Neue ARD-Doku Spielverderber "Ich bin ein Betrüger" - Spielmanipulation im Fußball
Wie funktioniert das weltweite Netzwerk der Wettbetrüger? Welche Rolle spielt dabei der deutsche Fußball? Die neue ARD-Doku "Spielverderber - wie Wettbetrüger den Fußball manipulieren" gibt exklusive Einblicke.
Dominique Taboga hat im Gefängnis gesessen. "Ich bin ein Betrüger, ich bin ein Verbrecher", sagt er. Die Strafe habe er "verdient" gehabt. Das Delikt: Betrug in Zusammenhang von Spielmanipulation und Wetten.
Sein Verbrechen hätte den heute 41 Jahre alten Österreicher beinahe das Leben gekostet. "Für mich hat es dann eigentlich nur einen Ausweg gegeben - und das war Selbstmord", sagt Taboga in der neuen ARD-Dokumentation "Spielverderber - wie Wettbetrüger den Fußball manipulieren", die ab Dienstag (22.10.2024) in der Mediathek und am darauffolgenden Freitag ab 23 Uhr im Ersten zu sehen sein wird.
Ex-Frau rettet Wettbetrüger das Leben
Dominique Taboga war einer der Wettbetrüger. Dass er so schonungslos in der Doku sprechen kann, verdankt er seiner damaligen Frau. Sie fand rechtzeitig den Abschiedsbrief und schickte ihrem Mann Fotos der Kinder aufs Handy.
Taboga war zehn Jahre lang Fußballprofi, acht Jahre davon manipulierte er Spiele: "Ich bin überzeugt, dass es heutzutage auch noch solche Profis gibt."
Geschätzter Umsatz auf illegalem Wettmarkt: 1,7 Billionen Euro
In den vergangenen Jahren ist einiges passiert, um den Fußball vor Wettbetrug und die Wetter vor einer Sucht zu schützen. Aber die Doku zeigt, wie aussichtslos der Kampf gegen einen Markt ist, auf dem geschätzte 1,7 Billionen Euro umgesetzt werden. In Ziffern: 1.700.000.000.000 Euro. Die Schätzung bezieht sich allein auf den illegalen Markt, der vor allem in Asien blüht.
Vom asiatischen Markt erzählt Siva, auch er ist wegen Wettbetrugs verurteilt, aber: "Ich bin immer noch in der Szene." Siva behauptet, dass er problemlos eine halbe Million Euro darauf setzen könne, dass bei einem Spiel der deutschen U19-Bundesliga noch viele Tore fallen, dass Mannschaft A den Rückstand noch dreht. Auf dem legalen Markt in Deutschland ist es verboten, Wetten auf Jugendspiele anzubieten.
"Die Leute haben keine Ahnung, wie groß der Online-Wettmarkt ist, also Gambling generell, nicht nur Asien, weltweit. Es sind Milliarden, die da umgesetzt werden und mehr Milliarden, als man sich vorstellen kann. Es ist massiv", sagt Frank Schüngel, Experte für Glücksspiel-Lizenzen.
"Wenn ich ein Krimineller wäre, wär ich ein Wettbetrüger"
In der ARD-Doku von Benjamin Best und Maike Elger kommen auch Ermittler zu Wort, die schon seit etwa 15 Jahren ein Kriminalitätsfeld beobachten, das kaum abschreckt. "Wenn ich ein Krimineller wäre, wär ich ein Wettbetrüger. Es gibt da einfach keine Kontrolle“, sagt etwa Francesco Baranca, ehemaliger Fußballfunktionär, der dabei half, in Spanien einen Wettring zu zerschlagen.
Anschaulicher macht es Wettbetrüger Siva: "Wenn du in Singapur mit Drogen handelst, wirst du hingerichtet. Manipulierst du Fußballspiele, kommst du für drei bis fünf Jahre ins Gefängnis. Mit guter Führung bist du nach anderthalb Jahren wieder draußen. Dann hast du genug Geld."
3.000 Festnahmen in China
Es ist viel dreckiges Geld im Markt, und die Dokumentation zeigt auf, dass vermutlich auch viele Bundesligisten davon profitieren. Der Deutsche Meister Bayer Leverkusen etwa unterhält eine Partnerschaft mit dem Betreiber "Kaiyun", der früher "Yabo" hieß. Der Grund für die Namensänderung war ein großangelegter Schlag gegen illegale Betreiber in China im Jahr 2021. Damals wurden 3.000 Personen festgenommen.
Investigativjournalist Philippe Auclair recherchiert seit vielen Jahren zum Wettmarkt. "Deutsche Fans haben oft überhaupt keine Ahnung, dass ihr Verein eine Partnerschaft mit einem asiatischen Wettbetreiber hat. In Deutschland sieht man die Werbung dafür nicht. Aber auf dem wichtigsten Markt, da sehen es die Menschen: in China."
Bayer Leverkusen hat sich auf ARD-Anfrage nicht dazu geäußert, wo ihr Partner "Kaiyun" lizenziert ist und wem der Anbieter gehört. "Zu vertraulichen Vertragsinhalten nimmt Bayer 04 grundsätzlich keine Stellung", heißt es schriftlich.
Die Marke "Kaiyun" ist auf den Philippinen registriert. Die dortigen Behörden bestätigen der ARD allerdings, dass der Wettbetreiber im Land nicht lizenziert sei.
Etliche Bundesligisten unterhalten Partnerschaften
Auch Borussia Dortmund, Werder Bremen, Borussia Mönchengladbach und der FC Augsburg haben asiatische Wettbetreiber als Partner. Alle Klubs antworten, dass sie die Vertragspartner geprüft hätten. Die Fragen, wo die jeweiligen Partner lizenziert sind und wem die Wettbetreiber gehören, ließen die Klubs dagegen unbeantwortet.
Wie eng die Verbindung zwischen organisierter Kriminalität und dem asiatischen Wettmarkt ist, zeigt eine Meldung von Interpol vor wenigen Tagen. Während der Fußball-EM 2024 kam es zu mehr als 5.000 Festnahmen aufgrund von illegalen Sportwetten in 28 Ländern. Beteiligt an den Razzien waren unter anderem Ermittlungsbehörden in Vietnam, China, den Philippinen und Singapur.
Ermittler glaubt, dass auch aktuell betrogen wird
Polizist Michael Bahrs ermittelte schon vor fast 20 Jahren im Wettmilieu. Er war damals Teil der Bochumer Sonderkommission "Flankengott". In der neuen ARD-Doku sagt er: "Wenn wir uns dahingehend aufstellen würden, dass wir eine gute Zusammenarbeit zwischen Sportverbänden, Ermittlungsbehörden hätten, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass wir auch einen erneuten Fall Flankengott in Deutschland hätten."
Die ARD-Doku "Spielverderber - wie Wettbetrüger den Fußball manipulieren" sehen Sie ab 22.10. in der ARD-Mediathek.