Neuer Tottenham-Trainer Ange Postecoglou - No-Name und Reiseleiter
Der englische Premier-League-Klub Tottenham Hotspur ist nach etlichen Absagen und elf intensiven Wochen der Trainersuche nun doch noch fündig geworden. Ange Postecoglou lautet der Name des Auserwählten, der die "Spurs" nach einer Horror-Saison wieder wettbewerbsfähig machen soll. Der breiten Masse dürfte dennoch die brennende Frage auf der Zunge liegen: Wer ist das überhaupt?
Ein kurzer Blick in die Vita verrät gleich: Einer der jungen, aufstrebenden und ins Geschäft drängenden Trainertalente ist Ange Postecoglou nicht. Vielmehr bringt der 57-jährige Australier, der in Griechenland geboren wurde, geballte internationale Erfahrung aus ganz unterschiedlichen Trainerstationen mit.
Als Sohn griechischer Einwanderer betrat Postecoglou im Alter von fünf Jahren das erste Mal australischen Boden. Seine Eltern arbeiteten hart, um der Familie in dem gänzlich fremden Land eine Zukunft bieten zu können. Allein die wöchentlichen Besuche der Spiele eines ansässigen Fußballklubs, der von griechischen Einwanderern in Australien gegründet worden war, brachten Abwechslung in den von Existenzängsten geprägten Alltag. Vielmehr noch: Sie flochten ein Band zwischen Vater und Sohn.
"Fußball war für ihn eine Verbindung zu seiner Vergangenheit", erinnerte sich Postecoglou bei "Skysports", wie viel der Fußball seinem Vater bedeutete: "Indem er ihn an mich weitergab, hatte er das Gefühl, mir die Art von Erziehung zu geben, die er mir geben wollte, obwohl wir in einem fremden Land waren. So wurde der Fußball zum Kern von allem, was wir taten."
Was Postecoglou anfasst, wird zu Gold
Nachdem der Grundstein Woche für Woche gelegt worden war, schaffte der angespornte Postecoglou ein wenig später den Sprung in die Jugendmannschaft von South Melbourne FC und wurde mit dem Verein später sogar australischer Meister, ehe ihn eine schwerwiegende Verletzung zwang, im Alter von 27 Jahren die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen.
Ange Postecoglou schlug die Laufbahn des Trainers ein, schaffte es tatsächlich – als junges, aufstrebendes Trainertalent – Chefcoach an der Seitenlinie seines Jugendklubs zu werden und holte mit dem Klub in Australiens höchster Spielklasse und dem australischen Pokal in den darauffolgenden Spielzeiten drei Titel.
Seine weiteren Amtszeiten in diversen australischen Klubs, aber auch beim australischen Fußballverband, waren immer durch ein Merkmal geprägt: dem sich einstellenden Erfolg - wenn ihm denn die Zeit und das Vertrauen entgegengebracht wurden.
Es ist wie ein Investment in die Zukunft, findet auch Sportschau-Experte Thomas Broich, der unter Postecoglou beim australischen Klub Brisbane Roar nochmal einen zweiten Karriere-Frühling erlebte: "Es ist am Anfang immer zäh und es sieht aus, als würde es nicht klappen. Aber irgendwann war immer dieser Turning-Point erreicht und dann haben seine Mannschaften alles in Grund und Boden gespielt."
Sportschau-Experte Thomas Broich
Zuletzt machte sich Postecoglou beim schottischen Serienmeister Celtic Football Club unsterblich, seiner ersten europäischen Trainerstation. War er im Jahr 2021 noch mit drei Niederlagen aus den ersten sieben Liga-Spielen in seine Amtszeit gestartet, schloss er sein Kapitel in Glasgow in der jüngst abgelaufenen Spielzeit mit dem Gewinn des schottischen FA-Cups ab und machte damit das achte Tripple in der Vereinshistorie perfekt.
Die Uhren ticken in England anders
Nun also Tottenham Hotspur. Wahrlich kein einfaches englisches Pflaster. Trainergrößen wie José Mourinho oder zuletzt Antonio Conte scheiterten hier bereits. Conte, der seinen Abschied auf einer denkwürdigen Pressekonferenz selbst einläutete: "Ich sehe egoistische Spieler, ich sehe Spieler, die sich nicht gegenseitig helfen wollen und die nicht mit dem Herzen dabei sind".
Nun wagt also der erste australische Trainer der Premier-League-Geschichte den Schritt in Englands höchste Spielklasse. Thomas Broich glaubt, dass Postecoglou Erfolg haben wird "Er ist ein großartiger Boss. Sehr autoritär, sehr fordernd, aber ehrlich und gerade raus. Zudem ist er ein fantastischer Geschichtenerzähler. Er nimmt seine Jungs mit auf eine Reise. Man glaubt, dass Dinge möglich sind, man hat Lust auf ein Abenteuer."
Dass es ein Abenteuer werden wird, ist so gut wie sicher. Ebenso, dass Trainer in der Premier League nicht viel Zeit bekommen, bis bei ausbleibendem Erfolg an ihrem Stuhl gesägt wird. Doch damit sich das Risiko auszahlt, das Tottenham mit dieser Verpflichtung eingeht, müssen alle im Verein, einschließlich der Spieler und der sportlichen Führung, an die Spielkultur glauben, die Ange Postecoglou installieren will. Nur dann kann die Reise eine erfolgreiche werden.