Olympia-Ausschluss Russlands Was bedeutet "Neutralität"? Regierungen fordern Klarheit vom IOC
In der Frage, ob russische und belarusische Sporler unter neutraler Flagge wieder an internationalen Wettkämpfen teilnehmen dürfen, machen 34 Regierungen Druck auf das IOC. Bis ihre Fragen nicht geklärt sind, akzeptieren sie keine Rückkehr.
Dürfen russische und belarusische Sportler und Sportlerinnen unter neutraler Flagge zurück auf die internationale Sportbühne? Nachdem das Internationale Olympische Komitee in dieser Debatte auf der Autonomie von Sportorganisationen berharrte, machen nun die Regierungen von 34 Nationen Druck. Sie fordern, den Begriff der "Neutralität" zu klären.
Auch Deutschland will Antworten
"Wir sind sehr besorgt darüber, wie es möglich ist, dass russische und belarusische olympische Athleten als 'Neutrale' antreten, wenn sie direkt von ihren Staaten finanziert und unterstützt werden", heißt es in der Erklärung, die die britische Regierung am Montag (20.02.2023) veröffentlichte.
Zu den Unterzeichnern des Schreibens zählen neben Großbritannien unter anderem Deutschland, die USA, Frankreich und Kanada. Das Statement ist das Ergebnis eines Gipfeltreffens Anfang des Monats in London, an dem auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky teilgenommen hatte.
Regierungen: Unter diesen Umständen keine Zulassung
"Solange diese grundlegenden Fragen und der erhebliche Mangel an Klarheit sowie die konkreten Details eines praktikablen 'Neutralitäts'-Modells nicht geklärt sind, sind wir nicht damit einverstanden, dass russische und belarusische Athleten wieder zu Wettkämpfen zugelassen werden", heißt es in dem Schreiben weiter.
Insbesondere die "starken Verbindungen und Zugehörigkeiten zwischen russischen Sportlern und dem russischen Militär" stimmen die Länderkoalition skeptisch. "Diese starken Bedenken", schrieb das Bündnis weiter, "müssen vom IOC aufgegriffen werden."
EU-Abgeordnete übten Druck auf IOC aus
Das IOC hatte zuvor eine Erklärung des Europaparlaments kritisiert und betonte, die Autonomie von Sportorganisationen stehe "in klarem Widerspruch zum einigenden friedensfördernden Auftrag der Olympischen Spiele und der mehrfach von der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten gebilligten Olympischen Charta", wie ein IOC-Sprecher mitteilte.
Die EU-Abgeordneten hatten in einer Resolution vergangene Woche die 27 EU-Staaten und die internationale Gemeinschaft aufgefordert, Druck auf das IOC auszuüben, damit es seine "beschämende Entscheidung rückgängig" mache. Sportlern der beiden Länder zu erlauben, unter einer neutralen Flagge anzutreten, laufe der facettenreichen Isolation dieser Länder zuwider und werde von beiden Regimen zu Propagandazwecken genutzt, hieß es weiter.
Noch keine Entscheidung getroffen
Das IOC hatte zuvor erklärt, einen "Weg" zu prüfen, um russischen und belarusischen Athletinnen und Athleten die Teilnahme an den Spielen in Paris unter neutraler Flagge zu ermöglichen. Am Montag hatte das IOC klargestelt, dass noch keine Entscheidung getroffen sei und verwies auf die Bedenken von zwei Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen. Diese hatten vom IOC gefordert, die Nichtdiskriminierung von Athleten aufgrund deren Nationalität sicherzustellen.
Seit Wochen wird eine mögliche Wiederzulassung russischer und belarusischer Athleten auf die Sportbühne kontrovers diskutiert. Die Ukraine droht mit einem Olympia-Boykott. Der frühere Box-Weltmeister Wladimir Klitschko hat jüngst IOC-Chef Thomas Bach aufgefordert, sich selbst erneut ein Bild vom Krieg in der Ukraine zu verschaffen.
Wladimir Klitschko übt Kritik
"Herr Bach sollte nach Butscha fahren. Es ist an der Zeit, dass er die Propaganda aus Moskau mit der Realität vor Ort vergleicht", sagte Klitschko in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Auch aus den baltischen Staaten kam deutliche Kritik.