Handball-EM Deutscher Finaltraum platzt - enttäuschter Knorr übt Selbstkritik
Die deutschen Handballer verlangten in einem packenden Halbfinale dem großen Favoriten aus Dänemark alles ab und zeigten vor allem in der ersten Halbzeit eine starke Leistung. Am Ende sollte es nicht ganz reichen. Turnier-Gastgeber Deutschland unterlag am Freitagabend (26.01.2024) dem aktuellen Weltmeister 26:29 (14:12).
Man kann es sich einfach machen und sagen: Die junge Mannschaft unterliegt der erfahrenen, scheitert an der Routine und der Weltklasse, die sich durch den gesamten dänischen Kader zieht. Aber wer Juri Knorr nach Spielende erlebte, wusste: Dieses Resultat war für den deutschen Spielmacher alles andere als leicht zu erklären. "Das fühlt sich wie eine riesengroße, verpasste Möglichkeit an", sagte Knorr sichtlich niedergeschlagen im Interview mit der Sportschau.
"Mir geht es gar nicht darum, am Ende den Erfolg zu haben. Wenn wir in letzter Sekunde mit einem Tor verlieren, dann müssen wir das akzeptieren, aber ich will nicht so verlieren, dass ich nach dem Spiel das Gefühl habe, nicht alles, alles rausgehauen zu haben in einem so großen Spiel."
"Wir wollten ihnen den Spaß am Handball nehmen"
Knorr saß in der Schlussphase, als die deutsche Mannschaft noch um den Anschluss kämpfte, nur noch auf der Bank. Fühlte sich erschöpft, wurde durch Philipp Weber ersetzt. Der 23-Jährige war über sicht selbst enttäuscht, übte Selbstkritik. "Es kann keine Kraftfrage sein, weil Gidsel und Pytlick spielen auch 60 Minuten durch, knallen sich in jeden Zweikampf", sagte Knorr. "Das werfe ich mir vor, dass ich das nicht mache. Ich weiß nicht warum, ich muss härter in die Zweikämpfe gehen, muss mehr Verantwortung übernehmen."
Über weite Strecken lieferte die deutsche Mannschaft einen derartigen Kampf, spielte aggressiv in der Abwehr und entnervte den dänischen Weltklasse-Rückraum um Mathias Gidsel und Simon Pytlick. "Wir wollten ihnen den Spaß am Handball nehmen, das ist uns in der ersten Halbzeit überragend gelungen", sagte Sebastian Heymann. Deutschland führte 14:12, die Kölner Halle mit 19.750 Zuschauerinnern und Zuschauern bebte, die Sensation gegen den Top-Favoriten schien greifbar.
Angepeitscht von der Halle, die Handball-untypisch die Ballbesitze der Dänen auspfiff und Abwehraktionen wie Tore feierte, schien das deutsche Team den Rausch für einen "perfekten Tag" zu haben, den es brauchen würde. Der 21-jährige Renars Uscins, kurzfristig für Kai Häfner (aus privaten Gründen abgereist) auf dem Parkett, ritt die Euphoriewelle und traf fünffach, wurde zum "Spieler des Spiels" gekürt.
Jacobsen zieht Asse aus dem Ärmel
Aber in der zweiten Halbzeit zog Dänemarks Coach Nicolaj Jacobsen zwei Asse aus dem Ärmel. Das eine trug den Namen Emil Nielsen, der Torwart vom FC Barcelona kam für Niklas Landin und nahm der deutschen Offensive mit acht Paraden in 30 Minuten den Flow. Im Angriff nahm Jacobsen Torhüter Nielsen immer wieder vom Feld - um vorne eine Überzahlsituation zu kreieren. "Man muss sagen, dass die Dänen mit dem Sieben gegen Sechs unserer Abwehr den Zugriff nehmen und ihre Chancen nutzen", sagte Kapitän und Abwehrchef Johannes Golla, "das hat das Spiel umgebogen."
Bundestrainer Alfred Gislason fand den Grund für die Niederlage ebenfalls beim Gegner. "Das war ein sehr, sehr starkes Spiel von meiner Mannschaft, letztendlich schaffen es die Dänen mit ihrer Breite und ihrer Routine", sagte Gislason und hob die erste Halbzeit hervor, "in der wir die bessere Mannschaft gegen Dänemark waren." Schließlich ist das schon Statement genug, wie stark das DHB-Team mithielt mit dem klaren Favoriten.
Das große Ziel Halbfinale hatten die deutschen Handballer erreicht, der große Traum vom Endspiel blieb ihnen trotz des großen Kampfes verwehrt. Am Sonntag geht es gegen Schweden (15 Uhr, live in der ARD) um Platz drei und die direkte Qualifikation fürs olympische Handballturnier in Paris. Dänemark spielt das Finale gegen Frankreich (17.45 Uhr, live in der ARD), es ist die Neuauflage des Olympia-Endspiels von Tokio 2021.
Knorr - "Will nicht so ein Sportler sein"
Die Chance auf eine Medaille ließ die meisten der deutschen Nationalspieler mit erhobenen Köpfen von der Platte gehen - Spielmacher Juri Knorr dagegen drohte, sich in ein Loch zu fressen. "Ich will nicht so ein Sportler sein, der zufrieden ist, wenn er das Halbfinale erreicht", sagte der vierfache Torschütze zur ARD. "Natürlich ist das ein großer Erfolg, aber solange das Turnier läuft, will ich alles dafür geben, dass das Größtmögliche dabei rumkommt. Es geht mir gar nicht so sehr um den Titel, sondern darum, alles gegeben zu haben, dieses Gefühl habe ich heute nicht."
Angesichts der tollen Leistung seines Teams eine überharte Selbstkritik, aber sie zeigt: Die junge deutsche Handball-Nationalmannschaft hat noch lange nicht genug.