Trauer bei Schweiz-Rundfahrt Nach Mäders Tod: Drei Teams verlassen Tour de Suisse
Die Tour de Suisse ist trotz des Todes des Schweizer Radprofis Gino Mäder am Samstag fortgesetzt worden - allerdings ohne drei komplette Teams und 17 Fahrer aus weiteren Mannschaften. Nur noch 113 Pedaleure machten sich am Samstagmittag nach einer Schweigeminute auf das vorletzte Teilstück zwischen Tübach und Weinfelden über 183,5 km.
Mäders Team Bahrain-Victorious stieg wie angekündigt aus dem Rennen aus. Auch der Schweizer Radrennstall Tudor Pro Cycling und das belgische Team Intermarché-Circus-Wanty haben ihre Teilnahme an der Rundfahrt abgebrochen. Das teilten beide Teams vor dem Start der siebten Etappe am Samstag von Tübach nach Weinfelden mit.
Rundfahrt wird fortgesetzt
Am Donnerstag (15.06.2023) war der 26 Jahre alte Mäder auf der Abfahrt vom Albula-Pass zum Zielort La Punt auf den letzten Kilometern der fünften Etappe mit hohem Tempo in eine Schlucht gestürzt und musste reanimiert werden. Am Freitag (16.06.2023) starb der schwer verletzte Schweizer im Krankenhaus. Die eigentlich geplante sechste Etappe wurde abgesagt, stattdessen erinnerten die Profis bei einer Gedenkfahrt an ihren Kollegen.
"Heute war der schlimmste Tag in meinem Leben. Aber morgen ist ein neuer Tag und darum müssen wir uns als Organisation kümmern", erklärte Tour-Direktor Olivier Senn. Die Entscheidung zur Fortsetzung sei zudem nach Rücksprache mit den Fahrern und den Teams der Tour getroffen worden.
Sechste Etappe abgesagt
"Wir sind durch den Verlust unseres außergewöhnlichen Fahrers, Gino Mäder, am Boden zerstört. Sein Talent, seine Hingabe und sein Enthusiasmus waren eine Inspiration für uns alle", hatte Bahrain-Victorious-Team-Manager Milan Erzen nach dem Tod Mäders gesagt. "Er war nicht nur ein extrem talentierter Fahrer, sondern auch eine großartige Person abseits des Rads."
Bei dem Vorbereitungsrennen für die Tour de France war auf dem fünften Teilstück auch der Amerikaner Magnus Sheffield gestürzt und wurde ebenfalls ins Krankenhaus gebracht. Er erlitt eine Gehirnerschütterung und Prellungen.
Die sechste Etappe wurde am Freitagmittag offiziell abgesagt. Die Etappe werde nicht wie geplant stattfinden, teilten die Tour-Organisatoren über den offiziellen Live-Ticker mit. Zuvor war der Start der Etappe "auf unbestimmte Zeit verschoben" worden.
Trauerfahrt über 30 Kilometer in Gedenken an Mäder
Stattdessen haben die Radprofis bei der Tour de Suisse mit einer Trauerfahrt des Schweizers gedacht. Die Sportler, darunter auch die Kollegen von Mäders Teams Bahrain-Victorious um den Deutschen Nikias Arndt, fuhren am Freitagnachmittag die letzten 30 Kilometer der geplanten sechsten Etappe.
Auf einer großen Werbetafel stand "Gino, we ride for you", Fahrer verschiedener Teams lagen sich in den Armen. Im Gegensatz zur sonst üblichen Stimmung bei Radrennen herrschte während der Gedenkfahrt meist Stille am Straßenrand. Teilweise klatschten Passanten. Der Beifahrer eines Begleitmotorrads hielt ein Schild mit "Gino" hoch.
"Wir sind alle erschüttert"
Die Schweizer Nachrichtenagentur "sda" hatte als erstes berichtet, dass die Tour-Organisatoren, in Absprache mit Mäders Team Bahrain-Victorious und seiner Familie, entschieden hätten, das Rennen grundsätzlich fortzusetzen. Mäders Team hatte angekündigt, sich aus dem Vorbereitungsrennen für die Tour de France zurückzuziehen.
"Wir sind alle erschüttert. Keiner ist in der Lage, aufs Rad zu steigen", sagte der sportliche Leiter Enrico Poitschke der "Bild"-Zeitung.
Der Radsport-Weltverband UCI reagierte "niedergeschmettert" auf die Nachricht: "Unsere Gedanken sind bei seiner Familie, seinen Freunden und allen, die mit Gino zu tun haben. Er war ein aufsteigender Star im Profiradsport."
Auch die Organisationen der Tour de France und des Giro d'Italia drückten ihr tiefes Mitgefühl aus.
Mäder war nach Erfolgen als Junior auf der Bahn auf dem Weg zu einem starken Rundfahrer. 2021 gewann er jeweils eine Etappe beim Giro d'Italia und bei der Tour de Suisse und wurde Fünfter bei der Vuelta a Espana.
Auch abseits der Rennstrecken engagierte sich Mäder, machte sich vor allem für klimapolitische Themen stark und nutzte seine Popularität in den sozialen Netzwerken, um Spendengelder zu sammeln. Die Mannschaft, sagte Teamchef Erzen nun, werde zu Mäders Ehren "Rennen fahren und sein Andenken auf jeder Straße bewahren, auf der wir fahren".
Kritik von Remco Evenepoel
Zu den Fahrern, die wegen der Streckenführung Kritik an den Organisatoren übten, zählte auch Weltmeister Remco Evenepoel aus Belgien. Es sei keine schlaue Idee gewesen, das Ziel einer solchen Etappe nach einer Abfahrt zu platzieren, sagte der 23-Jährige nach Angaben der Schweizer Zeitung "Blick". "Aber man braucht offenbar immer noch mehr Spektakel. Es muss wohl einfach etwas passieren, damit man reagiert", sagte Evenepoel.
Nach Informationen des Schweizer Fernsehens ermitteln zudem die Staatsanwaltschaft und die Kantonspolizei Graubünden zu den Ursachen des Sturzes von Mäder.