Biathlon Justus Strelow - "Der private Strelow hat Pause bis April"
Die heiße Phase beginnt in Finnland - Justus Strelow startet mit dem deutschen Biathlon-Team in Kontiolahti in den Weltcup. Der 27-Jährige spricht im Interview über das intensives Training vor der Saison, den harten Kampf um Weltcup-Plätze und sein Talent als Handwerker.
Sportschau: Sie haben einmal gesagt: 'Wer im Sommer nicht weint, der weint im Winter'. Wie viel haben Sie im Sommer geweint?
Justus Strelow: Schon ein bisschen. Wir haben hart trainiert, waren viel in Trainingslagern. Das Training lief gut, tat aber natürlich auch weh. So muss es sein. Jetzt hoffe ich, dass ich im Winter nicht mehr oft weinen muss.
Was tut denn besonders weh?
Strelow: Besonders weh tun die intensiven Einheiten. Zum Beispiel 30x30 am Berg - das heißt man läuft 30 Sekunden Vollgas und hat dann 30 Sekunden Pause, und das 13 Mal hintereinander und davon drei Durchgänge. Das tut schon richtig weh. Das ist die schmerzhafteste Einheit, die es gibt.
Es gibt ja die berühmten Bilder von den Laktat-Tests auf dem Laufband. Musstet Ihr das auch machen?
Strelow: Laufband-Tests gehören natürlich dazu, das ist auch besonders hart. Da geht es darum, an einem konstanten Berg möglichst lange zu laufen, während das Band alle 20 Sekunden schneller wird.
Da ist aber noch niemand abgestürzt, oder?
Strelow: Nein, die Wissenschaftler haben einen Notausknopf. Außerdem tragen wir einen Brustgurt, der an einem Seil befestigt ist. Und wenn da der Zug zu groß wird, stoppt das Band sofort. Den Brustgurt gibt es übrigens, weil Jens Filbrich einmal vom Laufband so gestürzt ist, dass er sich eine Gehirnerschütterung zuzog. Davor gab es nur Hüftgurte, die haben aber offensichtlich nicht so gut funktioniert.
Welche Ziele haben Sie sich für die Saison gesetzt?
Strelow: Ich möchte meine Schießleistungen aus der vergangenen Saison halbwegs wiederholen. Die waren ja besonders gut. Läuferisch hat sich hoffentlich auch ein bisschen etwas getan. So wäre es schön, wenn ich wieder die Top15 im Gesamtweltcup angreifen könnte. Und bei Einzelrennen wäre ich gerne das eine oder andere Mal bei der Flower Ceremony dabei.
Du bist ein überragender Schütze, mit 94 Prozent einer der besten in der vergangenen Saison. War das schon immer ein besonderes Talent?
Strelow: Ich denke, dass ich da schon mit Talent ausgestattet bin. Ich gehöre nicht zu den härtesten Arbeitern beim Schießtraining. Aber natürlich gehört trotzdem harte Arbeit dazu. Sich auf dem Talent auszuruhen, reicht da nicht.
Verbringt ihr auch mal ganze Tage am Schießstand?
Strelow: Das machen wir nur zu Beginn der Saison oder im Mai, wenn wir die technischen Grundlagen legen und Handlungsabläufe trainieren und verfeinern. Ansonsten trainieren wir immer in Kombination mit dem Laufen. Es bringt ja nichts, wenn man ohne körperliche Belastung schießt, das hat wenig Aussagekraft. Daher versuchen wir, das Schießtraining immer mit Belastung zu verknüpfen.
Die deutschen Männer waren in der vergangenen Saison ein sehr ausgeglichenes Team. Wer hat Ihrer Meinung nach das Zeug zur neuen Nummer eins?
Strelow: Die beste Ausgangssituation hat der Johannes (Kühn, Anm. d. Red.), der sich ja schon in der vergangenen Saison sehr gut präsentiert hat. Insgesamt ist es aber unsere Stärke, dass wir so ausgeglichen sind.
Könnten Sie denn ein Leader sein?
Strelow: Ich bin fast der Jüngste. Von daher bin ich nicht in der Position, dass ich eine Führungsposition anstrebe. Da ist erstmal Altershierarchie angesagt.
Renndirektor Felix Bitterling hat neulich gesagt, dass in Deutschland die Talente fehlen, die Anfang zwanzig sind. Woran liegt das?
Strelow: Wenn man die Nationenwertung im IBU-Cup oder Weltcup anschaut, kann man Norwegen ausklammern. Die haben vermutlich drei A-Mannschaften, die Weltcup laufen können. Aber dahinter kommt schon das deutsche Team. Vor allem im IBU-Cup laufen die Jungs echt stark. Und wir haben im Weltcup eine zwar etwas ältere, aber doch breite Spitze. Auch was die Qualifikation für den Weltcup angeht, ist es sehr eng. Es ist nicht so, dass wir zu viele Plätze für zu wenige Athleten haben, man muss sich die Plätze schon hart erkämpfen. Und so ist es für junge Athleten extrem schwer, sich gegen die Älteren durchzusetzen. Aber das eine Supertalent, das mit Anfang zwanzig schon problemlos mitlaufen kann, das haben wir natürlich nicht. Das sehe ich aber bei den anderen Teams auch nicht.
Was macht der private Justus Strelow?
Strelow: Der private Justus Strelow hat jetzt Pause bis April, da passiert nicht viel. Ich stehe morgens auf, gehe zum Hotel-Frühstück, mache Sport, dann gibt es Mittagessen. Danach fahre ich an die Strecke, mache Biathlon, komme zurück, esse wieder, mache Physiotherapie, telefoniere noch kurz mit der Frau zu Hause und gehe dann ins Bett. Und der nächste Tag sieht genauso aus. Manchmal hat man auch Wettkämpfe oder reist von A nach B. Privatleben ist jedenfalls jetzt erstmal nicht mehr.
Sie geben als Hobby an, gerne zu handwerkern. Wie hat man sich das vozustellen?
Strelow: Ich versuche, möglichst viel zu reparieren, ehe ich es wegwerfe. In meiner ersten Wohnung habe ich das eine oder andere Regal und den Schreibtisch selbst gebaut. Ich schraube auch gerne an meinem Motorrad oder an den Fahrrädern rum. Ich habe einfach Spaß daran, zu basteln oder Sachen zu optimieren.
Das Gespräch führte Julia Kleine