankte, aber sie kämpfte, wie sie es immer getan hatte. Dieses Zweitrundenmatch beim olympischen Turnier gegen die Rumänin Jaqueline Cristian sollte nicht das letzte ihrer Karriere sein, dagegen stemmte sich Kerber mit der letzten Energie, die sie in der Pariser Hitze hatte.
Die Fans standen wie eine Wand hinter ihr und trugen Kerber doch noch zum Sieg. Nach 2:16 Stunden hatte sie es geschafft, mit einem Kraftakt verwandelte sie den dritten Matchball zum 6:4, 3:6 und 6:4-Sieg. Erleichtert, erschöpft und überglücklich klopfte sie sich ans Herz und winkte in die jubelnde Menge, die sie minutenlang feierte. "Es ist ein schönes Gefühl, dass ich weiter dabei bin", sagte Kerber in der Sportschau: "Ich habe bis zum Ende mein Herz auf dem Platz gelassen und gekämpft. Die Fans haben mir geholfen, das Match noch zu drehen." Das Karriereende muss noch etwas warten - doch viel hatte nicht dafür gefehlt.
Auf einmal ging Kerber die Puste aus
Denn die Partie hatte sich zu einer einzigen Achterbahnfahrt entwickelt. Im ersten Durchgang hatte die dreimalige Grand-Slam-Siegerin noch einmal ihre Qualitäten aus ihren besten Zeiten aufblitzen lassen. Ihr physisch starkes Spiel von der Grundlinie, ihre Präsenz, mit der sie die Rumänin oft zu Fehlern zwang – und das selbst auf dem von Kerber nie liebgewonnenen Sandplatz. Sie dominierte und hatte mit dem Break zum 3:2 schnell die Oberhand gewonnen.
Alles schien nach Plan zu laufen, doch nach der Satzpause wirkte die 36-Jährige plötzlich wie verwandelt. Ihr ging die Puste aus. Sie pumpte nach den Ballwechseln, ging nicht mehr mit letzter Entschlossenheit in die Ecken. Cristian witterte ihre Chance und erhöhte mit Erfolg das Risiko. Sie ließ die ausgepumpte Kerber laufen und holte sich nach dem Break zum 3:1 mit 6:3 den zweiten Durchgang.
Zum Start des dritten Satzes wurden die Sorgen der deutschen Tennis-Fans noch größer, als Kerber direkt ihr erstes Aufschlagspiel abgab. Es schien, als wäre ihr Karriereende nur noch eine Frage von Ballwechseln. Doch so schnell, wie ihr plötzlich die Puste ausgegangen war, meldete sich Kerber auf einmal wieder zurück. Sie schaffte das Rebreak zum 1:1 und kämpfte sich Meter und Meter in die Partie zurück.
Cristian steckte nicht auf, Kerber biss
Als Kerber auch noch das Break zur 3:1-Führung gelang, schnellte die Partystimmung auf den Rängen auf ihren Höhepunkt - bekam aber direkt im nächsten Aufschlagspiel einen Dämpfer. Rebreak zum 2:3, alles wieder in der Reihe und nun war der Kraftakt der beiden in vollem Gange.
Cristian steckte nicht auf, Kerber biss. Es wurde ein Sieg des Willens. Und vielleicht wollte es Kerber am Ende einen Tick mehr oder hatte in den teils atemberaubenden Ballwechseln der Schlussphase das Quäntchen Glück mehr oder das bessere Händchen. Das letzte Adieu in Paris hat Kerber verschoben und sich ein weiteres Match erkämpft. Ihre Fans werden hoffen, dass es auch nach dem Achtelfinale gegen die Kanadierin Leylah Fernandez noch nicht vorbei ist.