Rennen in Spielberg Formel 1 - Weit neben der Ideallinie
Nach der Strafen-Lawine von Spielberg steht der Automobil-Weltverband FIA unter Druck. Das Image der Formel 1 hat in Österreich mehr als nur einen Kratzer abbekommen.
Die Pokale waren längst überreicht und der Champagner verspritzt, da wurde der grüne Tisch benötigt. Die Teamführung von Aston Martin nämlich schaute genau hin und stellte fest, dass die Rennleitung um den Deutschen Niels Wittich längst nicht alle Verstöße gegen die sogenannten Track Limits geahndet hatte. Erst um 21.45 Uhr stand das Rennergebnis offiziell fest, 317 Minuten nachdem Max Verstappen mal wieder als Erster die Ziellinie überquert hatte.
130 Verstöße, 1.200 Überprüfungen
"Grenzenloses Chaos", schimpfte die spanische Zeitung "Mundo Deportivo". Die FIA war überfordert mit dem Überprüfen der eigenen Regel, die "mehrmaliges Verlassen der Strecke ohne triftigen Grund" sanktioniert. Im laufenden Rennen wurden zwar allein 130 Verstöße wegen unerlaubten Überfahrens der weißen Linien erkannt und geahndet - teils mit Zeitstrafen. Und doch war das nur die Spitze des Eisbergs.
Die FIA musste irgendwann am Sonntagabend kleinlaut einräumen, dass im Nachgang nochmal rund 1.200 (!) Situationen überprüft werden müssen. Am Ende erhielten dann doch "nur" acht Fahrer nachträgliche Zeitstrafen, am Sieg von Weltmeister Verstappen vor Ferrari-Pilot Charles Leclerc und Verstappens Red-Bull-Teamkollege Sergio Perez änderte sich nichts mehr.
Formel 1 Weltverband regt Umbau an
Zumindest das. Der Weltverband entschuldigte das Chaos damit, dass eine "unvorhersehbare Situation" eingetreten sei. Verstappen kritisierte allerdings schon nach dem Qualifying am Freitag, die besten Rennfahrer der Welt würden angesichts der vielen aberkannten Rundenzeiten "wie Amateure" aussehen.
Wer ist schuld, was ist die Lösung? Die FIA regte an, "am Ausgang der Kurven 9 und 10 ein Kiesbett einzubauen". Dies sei "im Vergleich zu anderen Serien, die hier Rennen fahren, zwar keine einfache Lösung", sie habe sich aber bei anderen Kurven und Strecken mit ähnlichen Problemen als "sehr effektiv" erwiesen.
Auf dem Red-Bull-Ring macht allerdings unter anderem auch die Motorrad-WM Station. Für die Zweiräder sind die flachen Randsteine, die in Spielberg in den letzten beiden Kurven vor der Start-Ziel-Grade verbaut sind, für die Sicherheit durchaus relevant. Und erst am Samstag entflammte die Sicherheitsdebatte im Motorsport durch den Todesfall Dilano van't Hoff aufs Neue.
"Linienrichter" überfordert
In der Vergangenheit wurden in Spielberg zusätzlich zu den bestehenden Kerbs lange und dünne Randsteine eingesetzt, um die Formel-1-Fahrer vom Überschreiten des Streckenlimits abzuhalten. Die Teams rebellierten aber, weil die Reparaturrechnungen für Frontflügel und Radaufhängungen in die Höhe schnellten, fast jedes Überfahren führte zu einem Schaden. 2020 wurden die sogenannten Sausage Kerbs entfernt und das System der Linienkontrolle eingeführt.
Zufrieden ist wieder mal keiner. Klar ist nur: Eine weitere Überforderung der "Linienrichter" darf es nicht geben. Wie erschlagend das System ist, zeigt beispielhaft der Fall Nico Hülkenberg. Der Rheinländer hatte seinen havarierten Haas längst verlassen und gab Interviews, da sprach die Rennleitung noch ordnungsgemäß eine Verwarnung gegen den Deutschen aus - während auf der Strecke die strittigen Szenen fast im Sekundentakt zunahmen.
Verstappen siegt souverän in Spielberg
Verstappen konnte all das egal sein. Die "menschliche Abrissbirne" ("Daily Mail") kontrollierte bei seinem fünften Grand-Prix-Sieg in Serie das Geschehen nach Belieben. Lediglich ein Mal war er mit seinem überlegenen Red Bull zu weit neben der Strecke. Wie ein Amateur sah zumindest der Niederländer am Sonntag nicht aus.