Einzelkritik zur DFB-Elf Glänzende Debütanten und ein Benjamin als Dominator
Stuttgarts Jamie Leweling und Keeper Oliver Baumann gelangen glänzende Debüts im DFB-Dress. Die Rolle als Chef im Spiel übernahm aber der jüngste aller deutschen Akteure.
Oliver Baumann (Tor): Der Hoffenheimer avancierte mit dem Match gegen die Niederlande zum zweitältesten Debütanten in der Nachkriegsgeschichte der DFB-Auswahl (34 Jahre und 135 Tage). Älter war nur ein gewisser Matthias Mauritz mit seinen damals 34 Jahren und 188 Tagen bei seinem einzigen Länderspiel im Jahr 1959. Eine schöne Nebensächlichkeit. Wichtiger: Baumann zeigte sich überhaupt nicht nervös, somndern strahlte Ruhe und Souveränität aus. Aufs Tor bekam er von den defensiv auftretenden Niederländern lange nichts. Bis zur 90. Minute. Da entschärfte er glänzend einen Knaller von Donyell Malen.
Joshua Kimmich (Abwehr): In seinem 95. Länderspiel musste/durfte Kimmich wieder auf der Rechtsverteidiger-Position ran. Genau dort ist der Kapitän des Teams auch glänzend aufgehoben. Souverän und fehlerlos stand er wie ein Fels auf der rechten Außenbahn. Da ging nichts für die Niederländer. Die Flanken des Bayern-Akteurs aber sind ausbaufähig. Zu hoch, mit zu wenig Tempo gespielt: Kleindienst im Sturmzentrum wartete vergeblich auf Verwertbares von Kimmich.
Nico Schlotterbeck (Abwehr): Starkes Match des Dortmunders. Aggressiv und mit gutem Timing im Zweikampf (meist gegen den kantigen Brobbey) unterband er beinahe sämtliche angedachten Anspiele auf den Ajax-Angreifer. Im Aufbauspiel suchte er immer mal wieder den Risikopass ins Zentrum. Das war mutig und tat dem oft zu statischen deutschen Spiel gut.
Antonio Rüdiger (Abwehr): Solides Match des Real-Verteidigers, der die zentralen niederländischen Angreifer gemeinsam mit Schlotterbeck gut in Schach hielt. Liverpools Gakpo wich immer wieder auf die linke Bahn aus, um Rüdigers Zugriff zu entgehen. Das brachte der Offensive "Oranjes" aber letztlich auch nichts Erwähnenswertes.
Maximilian Mittelstädt (Abwehr): In der Anfangsphase gemeinsam mit Debütant Leweling Aktivposten auf der linken Außenbahn. Da kamen gute Spielzüge und vor allem gute Flanken vom Stuttgarter. Das ließ im Laufe des Spiels nach. Defensiv wurde Mittelstädt kaum gefordert.In der hitzigen Schlussphase wieder ein wichtiger Stabilisator auf der Außenbahn, zudem mit der guten Chance zur Entscheidung, als der abgefälschte Schuss denkbar knapp am Tor der Niederländer vorbeiging. Sehr zuverlässig, das war der Eindruck.
Aleksandar Pavlovic (Mittelfeld): Es ist schon erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit der erst 20-Jährige das Kommando im deutschen Spiel an sich riss. Dirigierte, ließ sich für den Aufbau immer mal wieder in die letzte Reihe zurückfallen. Es macht Spaß, seinem eleganten Spiel zuzuschauen. Manchmal fehlt ein bisschen die Explosivität. Gegen die defensiv dicht gestaffelten Niederländer fehlte daher hin und wieder das Überraschungsmoment, das von Pavlovic hätte ausgehen sollen. In der zweiten Hälfte eine Position weiter nach vorn gerückt - von da aus weit weniger aktiv. 15 Minuten vor Schluss entkräftet raus.
Angelo Stiller (Mittelfeld): Als Nebenmann von Pavlovic litt sein Spiel ein wenig unter der Dominanz des Münchners. Stiller, der ja ebenfalls ein sehr eleganter Aufbauspieler sein kann, musste sich hauptsächlich auf strategische Defensivarbeit konzentrieren. Die richtige Position einnehmen, um im Fall eines Ballverlsuts von Pavlovic schnell eingreifen zu können. Das machte er sehr gut und taktisch hervorragend.
Angelo Stiller - taktisch klug
Jamie Leweling (Mittelfeld): Was hätte das für ein Traumdebüt sein können: Nach nicht einmal zwei Spielminuten schmetterte der Stuttgarter den Ball nach Gnabrys Vorarbeit zum vermeintlichen 1:0 in die Maschen. Doch es wurde nichts aus dem frühen Tor beim Länderspiel-Debüt des 23-Jährigen. Gnabry hatte zuvor knapp im Abseits gestanden. Anschließend gefiel Leweling immer mal wieder durch seine Ansätze zum Dribbling. Und dann holte er seinen Traumeinstand mit dem wunderbaren Treffer zum 1:0 in der 64. Minute einfach nach.
Florian Wirtz (Angriff): Was war los mit dem Leverkusener Supertalent? Die Partie lief 45 Minuten lang mehr oder weniger an Wirtz vorbei. Kaum Ballkontakte, geschweige denn eine Torsituation. Wurde nach 45 enttäuschenden Minuten ausgewechselt.
Serge Gnabry (Angriff): Aktivposten auf der rechten Außenbahn. Man merkte dem Münchener das Selbstvertrauen an, das er im Verein in den vergangenen Wochen gesammelt hat. Ganz stark in den deutschen Pressingsituationen. Schade: Sein Ballgewinn vor dem vermeintlichen frühen 1:0 entstand aus einer hauchdünnen Abseitsposition.
Tim Kleindienst (Angriff): Hatte Mühe, ins Spiel zu finden. Für das schnelle deutsche Kombinationsspiel, das im Mittelfeld initiiert wird, schien es dem Neu-Gladbacher ein bisschen an Wendigkeit und Explosivität zu fehlen. Dennoch: Immer ein gefährlicher Mann im Angriffszentrum, immer präsent. Stark seine Lauffreudigkeit bei Balllbesitz des Gegners.
Ab 46. Minute: Robert Andrich (Mittelfeld): Mit seiner Einwechslung veränderte sich die komplette Statik des deutschen Spiels. Pavlovic rückte von der Sechserposition eins weiter nach vorn, Andrich positionierte sich neben Stiller. Das alles gab dem deutschen Spiel viel Stabilität. Andrich beschränkte sich fast ausschließlich auf Defensivarbeit.
Ab 77. Minute: Kevin Schade (Angriff): Mit viel Tempo und Willen in seinen ersten Aktionen, die aber etwas überhastet nichts Positives einbrachten.
Ab 82. Minute: Waldemar Anton (Abwehr): In den zehn Minuten seines Einsatzes gleich mittendrin im Geschehen. Rüdes Foul in der letzten Spielminute, das für einige Aufregung auf dem Rasen sorgte.
Ab 82. Minute: Jonathan Burkardt (Angriff): Fleißig beim Anlaufen der auf den Ausgleich drängenden Niederländer. In Tornähe kam der Mainzer indes nicht.
Ab 87. Minute: Robin Gosens (Mittelfeld): Zu kurz auf dem Feld, um Akzente setzen zu können.